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Nast antwortet

Gen Z will mehr Me-Time: Bin ich normal, wenn ich lieber allein bin?

Single glücklich
Die Gesellschaft anderer Menschen ist nicht immer angenehm. Bild: Unsplash / matthew hamilton
Nast antwortet

Bin ich normal, wenn ich lieber allein bin?

Wir alle fragen uns manchmal, ob mit uns etwas nicht stimmt. Doch wir trauen uns oft nicht, die Frage laut auszusprechen. Aus Angst vor der Reaktion. Das wollen wir ändern – und bitten Bestsellerautor Michael Nast um ehrliche Antworten.
14.01.2025, 18:18
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Ein Buch lesen, einen Spaziergang machen, vielleicht einen Film ansehen – und das war’s schon. Immer mehr Menschen lernen ihre Me-Time zu schätzen. Sie sehen bewusst keine anderen Menschen, sondern sind lieber allein.

Bei manchen meldet sich dann allerdings auch das schlechte Gewissen. Sie haben FOMO (Fear of missing out, also Angst, etwas zu verpassen). Oder fragen sich ganz einfach, ob mit ihnen irgendetwas nicht stimmt: Während andere Menschen voller Begeisterung ihre Wochenenden mit Freunden verplanen oder auf Partys gehen, ziehen sie sich lieber zurück.

Michael Nast, bin ich normal, wenn ich lieber allein bin?

Michael Nast
Autor Michael Nast antwortet für watson offen und ehrlich auf unbequeme Fragen.Bild: Michael Nast / Privat

Das ist die Antwort von Michael Nast

Ein eindeutiges Ja.

Lieber allein, als mit den falschen Leuten umgeben zu sein. Ich genieße es tatsächlich immer häufiger, auch mal nicht unter Menschen zu sein. Ehrlich gesagt: Das hat mir anfangs Sorgen bereitet. "Werde ich menschenscheu?", habe ich mich gefragt. Oder werde ich sogar zum Misanthropen?

Aber daran liegt es nicht. Es liegt daran, dass ich mich viel zu oft fragen muss: Was stimmt eigentlich mit den Leuten nicht? Wie kann man so egoistisch sein? Ignorant, illoyal oder verletzend. Und leider sehe ich gerade in den vergangenen Jahren auch immer mehr Leute, die ich ganz offensichtlich überschätzt habe.

Das ist Michael Nast
Michael Nast, 1975 in Ost-Berlin geboren, arbeitet seit 2014 als Schriftsteller und Autor. Er hat bisher sechs Bücher veröffentlicht. "Generation Beziehungsunfähig" hielt sich neun Monate auf der Spiegel-Bestsellerliste. 2021 erschien der zugehörige Kinofilm. Aktuell ist er mit seinem Buch "Weil da irgendetwas fehlt" auf Lesetour.

Toleranz ist ein interessantes Wort. Heutzutage ist es ja positiv besetzt. Wer tolerant ist, ist weltoffen, akzeptiert andere und erkennt sie an. Klingt alles sehr aufgeschlossen. "Tolerare" in seiner ursprünglichen lateinischen Bedeutung ist mir allerdings näher. Es bedeutet ertragen, aushalten, erdulden. Wenn ich jemanden toleriere, ertrage ich ihn. Ich leide unter ihm, aber halte diese Person aus. Irgendwann ist jedoch eine Grenze erreicht.

"Ich fühle mich nicht in der Lage, eine Person von ihren Ansichten zu trennen."

Gerade die Krisen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass wir uns alle besser kennengelernt haben. Besser, als vielen von uns lieb war. Sie warfen ein grelles Scheinwerferlicht auf Unterschiede, die sich bisher in der Unschärfe verborgen hielten. Plötzlich werden Überzeugungen freigelegt, die zuvor nicht erwähnt wurden, weil dazu keine Notwendigkeit bestand. Ich fühle mich nicht in der Lage, eine Person von ihren Ansichten zu trennen. Die Krisen sind egal. Es geht um die Schlüsse, die man aus ihnen zieht.

Ich kann Menschen nicht ändern. Wenn man weiß, wie schwer es fällt, sich selbst zu ändern, begreift man, wie aussichtslos der Versuch ist, andere zu ändern. Ich kann allerdings entscheiden, mit wem ich meine Zeit verbringe. Und zwar möchte ich das mit Menschen tun, die etwas in mir berühren, mit denen ich Gespräche führen kann, die mir etwas geben, mit denen ich auch streiten kann, aber auf eine konstruktive Art, die mich auch weiterbringt. Das ist für mich Lebensqualität; mit Menschen Zeit zu verbringen, die ich als Bereicherung meines Lebens empfinde.

Mit den anderen muss ich keine Zeit verbringen. Ich muss nicht um jeden Preis von Menschen umgeben sein. Sondern genieße es schon sehr, auch mal mit mir allein zu sein. Zu Hause. Ganz ohne Menschen.

Auch um die nötige Kraft zu tanken, tolerant zu sein.

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