Der Himmel ist wolkenverhangen, die Luft diesig und nass. Es ist Sommer in Berlin und der zeigt sich heute in gewohnt deutscher Unbeständigkeit. An einem normalen Arbeitstag wäre das auf dem kurzen Weg zwischen Tram und Büro unangenehm – doch nicht so heute.
Denn heute geht es hoch hinaus, auf die Dächer Berlins. Gemeinsam mit Dachdeckern des Familienbetriebs Hanebutt tauche ich ein in einen Beruf, der handwerkliches Geschick, körperliche Fitness und eine Portion Mut verlangt.
Denn was bedeutet es eigentlich, Dachdecker:in zu sein? Welche Fähigkeiten und Qualifikationen sind gefragt? Und warum ist dieser Beruf gerade jetzt so zukunftsträchtig?
Die erste Gebäude-Erklimmung führt mich zu einem Wohnhaus in Berlin Wittenau. Hier treffe ich Marco und Christoph, zwei langjährige Dachdecker, die hier an einer Gebäudeabdichtung arbeiten.
Angesichts des Nieselregen könnte ich mürrische Stimmung verstehen, doch die beiden begegnen mir mit gutgelaunter Berliner Schnauze: "Dit ist eben das Wetter, dit könnte viel schlimmer sein". Ich klettere über eine Leiter zu den beiden nach oben: Die Stufen sind nass und rutschig – bei jedem Schritt ist Konzentration gefragt.
Christoph ist Quereinsteiger im Dachdeckerberuf. Seine Ausbildung hat er als Zimmermann gemacht, seine handwerkliche Berufung fand er jedoch schließlich als Dachdecker bei Hanebutt. Marco wollte eigentlich ebenfalls Zimmermann werden, entschied sich jedoch schließlich doch für das Handwerk auf dem Dach. Beide sind offensichtlich vollkommen zufrieden mit ihrer Wahl.
Viele seien Quereinsteiger:innen, denn als Handwerker:in interessiere man sich meistens generell für das handwerkliche Metier und damit auch für andere Berufe der Branche. Das Wichtigste im Arbeitsalltag, da sind sich beide einig, ist das Team und die Zusammenarbeit. "Hauptsache, niemand hat 'ne Keen-Bock-Einstellung im Team!", betonen beide. "Dit ist das Allerwichtigste."
Das Highlight ihres Jobs: der gemeinsame Schnack, die Teamarbeit und die Zeit an der frischen Luft. Dachdecker sei ihr Traumberuf, den ganzen Tag in einem Büro herumzusitzen, könnten sich beide nicht vorstellen. Dachdecker Marco meint:
Dennoch hat die Branche der Dachdecker wie viele handwerkliche Berufe mit einem Image-Problem und Fachkräftemangel zu kämpfen. Und das, obwohl der Beruf gerade in einer Zeit der Klimakrise und der Energiewende zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Ob es um die Installation von Solaranlagen, die Dämmung von Gebäuden zur Energieeinsparung oder die Reparatur von Sturmschäden geht – die Arbeit auf den Dächern ist vielfältig und zukunftssicher.
Doch aufgrund des Image-Problems bleiben viele Ausbildungsplätze oftmals unbesetzt. Der Dachdeckerbetrieb hat sich unter anderem zum Ziel gesetzt, das Handwerk wieder attraktiver zu gestalten, wie Geschäftsführer Heiner Hanebutt am Ende des Tages erklären wird.
Wie in jedem Job gibt es aber auch nervige Aspekte: Marco und Christoph berichten, dass die Arbeit auf dem Dach auch oftmals eine hohe körperliche Belastung ist. Zudem machen Hitze oder auch Gewitterstürme einen exakten Projektablauf nahezu unmöglich. Aber Pausen zwischendrin seien ja sowieso wichtig, "Käffchen muss ja auch mal sein", schmunzelt Marco Giering.
Es geht weiter auf die nächste Baustelle. Den Dachdecker Kai Marscheider treffe ich vor einem klassischen Berliner Altbau-Wohnhaus in Mitte. Aus dem Nieselregen hat sich mittlerweile ein prasselnder Starkregen entwickelt, Kai erklärt mir, dass er aufgrund der suboptimalen Wetterlage gerade an den Fallrohren arbeite.
Dachdecker wurde er aufgrund seiner Liebe zum Handwerk – vor allem Baustellen, "an denen man bisschen fummeln muss und dabei Geschick zeigen kann", machten ihm Spaß.
Als der Regen sich eine Pause gönnt, klettern wir aufs Dach. Außer Frost und Gewitter hält den Dachdecker wenig von der Arbeit ab. "Es ist nie kalt, man zieht sich eben die richtigen Klamotten an." Auch im Winter arbeiten sie nahezu jeden Tag – aufgrund der globalen Erwärmung gäbe es laut Kai aber schon lange sowieso keine richtigen Winter mehr.
Am Ende des Tages treffe ich noch auf Heiner Hanebutt – sein Vater Henning führt das Familienunternehmen in der dritten Generation. Das Problem mit dem Nachwuchs versucht Hanebutt auf unterschiedliche Arten anzugehen.
Am Hauptstandort in Neustadt am Rübenberge in Niedersachsen können Schüler:innen seit einigen Jahren Praktika oder auch Ferienjobs machen – das helfe laut Heiner Jugendlichen dabei, die Freude am Handwerk zu entdecken.
Zudem gebe es auch Praktika für Lehrer:innen, um auch dort Vorurteile gegenüber handwerklichen Berufen abzubauen. "Das hat extrem was gebracht. Seitdem haben die einfach eine andere Sichtweise auf das Handwerk und vermitteln die eben auch an die Kinder weiter."
Corona wäre ebenfalls gutes Marketing für das Handwerk gewesen, durch die Pandemie hätte es einen regelrechten Ansturm auf die Ausbildungsplätze gegeben. "Man konnte endlich sehen, wie relevant und krisenfest Handwerksberufe sind", so Heiner. Im Allgemeinen meint Heiner eine positive Tendenz zu erkennen:
Um sich für den Beruf des Dachdeckers zu entscheiden, sind laut Heiner wenig Voraussetzungen nötig. "Hauptsächlich Lust ... na ja, und am besten wenig Höhenangst. Das wäre schon von Vorteil," lacht er.