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Sexistische Scheiße

Intersektionaler Feminismus einfach erklärt: Definition und warum er wichtig ist

Intersektionaler Feminismus
Diese beiden Frauen haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Wenn man das kapiert, ist schon mal viel gewonnen. Bild: chaptgpt / ai
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Intersektionaler Feminismus: Wie eine Leserin mir vorwarf, ich sei eine alte weiße Frau

25.11.2024, 07:10
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Ich habe eine sehr wütende E-Mail erhalten von einer Leserin als Reaktion auf meine Sexismus-Kolumne. Es war die erste Kolumne, die erschienen ist, und es ging darin um Vanessa Mai und mein Unverständnis über sie: weil sie sich nicht als Feministin versteht.

  • Hier geht es zur Kolumne über Vanessa Mai.

Es war nicht die einzige kritische Nachricht, die ich zu meiner Kolumne bekommen habe. Aber diese fand ich verblüffend. Denn was die Leserin so wütend machte, war nicht, was ich geschrieben hatte. Sondern etwas, was ich nicht geschrieben hatte. Und damit hatte sie absolut recht.

In meinen Texten ging es um Männer und Frauen, wenn ich von Feminismus und von Sexismus geschrieben habe. Und genau das fand sie falsch.

Was soll falsch daran sein, wird manch eine:r sich jetzt fragen. Deshalb muss man dazu vielleicht sagen: Die Frau, die mir geschrieben hatte, war nicht irgendeine Leserin, sondern die Autorin Sibel Schick, die kurz zuvor ihr Buch "Weißen Feminismus canceln" veröffentlicht hatte.

Es war also genau ihr Thema. Und was sie in ihrem Buch und auch generell sagt, ist: Es muss immer auch um andere Formen der Diskriminierung gehen, wenn es um Feminismus geht. Um Rassismus, Antisemitismus, soziale Benachteiligung, Behinderungen zum Beispiel.

Ich hatte in meinem Artikel all das nicht berücksichtigt. War das also dieser weiße Feminismus, über den sie geschrieben hatte? Und: Warf Sibel Schick mir deshalb vor, ich sei eine alte weiße Frau? Das hatte gesessen.

Doch nach meiner anfänglichen Empörung kam ich ins Nachdenken. Was sie meinte und sie so aufbrachte, war: Weißer Feminismus fokussiert sich hauptsächlich auf die Probleme von weißen Frauen. Wofür sie sich hingegen einsetzt, ist intersektionaler Feminismus. Und diese Kolumne soll eine Erklärung sein, was genau das ist – und warum auch ich finde, dass er sehr, sehr wichtig ist.

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Intersektionalität: Definition

Die Grundannahme ist: Es gibt viele verschiedene Ungleichheiten in unserer Gesellschaft. Sexismus ist nur eine Ungleichheit von vielen. Was viele machen (und was auch ich in meiner Kolumne gemacht habe), ist: Sexismus völlig losgelöst von zum Beispiel Rassismus zu betrachten. Was intersektionaler Feminismus aber will, ist: Zeigen, wie die verschiedenen Ungerechtigkeiten miteinander verbunden sind. Dass sie sich überlappen und verstärken können. Und natürlich geht es dem intersektionalen Feminismus auch darum, all diese Formen der Unterdrückung abzuschaffen.

Als erste hat sie die Thematik aufgeworfen: Sejourner Truth, eine ehemals versklavte Frauenrechtlerin und Freiheitskämpferin aus den USA des 19. Jahrhunderts. In ihrer ziemlich bekannten Rede "Ain’t I a Woman?" (auf Deutsch: "Bin ich etwa keine Frau?") sprach sie von Rassismus, den sie von weißen Männern und weißen Frauen erfuhr. Aber sie sprach auch von Sexismus. Denn auch darunter hatte sie zu leiden, durch weiße und auch durch schwarze Männer.

Was sie deutlich gemacht hat, ist: Eine weiße Frau und eine schwarze Frau sind nicht gleichgestellt. Das meint aber auch: Auch eine Frau kann sich antifeministisch verhalten, zum Beispiel, wenn sie rassistisch agiert. Ich denke da an die AfD-Chefin Alice Weidel, die bestimmt keine Feministin ist. Über sie habe ich in dieser Kolumne geschrieben:

Eine Freundin von mir, ebenfalls Journalistin und Autorin, hat mal ein Buchprojekt über Feminismus abgesagt. Aus dem Grund, dass alle angefragten Autorinnen weiß waren, genau wie sie. Und weil das mit ihrer Vorstellung von Feminismus und Gerechtigkeit nicht vereinbar war. Damals fiel es mir schwer, das nachzuvollziehen. War es nicht besser, eine weiße Frau schreibt über Feminismus als keine? Heute würde ich sagen, bezogen auf dieses Buchprojekt, hat sie alles richtig gemacht.

Denn es ist doch so: Ein intersektionaler Feminismus konzentriert sich auf die Stimmen derjenigen, die mehrere Ungleichheiten erleben. Die brasilianische Frauenrechtlerin Valdecir Nascimento betont: "Wir wollen nicht, dass andere Menschen für schwarze Feministinnen reden, weder weiße Feministinnen noch schwarze Männer. Es ist unerlässlich, dass junge schwarze Frauen diesen Kampf übernehmen."

Ich bin 36, aus Ostwestfalen, weiblich, gesund. Erschrocken realisiere ich: Vielleicht bin ich tatsächlich genau das, was Sibel Schick mir vorgeworfen hat: mehr alte weiße Frau, als ich selbst wahrhaben will?

Ich muss zugeben, ich habe wirklich keine Ahnung, wie es ist, eine schwarze Frau zu sein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, wie es ist, mit einer Behinderung zu leben oder aufgrund meiner Religion Ausgrenzung zu erfahren. Und damit bin ich ziemlich privilegiert. Ich kann nichts dagegen tun. Aber was ich versuchen kann, ist: Mir genau das bewusst zu machen.

Denn natürlich ist es so, dass Frauen nie alle gleich sind. Ich habe lange gedacht, es sei gut, wenn alle Frauen – egal welche Hautfarbe, welche Herkunft, welche Religion – sich einfach als Frauen betrachten. Wenn wir uns zusammentun. Ich dachte, es schadet eher, wenn wir Unterschiede betonen. Wenn man also von einer weißen und einer schwarzen Frau spricht, statt einfach von zwei Frauen. Aber es ist für mich natürlich auch sehr leicht, das so zu sehen.

Im intersektionalen Feminismus sieht man es anders. Dort blickt man ganz bewusst auf die Diskriminierung, die ich übersehe – nicht mal absichtlich, aber es ist so –, weil sie mich nicht betrifft. Es war noch nie so, dass unterschiedliche Frauen die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Schwarze Frauen haben ganz andere Dinge erlebt als ich. Frauen mit einer Behinderung haben andere Erfahrungen gemacht als lesbische Frauen. Genau deshalb ist es unmöglich, über Ungerechtigkeiten zu sprechen, die Frauen generell betreffen.

Der intersektionale Feminismus geht davon aus, dass wir Ungerechtigkeiten nur bekämpfen können, wenn wir erkennen, wie unterschiedlich die Frauen und ihre erlebten Ungerechtigkeiten sind. Und genau das ist die Aufgabe von Feminismus: Gleichberechtigung für alle schaffen, indem unterschiedliche Lebensrealitäten gehört und verstanden werden.

Nachtrag: Mit der wütenden Leserin, der Autorin Sibel Schick, habe ich nach einem E-Mail-Wechsel ein Interview geführt. Selten habe ich von Gesprächspartner:innen so viel gelernt wie hier.

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