"Du hast ne Einladung für Slack!", diese Whatsapp einer Mitarbeiterin war genau das, was ich noch brauchte, um endgültig durchzudrehen. WTF? Slack? Dieser Kanal sollte jetzt auch noch hinzukommen? Weil ein Kunde das so wünschte? Der doch per se schon alles per E-Mail durchgab? Gerade hab ich meinen X-Account geschlossen, weil ich bei dieser Elon-Musk-Plattform nicht mehr mitgehen wollte. Und ich war sowas von froh, dem Trend entgegenzuwirken.
Die Bildschirmzeiten steigen und steigen. Überall. Natürlich auch bei mir. Meinen Wochentrend wollt ihr gar nicht wissen, das ist ein komplettes Desaster. Ich nahm die Slack-Einladung zwar an, schaltete aber die Screen-Benachrichtigungen ab. Das habe ich schon vor Jahren bei Whatsapp und allen anderen Messengern getan. Das war der Anfang meines Digital Detox. So muss ich schon proaktiv ins Handy schauen. Und auch, wenn es dramatisch klingt: Diese Hürde hilft mir dabei, zu überleben.
Meine Lieblingssucht Instagram habe ich besiegt. In der Familie haben wir uns ein Insta-Post-Verbot verpasst. Gucken ist okay, posten nicht. Immer wieder sind wir alle kurz davor, rückfällig zu werden. Bisher sind wir seit vier Jahren clean.
Irgendwie ist es inzwischen auch cool, nicht überall zu senden. Mehr Menschen empfinden es ähnlich: Dieser Technostress macht uns krank. Technostress wird definiert als Reaktion des Körpers auf starke psychische Belastung, welche durch die Technologie hervorgerufen werden kann.
Man merkt es erst dann, wenn es uns voll erwischt hat. Wer kennt das nicht? Das noch schnell beantworten, hier noch eben posten, den Anruf annehmen, kurz zoomen und ein paar Mails machen. Nebenbei ein Rezept googeln, in den Messenger schauen. Und um sich zu entspannen, einfach 'ne Runde joggen. Dabei läuft natürlich die App. Ergebnis: Alles fühlt sich dumpf an, leer, überfordernd.
Letzte Woche sah ich ein Paar, das in das Café kam, in dem ich saß. Sie fotografierte den Kuchen, ihren Kaffee, die Vitrine, die Stühle. Und immer wieder landete alles in ihrer Story. Am Ende noch eben ein Selfie-Video, in dem sie zu ihrer Community sprach. Selbstverständlich mit der Bitte, alles zu liken. Ihr Typ saß die ganze Zeit alleine am Tisch. Schnell pumpte sie ihr Wasser weg und sagte: "Komm, lass los. War schön hier mit dir." Mit dir?
Angeblich ist der neue heiße Scheiß das "Digital Detox". Mehr und mehr "ohne" zu sein. Inzwischen haben Freund:innen von mir ihr Smartphone gegen ein Handy getauscht, mit dem man telefonieren und SMS schreiben kann. Sonst nichts. Ziemlich verwegen.
Die reine Bildschirmzeit, sagen viele Wissenschaftler:innen, die ich befragt habe, hat nicht unbedingt die große Relevanz, um eine Techno- oder Onlinesucht festzustellen. Vielmehr sind es andere Parameter. Fragen wie diese:
Musst Du immerzu ans Onlinesein denken? Hast Du bereits erfolglos versucht, Deine Internetnutzung zu reduzieren? Fühlst Du Dich nervös, launisch, traurig oder gereizt, wenn Du nicht im Internet sein kannst? Verbringst Du mehr Zeit im Internet als vorgesehen? Gefährdet Deine Internetnutzung Freundschaften, Beziehungen, Arbeit oder Ausbildung? Hast Du schon einmal Familie oder Therapeut:innen über Deine Internetnutzung belogen? Nutzt Du das Internet, um Dich von Problemen oder schlechten Gefühlen abzulenken?
Wenn Du diese Fragen vorwiegend mit einem Ja beantworten kannst, ist es wirklich an der Zeit, zu handeln. Dabei darf man nicht vergessen, dass es nicht nur um Whatsapps geht. Netflix und Spotify gehören durchaus auch zu den Killern unserer mentalen Gesundheit. Was wir wirklich brauchen, ist mehr Verantwortung für uns selbst. Denn: Es ist nicht cool, Freundschaften und Beziehungen aufs Spiel zu setzen. Arbeit oder Ausbildung zu vernachlässigen, Ablenkung zu suchen, nur weil man die eigenen Probleme nicht sehen will.
Viel wichtiger noch: Wäre es nicht clever, wenn wir achtsamer mit uns werden? Stress haben wir eh genug, brauchen wir ernsthaft auch noch den Technostress?
Dinge wie Empathie gibt es nicht im App Store.
Hinter all den digitalen Verführungen steckt eine psychologische Strategie. Jeder Hersteller will, dass man die Dinge immer mehr, immer öfter, immer intensiver nutzt. Klar, denn sie leben davon. Bereits Kleinkinder können Apple-Produkte bedienen. Das ist kein Zufall. Das ist Teil der Apple-Strategie. Man züchtet sich die Kundschaft von morgen schon recht früh heran. Weil alles so einfach ist, kann man kinderleicht den Einstieg schaffen. Ist man einmal drin, geht es nur noch darum, den Kunden zu halten. Und dafür tun die Hersteller alles.
Ähnlich wie bei Süßigkeiten oder Alkohol werden wir in den Technostress gezogen. Auch hier ist der Prozess fließend und vor allen Dingen legal. Was auf der einen Seite dick und krank macht, ist auf der Technoseite die Einsamkeit und der Stress. Beides ist toxisch. Und genau deshalb entziehe ich mir selbst das Handy. Aber nicht komplett, sondern maßvoll.
Der Screen liegt auf dem Tisch. So sehe ich nicht, was sich tut. Ich habe Slots, in denen ich Rückrufe abarbeite. Mails beantworte ich inzwischen nur noch auf dem Laptop und zwar zu den Arbeitszeiten. Whatsapps und andere Messanger nutze ich zu 80 Prozent nur noch zum Arbeiten. Privat wird ausschließlich völlig Oldschool telefoniert. Was jetzt vielleicht radikal klingt, ist einfach nur das Finden des richtigen Maßes.
Technostress entsteht meiner Meinung nach nur durch Maßlosigkeit, weil wir es nicht mehr im Griff haben.
Detoxen ist für mich von gestern, Achtsamkeit und Eigenverantwortung sind die wahren Heiler der mentalen Gesundheit.