Dass nur Menschen kognitiv imstande sind, einander beim Namen zu rufen, war lange Konsens. Einer, der das Ego unserer Spezies sehr wahrscheinlich beflügelt haben dürfte. Delfine und Papageien können sich zwar ebenfalls untereinander ansprechen, allerdings nur, indem sie die Laute imitieren, die sie von den Angesprochenen kennen. Ans hochgradig individualisierte Namenssystem der Menschen reicht das nicht ran.
Und dann kamen die Elefanten. Im November 2023 stellte ein Forschungsteam fest, dass Elefanten möglicherweise ihr Gegenüber mit individuellen Lauten rufen, die der Bedeutung nach menschlichen Namen entsprechen. Es sind noch weitere Untersuchungen nötig, spannend ist das aber allemal.
Eine neue Studie könnte nun den Kreis der Tiere mit Namensgedächtnis erweitern – um unsere nächsten Verwandten.
Bei Primaten konnte lange Zeit der Einsatz individueller Namen nicht nachgewiesen werden. Ein Forschungsteam der Hebräischen Universität Jerusalem ändert das nun. Die Forschenden zeichneten die stimmlichen Interaktionen von Weißbüschelaffen auf und führten eine computergestützt Analyse durch. Es zeigte sich: Die etwa 300 Gramm schweren Primaten nutzen charakteristische Rufe, um einander anzusprechen.
Die Erkenntnis rührt daher, dass einzelne Affen von ihren Familienmitgliedern stets mit derselben Tonabfolge angesprochen werden. Ferner konnten die Tiere in Gesprächen mit Artgenossen unterscheiden, ob sie direkt angesprochen werden oder nicht, und entsprechend reagieren. Bei der Interaktion mit familienfremden Artgenossen lernten sie auch deren Namen.
Das hilft ihnen auch in freier Wildbahn. Die Affen sind in den dichten Baumkronen des Regenwaldes unterwegs. Zwischen viel Gestrüpp ist ihre Sicht eingeschränkt. Mit den Namensrufen können die kleinen Primaten im Kontakt bleiben und ihre sozialen Bindungen aufrechterhalten, was wiederum den Gruppenzusammenhalt sichert.
Uns Menschen kann das Wissen um die Sprache der Primaten helfen, unsere eigene besser zu verstehen. "Weißbüschelaffen leben in kleinen, monogamen Familiengruppen und kümmern sich gemeinsam um ihre Jungen, ähnlich wie Menschen", heißt es von David Omer, Seniorautor der Studie.
Es bestehe die Vermutung, dass die Tiere in der Evolution vor ähnlichen Herausforderungen standen wie unsere frühen vorsprachlichen Vorfahren. Das wiederum könne sie dazu veranlasst haben, ähnliche Kommunikationsmethoden zu entwickeln. Die Ergebnisse der Studie wurden im renommierten "Science" veröffentlicht.