Leben
watson-Kolumne

Mutter berichtet: Warum mich Spielplätze und ihre Besucher stressen

Eine Mutter verzweifelt mit ihrem Kind auf dem Spielplatz.
Eine Mutter verzweifelt mit ihrem Kind auf dem Spielplatz.Bild: iStockphoto / triocean
watson-Kolumne

Rumgerenne, Arschloch-Kinder und Kontaktbörse: Warum mich Spielplätze und ihre Besucher stressen

"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
05.09.2021, 12:3017.10.2021, 12:19
Mehr «Leben»

Als mein Sohn sitzen konnte und in der Lage war, eine Schaufel zu halten, dachte ich, es sei normal, ab sofort die Nachmittage auf dem Spielplatz zu verbringen. Bisschen buddeln, mit anderen Kindern kommunizieren und eventuell soziale Kontakte knüpfen. Insgeheim erhoffte ich mir eine Pause, wenn mein Sohn mit Gleichaltrigen im Sand spielen oder sich am Kleinkind-Spielgerät vergnügen würde. Wie naiv!

Entweder war ich nur in Action, weil ich stundenlang die Schaukel anschubste, zu verhindern versuchte, dass der Einjährige den Sandkasten leer aß oder sich von der Babyrutsche stürzte – oder ich geriet in unangenehme Situationen, weil mein Sohn eine soziale Katastrophe zu sein schien.

Eine Zeit lang briet er jedem Lebewesen, das sich ihm näherte, mit der Schaufel eine über. Oder es wurde richtig peinlich, wenn ein anderes Kind wagte, eines unserer Sandspielsachen zu benutzen, das ihn bis zu dem Moment nicht interessiert hatte. Dann fing er an zu brüllen und ich tat so, als würde er meine Erklärungsversuche verstehen, dass man Dinge teilen und ausleihen konnte. Er brüllte jedoch weiter, weil er lediglich begriff, dass jemand seine Sachen wegnahm. Ich wollte aber nicht die Mutter sein, die etwas zurückforderte, das wir sowieso nicht benutzten.

Spielplatz-Mütter können ganz schön ignorant sein

In solchen Situationen erwartete ich, dass die andere Mutter einspringen und meinem Sohn den Scheiß-Eimer in die Hand drücken würde, damit endlich Ruhe war. Doch wenn ich eines gelernt habe: Spielplatz-Mütter können ganz schön ignorant sein. Am schlimmsten fand ich lange die, die entfernt auf einer Bank saßen und stundenlang in ihr Smartphone glotzten oder telefonierten. Manchmal saßen sie auch in Gruppen, hatten Picknick dabei und schienen jede Menge Spaß zu haben. Die Kinder? Nebensache.

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.Bild: Emmy Lupin Studio
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Je größer und aktiver mein Sohn wurde, desto mehr regte ich mich über unbeaufsichtigte Arschloch-Kinder auf, die nicht selten zu den Handy-Müttern gehörten. Kinder, die sich vordrängelten, rücksichtslos verhielten oder bei Verfolgungsjagden Jüngere über den Haufen rannten. War es jetzt meine Aufgabe, diese Kinder zu maßregeln? Oder zählte ich dann schon zu den hysterischen Helikopter-Mums? Ich wusste, dass ich Sätze wie „Können Sie mal auf Ihr Kind aufpassen?“ nie aussprechen würde.

Mich nervte einfach alles: Dass hier nur Mütter rumsaßen und kein einziger Vater zu sehen war. Dass immer genau die Mütter mit mir ins Gespräch zu kommen versuchten, bei denen ich auf den ersten Blick sah, dass es nicht passte. Klingt oberflächlich, aber Outdoor-Hosen gepaart mit Trekkingsandalen, kunstvoll verzierte Gelfingernägel oder Kinderwägen, die mit skurrilem Plastik-Krachmach-Zeug behängt waren, waren eindeutige Indizien, dass ich dieser Person ganz sicher nicht die wenige Zeit, die mir blieb, in Zukunft widmen würde. Also legte ich mir beim Betreten des Spielplatzes eine abweisende Aura zu. Schaute nicht nach links und rechts und beantwortete Fragen nur kurz und knapp.

Der erste Spielplatzbesuch nach dem Lockdown

Sich mit Freundinnen und deren Kindern auf dem Spielplatz zu verabreden, war auch nicht besser. Nach kurzer Begrüßung rannten wir beide in unterschiedliche Richtungen hinterher, standen an Klettergerüsten, fingen an Rutschen auf oder schubsten die Schaukel an – nur eben nie parallel. War schön euch zu sehen, nächstes Mal dann wieder bei uns im Garten, dann reicht es im besten Fall für eine gemeinsame Tasse Kaffee und fünf Sätze am Stück.

"Ich suchte mir einen Platz auf der Bank in Sichtweite des Klettergerüsts, sodass ich zumindest hören konnte, falls ich einen Krankenwagen rufen müsste."

Nach dem ersten Lockdown, als alle Spielplätze gesperrt waren, verlängerte ich die Phase einfach noch mal um ein Jahr. Von Anstrengung, Aufregung und Genervtsein hatte ich in dieser Pandemiezeit genug.

Vor kurzem war ich das erste Mal wieder auf dem Spielplatz. Mein jetzt vierjähriger Sohn hatte in der Zwischenzeit das Extremklettern für sich entdeckt. Ich suchte mir einen Platz auf der Bank in Sichtweite des Klettergerüsts, sodass ich zumindest hören konnte, falls ich einen Krankenwagen rufen müsste. Und schaute ab da auf mein Handy. Scrollte durch Instagram, beantwortete E-Mails und hörte Sprachnachrichten ab, die ich schon vor Tagen erhalten hatte. Herrlich.

"Schmatz mir nicht ins Ohr": Rebecca bekommt von Sprachnachrichten beim Essen schlechte Laune

Bei Sprachnachrichten gibt es nur zwei Meinungen: Man liebt sie oder man hasst sie. Die einen kommunizieren fast nur so via Whatsapp und sparen sich Telefonate ohnehin, die anderen bekommen die Krise, wenn wieder irgendjemand zu faul war, um eine Nachricht zu schreiben.

Zur Story