Die geplante Krankenhausreform könnte auch die Schließung für einige Kliniken bedeuten.Bild: dpa / Julian Stratenschulte
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Ein Mammut-Projekt startet: Nach monatelangem Ringen haben sich Bund und Länder auf Eckpunkte einer Krankenhausreform geeinigt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach dabei von einer "Revolution". Über den Sommer wird ein konkreter Gesetzentwurf ausgearbeitet, der zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll.
Zuletzt hatten zahlreiche Experten ein Krankenhaussterben in Deutschland befürchtet, weil die Finanzierung der Kliniken besonders an ländlichen Standorten zunehmend schwierig wurde. Dieser Entwicklung soll durch die Reform entgegengewirkt werden.
Was die Krankenhausreform beeinhaltet
Die größte Änderung wird hierbei die Umstellung von einem Fallpauschalen- auf ein Vorhaltepauschalen-System in der Abrechnung sein. Für Laien: Bislang erhielten Kliniken pro Behandlung einen festgelegten Betrag. Wer weniger Patient:innen oder auch Behandlungen abrechnen konnte, geriet so schnell unter wirtschaftlichen Druck.
"Die Kliniken erhalten so Geld dafür, dass sie bestimmte Leistungen anbieten – selbst dann, wenn sie sie nicht immer erbringen. Das nimmt den ökonomischen Druck von den Klinken."
Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Künftig sollten 60 Prozent der Kosten von Kliniken über Vorhaltepauschalen gedeckt werden, sagte Lauterbach. Damit erhält eine Klinik nicht nur dann Geld, wenn sie eine Behandlung ausübt, sondern bereits, wenn sie sie anbietet. "Das nimmt den ökonomischen Druck weg", erklärte Lauterbach die Pläne.
Die Reform sei damit auch eine "Existenzgarantie für kleine Kliniken auf dem Land", sagte der Minister weiter. Sie helfe etwa vielen Häusern in Ostdeutschland, die nicht mehr auf genügend Behandlungsfälle kämen.
Wer die Vorhaltepauschale bekommt, müsse aber auch entsprechende Qualitätskriterien erfüllen. Vor allem die kleineren Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen.
Was bedeutet das alles für die Patient:innen? Wir fassen kurz zusammen, welche Vor- und Nachteile sich durch die Reform für die Bürger:innen ergeben.
Krankenhaus-Leistungen werden durch Reform transparenter
Damit die Krankenkassen die Finanzierung übernehmen, sollen Kliniken ihre Leistungsgruppen genauer definieren, also etwa "Kardiologie" statt grobe Bezeichnungen wie "innere Medizin". Die Leistungsgruppen sollen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen absichern, Details befinden sich im Eckpunktepapier. Wer den Qualitätsvorgaben nicht entspricht, bekommt auch keine Vorhaltepauschale.
Das soll als Anreiz dienen, dass gerade kleine Kliniken nicht blindlings alles anbieten ("Hamsterrad-Effekt", wie Lauterbach es nennt), sondern sich im Zweifelsfall auf spezielle Bereiche, dafür in guter Qualität, konzentrieren. Der Plan ist, die Kliniken in "Levels" aufzuteilen, die anzeigen, welche Art der Versorgung angeboten werden kann. Dabei geht es erst um die Grundversorgung, die Schwerpunktversorgung zum Beispiel in Fachkliniken und die Spitzenversorgung zum Beispiel in Unikliniken.
Für die Patient:innen könnte das ein Vorteil sein, weil klarer ersichtlich wird, welche Art von Krankenhaus sie vor sich haben und welche Leistung dort tatsächlich angeboten wird. Ein Nachteil ist dabei, dass im Gegenzug in einigen Kliniken bestimmte Behandlungen vielleicht ganz eingestellt werden.
"Der Bund legt nach der Sommerpause ein eigenes Gesetz zur Transparenz vor. Patienten haben ein Recht darauf, zu wissen, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher Qualität anbietet. Die Transparenz-Offensive soll am 1. Januar 2024 starten", verkündete das Ministerium dazu auch online.
"Als Sozialverband VdK begrüßen wir, dass mit der geplanten Reform für Patientinnen und Patienten mehr Transparenz über die Behandlungsqualität in einer Klinik geschaffen werden soll", erklärte Vdk-Präsidentin Verena Bentele dazu.
Manchen Kliniken drohen durch Reform Schließungen
Allerdings: Für einige Krankenhäuser wird die Reform schlicht zu spät kommen. "Wir rechnen damit, dass jedes vierte oder fünfte Krankenhaus die nächsten fünf bis sieben Jahre nicht überleben wird", sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, am Dienstag im ZDF.
"Die Bürger können sich darauf verlassen, dass nicht Leistungen erbracht werden, die vielleicht nicht erbracht worden wären, wenn es nicht wirtschaftlichen Druck in der Klinik gegeben hätte."
Gesundheitsminister Karl Lauterbach
Die Länder können die entsprechenden Landesgesetze 2024 oder 2025 neu regeln und im Jahr "x plus 1" gebe es dann die Vorhaltepauschale, sagte Lauterbach. Der Minister ging aber ebenfalls davon aus, dass bis dahin "noch sehr viele Kliniken in die Insolvenz gehen" und einige schließen werden.
Der Bund wird dies angesichts der Haushaltslage nach den Worten von Lauterbach wohl nicht abfedern können. Es werde zwar nochmal geprüft, aber er könne da "keine Hoffnungen machen", sagte Lauterbach.
Keine unnötigen OPs durch weniger Kostendruck
Das Ende der Fallpauschale bedeutet auch: Unnötige Behandlungen lohnen sich finanziell nicht mehr für die Kliniken. "So bleiben Patientinnen und Patienten unnötige Eingriffe erspart", glaubt Bentele.
Unnötige Operationen sollen durch die Reform ebenfalls ausgebremst werden.Bild: dpa / Oliver Berg
Das verspricht sich auch der Gesundheitsminister. "Die Bürger können sich darauf verlassen, dass nicht Leistungen erbracht werden, die vielleicht nicht erbracht worden wären, wenn es nicht wirtschaftlichen Druck in der Klinik gegeben hätte", erklärte Lauterbach zu den Neuerungen. "Wir haben dann auch keine Zielvereinbarungen mehr zwischen Ärzten und der Klinikleitung, wie viele Eingriffe gemacht werden müssen. Dieses ganze Misstrauen ist dann weg."
Kosten-Frage bei Klinikreform noch unklar
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) bemängelte allerdings, dass die Finanzwirkung der Eckpunkte unklar bleibe. "Der Bund hat keine konkreten finanziellen Zusagen gemacht und die Länder verpflichten sich weiterhin nicht, die Investitionskosten zu finanzieren. Dies darf nicht zu Lasten der Beitragszahlenden gehen", sagte Stefanie Stoff-Ahnis aus dem Verbandsvorstand.
Auch beim VdK ist man etwas besorgt, dass die aufkommenden Mehrkosten einfach auf Krankenversicherte umgelegt werden könnten. Bund und Länder müssen jetzt "dringend verhindern, dass Kliniken durch diese Vorhaltepauschalen deutliche Gewinne erzielen können", warnt die Präsidentin Bentele zur Kostenfrage, auch angesichts der bereits gestiegenen Beiträge bei Krankenkassen: "Weitere Kostensteigerungen sind den Beitragszahlern nicht zuzumuten."
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Klinikreform löst nicht alle Probleme
Nicht nur das Kliniksterben, auch der Fachkräftemangel und Krankenhauskeime setzen dem Gesundheitssystem zu. Diese Probleme werden auch durch die Reform nicht so einfach behoben sein. Das Bündnis Klinikrettung verlangte daher sogar einen Neustart bei der Erarbeitung der Krankenhausreform. Diese löse "kein einziges der grundlegenden Probleme der Krankenhäuser – Unterfinanzierung, Personalmangel, Klinikschließungen".
Warnstreik des Klinik-Personals in Nürnberg, März 2023.Bild: dpa / Daniel Karmann
Der Deutsche Gewerkschaftsbund lobte die Reform zwar grundsätzlich, mahnte aber auch, es brauche weitere Schritte, um die Strukturreform in der stationären Versorgung voranzubringen. "Wichtig ist auch, die Belange der Beschäftigten zu berücksichtigen", sagte Vorstandsmitglied Anja Piel der Deutschen Presse-Agentur. Nur wenn es gelinge, mehr Fachkräfte zum Bleiben zu gewinnen, werde eine qualitätsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten möglich.
(mit Material der dpa und afp)