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Corona: Durchbruchinfektion ist der effektivste Booster

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Immer mehr Durchbruchinfektionen: Wie gut schützen die bisher in Deutschland verimpften Vakzine langfristig vor einer Corona-Infektion?Bild: www.imago-images.de / Cavan Images
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Eine Durchbruchinfektion ist der effektivste Booster: Warum ein Immunologe keinen Grund zur Panik sieht

15.10.2021, 11:2015.10.2021, 14:51
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Nach den neuesten, korrigierten Impfquoten des Robert-Koch-Instituts (RKI) von vergangener Woche sind 80 Prozent der Erwachsenen in Deutschland vollständig geimpft. Abgesehen von der Frage, wieso das RKI offenbar ein Problem hat, korrekte Statistiken über die Anzahl geimpfter Menschen in Deutschland zu führen, klingt das grundsätzlich nach einer guten Nachricht.

Eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag förderte in dieser Woche Erstaunliches zutage: Von allen intensivmedizinisch betreuten Corona-Patienten sind etwa zehn Prozent bereits vollständig geimpft. Sollen die Impfungen nicht allesamt recht gut gegen schwere Verläufe schützen? Der Präsident der Vereinigung der Intensiv- und Notfallmediziner (DIVI), Gernot Marx, sagte den Funke-Zeitungen, der Impfdurchbruch treffe momentan nur einen geringen Prozentsatz und dann meist Menschen, deren "Immunsystem etwa durch eine Chemotherapie oder eine dauerhafte Kortisonbehandlung geschwächt ist, oder die älter als 80 Jahre sind".

Das klingt zunächst beruhigend, dennoch lassen die steigenden Zahlen an Impfdurchbrüchen erahnen, was im weiteren Verlauf des Herbstes und Winters auf uns zukommen könnte. Denn, abgesehen von Risikopatienten, wie steht es um die langfristige Wirksamkeit von den in Deutschland verwendeten Impfstoffen? Gibt es Unterschiede zwischen Vektor- und mRNA-Impfstoffen? Wie wirken diese Impfstoffe auf unser Immunsystem und wie steht es um die Diskussion, wer einen Booster, also eine Auffrischungsimpfung braucht und wer nicht? Watson beantwortet die wichtigsten Fragen.

Welcher der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe bietet die optimale und langfristigste Schutzwirkung?

Hier gelten immer noch die Ergebnisse aus den Zulassungstudien. Die Immunisierung gegen symptomatische Infektionen kurz nach der vollständigen Impfung liegt demnach bei den mRNA-Impfstoffen von Biontech und Moderna bei circa 95 Prozent und bei AstraZeneca bei 60 bis 80 Prozent, je nach zeitlichem Abstand zwischen beiden Impfungen. Einzig der Impfstoff von Johnson & Johnson erreicht lediglich einen Wirkungsgrad von 66 Prozent.

Wichtig ist: Die reale Schutzwirkung ist immer individuell und hängt von der Effektivität des eigenen Immunsystems ab. Faktoren, die hier eine Rolle spielen, sind Alter, Vorerkrankungen und der persönliche Lebensstil. Im Schutz gegen eine schwere Erkrankung und Todesfälle sind jedoch alle Impfstoffe sehr gut. Selbst der Impfstoff von Johnson & Johnson erreicht hier noch eine 70-prozentige Schutzwirkung. "Die Real World Data-Erkenntnisse zeigen aber, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson die meisten Durchbruchinfektionen vorweist. Daher auch die aktuelle Änderung der Stiko-Empfehlung für eine Booster-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff", sagt Professor Carsten Watzl von der Deutschen Gesellschaft für Immunologie im Gespräch mit watson. Die Statistiken hierzu sind eindeutig: Seit Beginn der Impfkampagne gab es in Deutschland bei den 18- bis 60-jährigen Geimpften sechs Todesfälle, bei den Ungeimpften in der gleichen Altersgruppe 1200 Tote.

Gibt es bezüglich der Aktivierung des Immunsystems durch die Impfung Unterschiede zwischen Vektor- und mRNA-Impfstoffen?

Grundsätzlich führen Vektorimpfstoffe zu besseren T-Zellantworten, mRNA-Impfstoffe geben bessere Antikörper-Antworten. Die T-Zellen sind die Gedächtnis- und auch Helferzellen des Immunsystems und kurbeln die Bildung von sogenannten B-Zellen an, die dann Antikörper gegen Viren produzieren. Virus-spezifische Immunantworten von T-Zellen lassen sich nach einer in der Fachzeitschrift "Science Immunology" veröffentlichten Studie noch monate- oder jahrelang im Blut nachweisen. "Deshalb funktioniert auch die Kreuzimpfung so gut. Wenn man mit einem Vektor-Impfstoff erst die T-Zellantwort des Immunsystems stimuliert, bekommt man mehr T-Helferzellen. Kommt dann eine mRNA-Impfung hinterher, helfen die Helferzellen den B-Zellen, Antikörper zu bilden. So bekommt man den besten kurz- und langfristigen Schutz", erklärt Professor Watzl.

"Wir impfen nicht, um symptomatische Infektionen zu vermeiden, sondern um schwere Verläufe zu verhindern."
Immunologe Carsten Watzl

Hängt die langfristige Wirkung eines Impfstoffs von seiner Fähigkeit ab, die T-Zellen, also das Immungedächtnis zu aktivieren?

Ja. Die hohe Antikörperkonzentration, die direkt nach einer zweimaligen mRNA-Impfung hauptsächlich vor einer symptomatischen Erkrankung schützt, fällt nach sechs Monaten steil ab. mRNA-Impfstoffe sind also nur kurzfristig effektiver, da sie sich, vereinfacht gesagt, auf die Stimulation von B-Zellen konzentrieren. "Plasmablasten, die sich aus B-Zellen entwickeln, produzieren effektiv und schnell viele Antikörper. Sie sind aber für den Körper sehr energieintensiv und stellen daher auch relativ schnell den Betrieb wieder ein", sagt Professor Watzl.

Der vektorbasierte AstraZeneca-Impfstoff weißt mit seiner Wirkweise langfristig einen weniger starken Antikörperabfall auf. Nach einer gewissen Zeit sind allerdings alle Impfstoffe, außer der von Johnson & Johnson, in dieser Hinsicht vergleichbar. "Wir impfen nicht, um symptomatische Infektionen zu vermeiden, sondern um schwere Verläufe zu verhindern", so Professor Watzl über das Ziel der Impfkampagne gegen SARS-CoV-2.

Brauche ich für die Entscheidung, ob ich eine Booster-Impfung benötige, die Auswertung der T-Zell-Werte oder reicht ein Antikörpertest?

Eugen Brysch, Vorstand der Stiftung Deutscher Patientenschutz sagte kürzlich zu watson, mit einer Blutuntersuchung ließe sich anhand der T-Zell-Werte ablesen, wie gut ein Mensch gegen SARS-CoV-2 geschützt sei. Dazu meint Professor Watzl: "Antikörper gehen nach überstandener Infektion oder nach einer Impfung schneller verloren. Eine Infektion ist dann möglich. Grundsätzlich entscheidend für eine körpereigene Abwehrreaktion ist die Anzahl der Antikörper und langfristig auch der T-Zellen. Individuelle T-Zell-Werte sind allerdings schwer abzulesen, da Labore, im Gegensatz zum Verfahren bei Antikörpertests, keine standardisierten Nachweisverfahren durchführen.

"Man wird bei einer Probe, eingeschickt in zehn verschiedene Labore, zehn verschiedene Ergebnisse bekommen. Allerdings reicht wahrscheinlich auch ein derzeit noch unkomplizierterer Antikörpertest, um zu sehen, ob ein Mensch noch ausreichend vor einer Infektion beziehungsweise einem schweren Verlauf geschützt ist. Denn die Korrelation zwischen Schutzwirkung und der Anzahl der Antikörper ist schon relativ hoch."

Wie lange hält dieses Ergebnis vor?

Genaue Antworten hierzu gibt es schlicht noch nicht. Die wissenschaftlich relevante Frage ist aktuell immer noch: Wie hoch muss der Antikörperspiegel im Blut sein, um vor einer symptomatischen Erkrankung zu schützen? Und welcher T-Zell-Titer (Maß für die Menge eines Antikörpers) schützt langfristig vor einer Erkrankung? Laut einer Recherche des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) ist es ein gutes Zeichen, dass noch Monate nach der Erstinfektion neutralisierende Antikörper nachweisbar sind, wenn es um die Frage nach dem Langzeitschutz geht. Allerdings ist noch unklar, inwiefern diese Komponente der Immunantwort mit einem Schutz vor Reinfektion und schwerer Covid-19-Erkrankung zusammen hängt. Es gibt nicht den einen Wert, der den ausreichenden langfristigen Immunschutz nach Impfung oder Genesung anzeigt und garantiert.

"Man entscheidet sich prinzipiell nicht gegen eine Impfung, sondern für eine Infektion!"
Immunologe Carsten Watzl

Was ist der effektivere Booster: Eine Auffrischungsimpfung oder eine Durchbruchinfektion?

"Aus immunologischer Sicht wäre eine Impfung und im Nachgang eine Infektion ideal", meint dazu Professor Watzl. So wie das bei Durchbruchinfektionen nun der Fall ist. "Allerdings ist das auch eine risikoreiche Variante. Denn wenn man unter dem Sicherheitsaspekt den Fall eines 80-jährigen Geimpften betrachtet, dann hat dieser bei einer Durchbruchsinfektion immer noch eine vergleichsweise hohe Restwahrscheinlichkeit für einen schweren Verlauf. Bei Jüngeren ohne Vorerkrankung ist das Risiko überschaubar, da sieht das dann schon wieder anders aus."

"Auch wenn die Pandemie nun in absehbarer Zeit endemisch, also örtlich begrenzt, sein wird, wird sich trotzdem im Laufe seines Lebens vermutlich fast jeder noch mit dem Corona-Virus infizieren."

Und was bedeutet das alles für die Zukunft?

Professor Watzl: "Auch wenn die Pandemie nun in absehbarer Zeit endemisch, also örtlich begrenzt, sein wird, wird sich trotzdem im Laufe seines Lebens vermutlich fast jeder noch mit dem Corona-Virus infizieren. Nur wird das eben möglicherweise nicht als symptomatische Infektion sichtbar sein. Grundsätzlich heißt das aber auch für Impfverweigerer: Man entscheidet sich prinzipiell nicht gegen eine Impfung, sondern für eine Infektion. Eine Impfung schadet dem Immunsystem generell nicht, egal ob man Genesener ist, oder als bereits voll Geimpfter eine Booster-Impfung machen lässt. Daher ja auch die aktuelle Stiko-Empfehlung für Johnson & Johnson-Geimpfte für einen mRNA-Booster."

(mit Material der dpa)

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