Manch böse Zunge behauptet, Aufregen sei deutscher Nationalsport – noch vor Fußball. Und wenn man sich an den letzten Small Talk erinnert, dann fallen dem ein oder der anderen wohl tatsächlich einige Themen ein, über die sich die Deutschen gerne beschweren.
Die Deutsche Bahn, verstopfte Straßen zu den Stoßzeiten, die überbordende Bürokratie hierzulande, langsames WLAN, wenn es zu kalt ist, wenn es zu heiß ist, das Wetter generell, die Politik sowieso und gerne auch mal die hohen Lebensmittelpreise.
Für ein paar Themen wird man sogar Verständnis aufbringen können. Aber hin und wieder gibt es Aufreger-Themen, die eigentlich keine sind. Zum Beispiel, dass der Obst- und Gemüsebeutel bei Lidl neuerdings ein Cent kostet. Das dürfte ein Betrag sein, der für die allermeisten Menschen nicht der Rede wert ist. Zumal man zu dem Kauf nicht verpflichtet ist.
Es gibt aber offenbar einige Lidl-Kund:innen, denen dieser eine Cent tatsächlich zu viel ist. Sie greifen deshalb auf eine andere Einweg-Tüte zurück, nämlich die aus der Backabteilung. So stellt es zumindest der Tiktok-User gymtitan6 dar, der angibt, bei dem Discounter angestellt zu sein.
Und mit diesem Verhalten scheint der Lidl-Mitarbeiter so gar nicht einverstanden zu sein. "Eine Obsttüte kostet jetzt einen Cent. Was ist ein Cent? Nichts. Aber stattdessen nimmt man jetzt von Bake Off die Tüten, weil man zu räudig ist, einen Cent auszugeben", regt er sich in einem Tiktok-Video auf, das er vor einer Lidl-Filiale aufgenommen hat.
Um seinen Punkt zu untermauern, rechnet er vor, wie viel Geld es kosten würde, wenn man für ein Jahr jeden Tag ein Obsttütchen kaufen würde. Summa summarum wären das 3,65 Euro. "Leute, ihr spart an den falschen Stellen", lautet sein abschließendes Fazit.
Das Video dauert nur 31 Sekunden, aber darunter haben sich schon hunderte Kommentare gesammelt. Viele widersprechen dem Lidl-Mitarbeiter: "Es geht ums Prinzip, nicht um den Cent", schreibt eine Userin. Ein anderer meint: "Die Tüte schmeiße ich danach weg, also zahle ich garantiert dafür nicht".
Und eine dritte fürchtet sich schon jetzt vor drohenden Plastiktüten-Preisschock: "Ja jetzt kostet es 1 Cent aber wenn wir dafür zahlen dann wird dieser 1 Cent 5 Cent und dann irgendwann 10 Cent". Entsprechende Pläne seitens Lidl sind nicht bekannt, aber ein Lieblingsaufreger-Thema der Deutschen sind nun mal "Was wäre wenn"-Szenarien und bei 365 10-Cent-Tüten würde man immerhin 36,5 Euro zahlen.
Dass der symbolische Cent eigentlich eingeführt wurde, damit die Kund:innen etwas mehr über das Thema Nachhaltigkeit ins Grübeln kommen und vielleicht öfter mal auf die Einwegplastiktüte verzichten, fällt bei der Aufregung komplett unter den Tisch.
Eine Umwelt-Expertin vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) hält kostenpflichtige Obsttütchen aber ohnehin für das falsche Signal. "Der eigentliche Anreiz sollte sein, dass Kundinnen und Kunden lose Ware kaufen. Eine kleine Einwegtüte aus Plastik oder Papier ist viel besser als eine Vorverpackung, was den Materialaufwand angeht", sagt Katharina Istel gegenüber "Buzzfeed News Germany".
Dass die Brottüten weiterhin kostenlos sind, hält die Expertin für sinnbefreit. Eine Papiertüte sei anderthalbmal klimaschädlicher als ein Plastik-Einwegbeutel. Aus Istels Sicht wäre es deshalb sinnvoller, die Kund:innen anders zu motivieren: "Eine gute Idee wäre, den Kundinnen und Kunden, die einen Mehrwegbeutel nutzen, einen Rabatt zu geben". Wenn das nicht mal das nächste Aufreger-Thema wird.