Erbsen-, Weizen- und Sojaprotein so weit das Auge reicht: In Berlin Friedrichshain hat im April ein neuer Rewe seine Türen geöffnet – doch das ist keine gewöhnliche Eröffnung. Der Konzept-Store verspricht ein revolutionäres Einkaufserlebnis: Alles, was dort angeboten wird, ist rein pflanzlich.
Für Menschen, die sich vegan ernähren, klingt das wie ein wahres Paradies. Kein mühsames Suchen, kein nerviges Checken von Inhaltsstoffen und vor allem kein Verzicht auf den Großteil der angebotenen Produkte. Ich habe mich für watson aufgemacht, um zu erfahren, wie sich die Utopie einer rein pflanzlichen Einkaufswelt anfühlt.
Ich laufe aus der S-Bahn-Station Warschauer-Straße heraus, will noch einmal Google Maps checken, während ich im selben Moment jedoch schon die riesige Aufschrift "Rewe – voll pflanzlich" auf der gegenüberliegenden Häuserfassade thronen sehe. Übersehen kann man den ersten veganen Rewe Deutschlands schon mal nicht. Und nach der riesigen Publicity der vergangenen Wochen erwarte ich einiges von meinem Besuch im neuen nachhaltigen Aushängeschild Rewes.
Ich ernähre mich zwar aktuell nur vegetarisch, wäre aber gerne vegan. Immer wieder ziehen mich jedoch käsige oder schokoladige Snack-Verlockungen auf dem Weg zu meinem rein pflanzlichen Alltag in ihren Bann. Zu schwer wiegt für mich oft der Verzicht. Mit meinem ersten Schritt durch die Pforten des voll pflanzlichen Rewe löst sich dieses Gefühl in Luft auf.
Ich betrete einen fast leeren Shop. Es sind mehr Mitarbeiter:innen anwesend als Kund:innen, was jedoch auch daran liegen kann, dass es 9 Uhr morgens an einem Dienstag ist. Die Größe des Ladens ist kaum mit einem herkömmlichen Supermarkt vergleichbar und erinnert mich eher an einen großzügigen Späti. Bis zu 2700 vegane Produkte soll es hier laut dem Unternehmen geben. Zum Vergleich: In den klassischen Filialen werden bis zu 1400 vegane Produkte verkauft.
Der Empfang im veganen Konzept-Store beginnt mit einer gewöhnlichen Obst- und Gemüsetheke. Bis hierhin also erstmal kein großer Unterschied zu den anderen Rewe-Filialen. Zwar sind viele Produkte verpackt, aber zumindest fehlen die unnötigen Plastiktüten, was definitiv ein Schritt in die richtige Richtung ist.
Ein paar Schritte weiter erwartet mich bereits die Salatbar. Abgesehen von saisonalen Beeren und einer größeren Auswahl an Sojabohnen, die mir sofort ins Auge springen, gibt es keine weiteren Überraschungen. Denn ehrlich gesagt: Rewe bietet auch in seinen herkömmlichen Filialen bereits eine breite Auswahl an pflanzlichen Produkten an der Salatbar an, wie Falafel-Bällchen oder vegane Teriyaki-Streifen.
Links neben der Salatbar erwartet mich eine beeindruckende Vielfalt an Superfood-Bowls, Salaten und Müslis. Sicher, solche Produkte sind auch in herkömmlichen Märkten zu finden, aber nicht in diesem Ausmaß. Die Entscheidung zwischen einer Orzo-Style-Bowl mit Reisnudeln, Käsewürfeln und Walnüssen oder einem Tofu-Glasnudelsalat fällt wirklich schwer.
Ein Blick ins erste Regal lässt mein Herz noch höher schlagen: Paprika-Olive, Smokey-Barbecue, Mango-Mustard, Pinienkerne – eine endlose Palette an veganen Aufstrichen erstreckt sich vor mir. Besonders überzeugen mich bisher unbekannte Sorten wie Jalapeño-Mayonnaise.
Auch im Käseregal entdecke ich einige Produkte, die ich noch nirgendwo anders gesehen habe – und schon gar nicht in dieser Vielfalt. Verschiedene vegane Blockkäse, Camembert, Cheddar und sogar Grillkäse mischen sich zwischen die klassischen Scheibenkäse- und Frischkäse-Sorten.
In der Abteilung für veganen Fleischersatz türmen sich wie erwartet Produkte aus Seitan, Tempeh, Tofu sowie Soja- und Weizenprotein. Es gibt keinen Fleischersatzstoff, den ich nicht entdecken kann. Doch die eigentlichen Höhepunkte erwarten mich am Ende meines Einkaufs: die Snackbar und eine Softeis-Maschine.
Und damit überrascht mich Rewe wirklich. Denn egal, wo ich bisher danach gesucht hatte (okay, überteuerte Hipster-Cafés ausgenommen), so etwas Leckeres habe ich bisher noch nicht gefunden: ein veganes Schokocroissant. Und mit ihm der fluffige Beweis, dass rein pflanzlich nicht unbedingt immer gesund bedeuten muss. Auch das vegane Softeis aus der Eis-Maschine für zwei Euro hat mich überzeugt.
Am Ende meines Rundgangs erwartet mich noch eine kleine Auswahl an veganen Weinen und Spirituosen sowie Drogerieartikeln. Ähnlich wie in einem klassischen Supermarkt, vielleicht etwas abgespeckter. Beim genaueren Inspizieren des alkoholischen Angebots entdecke ich jedoch einen veganen Eierlikör, dessen Existenz mir neu war.
Während des Einkaufs fällt mir noch etwas positiv auf: Ich muss nicht suchen. Normalerweise durchforste ich ständig genervt den Laden, um die oft winzige pflanzliche Abteilung zu finden oder fleischfreie Produkte verstreut in den Regalen von ihren fleischhaltigen Pendants zu unterscheiden. Hier muss ich das nicht und kann einfach zugreifen.
Am Ende hätte ich ohne längere Rechercheblicke für meinen Einkauf vermutlich weniger als fünf Minuten gebraucht. Dank "Scan&Go" (die Produkte schon während des Einkaufs scannen) und Selbstbedienungskasse geht der Einkauf angenehm schnell.
Obwohl man im Konzept-Store keine Vielzahl spannender Nischenprodukte erwarten sollte, die es nicht auch in den klassischen Filialen gibt, macht der vollständig pflanzliche Rewe das Einkaufen für Menschen, die vegan leben oder es in Betracht ziehen, einfacher.
Mein Fazit: Einkaufen im veganen Rewe fühlt sich weniger nach Verzicht an und mehr wie eine bewusste Entscheidung für eine nachhaltigere Lebensweise. Weitere vegane Filialen seien laut Rewe allerdings nicht geplant – der Konzept-Store soll primär für Lerneffekte in Bezug auf die vegane Produktpalette in den klassischen Rewe-Stores sorgen.