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"So begann das Elend": Mutter berichtet über den Wahnsinn der Mutter-Kind-Kurse

A mother is attending an exercise class in the park whereby her and her cute son are doing yoga.
Mit dem Kind außerhalb der Wohnung etwas Zeit zu verbringen, klingt doch schön. Ist es dann aber nicht unbedingt. (Symbolbild)Bild: E+ / SolStock
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"Und so begann das Elend": Mutter berichtet über den Wahnsinn der Mutter-Kind-Kurse

"Schonungslos ehrlich" – die Mama-Kolumne ohne Insta-Filter
07.03.2021, 10:2607.03.2021, 19:29
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Wieder so etwas, das ganz automatisch passiert, sobald man schwanger ist: Man kommt in den Kurs-Modus und wird panisch, weil meisten schon alles ausgebucht ist. Geburtsvorbereitungskurs, Schwangerschaftsyoga, Erste-Hilfe-Kurs für Babys. Einiges ist sicher sinnvoll, anderes völliger Quatsch.

Eine Freundin von mir hat tatsächlich einen Kurs für Babypflege gemacht – also welche Tuben und Salben man sich anschaffen sollte und wie die Beauty-Routine eines Baby aussieht (so stelle ich mir das zumindest vor).

Glücklicherweise bekam ich damals keinen Platz mehr für einen Geburtsvorbereitungskurs. Später war ich froh. Erstens hätte ich wenig Motivation gehabt, wie eine meiner Freundinnen, den zukünftigen Namen des Kindes mit Hüftbewegungen tanzen zu müssen (kein Scherz!) und zweitens kommt bei der Geburt eh immer alles anders als geplant. Und wer bitte fängt dann an, gelernte Atemtechniken einzusetzen? Eben.

Als jedoch mein Sohn auf der Welt war und ich mich dauerstillend auf dem Sofa gefangen fühlte, sah ich Kurse als willkommene Möglichkeit, ein bisschen rauszukommen. Mal wieder unter Menschen, vielleicht ja unter Gleichgesinnte, die ebenfalls in der Baby-Hölle feststeckten.

Babyschwimmen: Und so begann das Elend

An den scheinbar beliebten Baby-Massage-Kurs war nicht zu denken, da mein Sohn brüllte, sobald ein Öl, eine Creme oder eine sonstige Lotion seine Haut berührten. Überhaupt brüllte er ja meistens, wenn er sich nicht auf meinem Arm befand. Das Risiko war mir zu hoch. Dann also Babyschwimmen. Zwar liebe ich Wellness-Bereiche (ganz besonders die, wo Kinder nicht erlaubt sind), doch ich hasse Schwimmbäder aller Art. Trotzdem redete ich mir ein, es sei wichtig, ein Baby frühzeitig an das Element Wasser heranzuführen.

Und so begann das Elend: Im einen Arm die tonnenschwere Babyschale, im anderen die Badetasche, 40 Grad in der Umkleidekabine, drei Schichten Baby-Winterkleidung. Spätestens hier fing er an zu schreien. Dann mit Babyschale in die Duschkabine und fix und fertig beim abgegrenzten Kursbereich ankommen.

"Angeblich haben Babys einen Tauchreflex. Mein Sohn offenbar nicht."

Um uns herum der übliche Lärm eines Hallenbades. Im Wasser turnten wir der Leiterin alle möglichen Bewegungen nach. Der Höhepunkt für meinen sowieso schon völlig reizüberfluteten Sohn war der Moment, als man das Kind unter Wasser tauchen sollte. Angeblich haben Babys einen Tauchreflex. Mein Sohn offenbar nicht.

Gebrüll ohne Ende und ein schlechtes Gewissen, ihn fast um die Ecke gebracht zu haben. Und dann alles wieder von vorne: Duschen ließ ich gleich weg, aber sich selbst und das brüllende Baby abtrocknen sowie beide anziehen, während um einen rum das Leben in der Sammelumkleide tobt, grenzt an Wahnsinn. Mit nassen Haaren und völlig gestresst fuhr ich nach Hause und hätte mich am liebsten direkt abgemeldet.

Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.
Unsere Autorin berichtet über die unschönen Seiten des Mutterdaseins – schonungslos ehrlich.Bild: Emmy Lupin Studio
Unsere Autorin...
... wurde mit Anfang 30 Mutter. Und kommt noch immer nicht damit klar, dass ihr altes, schönes Leben seitdem vorbei ist. Sie ist wütend, dass Eltern nie den Mut hatten, zu erzählen, was es wirklich bedeutet, ein Kind zu haben. Aus diesem Grund legt sie alle zwei Wochen den Finger in die Wunde – und berichtet schonungslos. Und weil sie weiß, dass Mütter sehr giftig werden können, wenn es um ihr Heiligstes geht, bleibt sie lieber anonym. Die täglichen Entrüstungsstürme ihres Sohnes reichen ihr völlig aus.

Musikalische Früherziehung: 45 Minuten Hirn abschalten

Als Nächstes folgte eine Krabbelgruppe, die ganz nett war. Zumindest konnte man hier im Trockenen auf Kindergartenstühlen sitzen und kannenweise Filterkaffee trinken während die Kinder in einem großen Raum durch die Gegend purzelten. Lediglich die Kreativeinheiten der engagierten Leiterin führten zu einem kurzen Anstieg des Stresspegels: Zum Beispiel sollten die Kinder ihre Hand in Salzteig drücken. Meines weigerte sich und brüllte mal wieder um sein Leben, als ich sein Handgelenk packte und die Hand hineinpresste. Das Ergebnis kann man sich vorstellen.

Bei den restlichen Bastelarbeiten hielten wir es so: Mein Sohn panschte fünf Sekunden herum, verließ dann den Tisch und ich erledigte den Rest.

"Hingehen, mitmachen, nach Hause fahren. Und wehe, mein Sohn wird nicht musikalisch!"

Über die musikalische Früherziehung hatte ich in meiner vergangenen Kolumne bereits berichtet. Doch dafür habe ich inzwischen eine Lösung gefunden: Ich muss lediglich 45 Minuten mein Hirn abschalten. Wenn Erwachsene zu "Ich heiße August Fridolin / Und bin ein kleiner Pinguin / Wadiwappwappwappwadiwappwappwapp" mit jeweils nach außen gedrehten Füßen durch die Gegend watscheln, und versuchen den Ton zu treffen, darf ich nicht näher darüber nachdenken. Hingehen, mitmachen, nach Hause fahren. Und wehe, mein Sohn wird nicht musikalisch!

Kinderturnen: Ohrenbetäubende Faschingsmusik und ziellos durch die Halle flitzen

Kommen wir zu einem späteren Highlight, das wir begannen, als er drei Jahre alt war: Kinderturnen. Klar, Sport ist ja so wichtig. Kann man ja nicht früh genug mit anfangen, logisch. Kinderturnen? Ein Muss sozusagen. Also rein in die Turnhalle, deren Geruch sofort schlimme Erinnerungen an den Schulsportunterricht aufkommen ließ. Scheinbar stammten fast alle anderen Kinder aus Großfamilien, die mit am Start waren, denn die Halle füllt sich schnell mit unzähligen Kindern jeglichen Alters.

Ein Konzept schien es für die Kleinen noch nicht zu geben. Oder es lautete: Ohrenbetäubende Faschingsmusik aufdrehen, die das Kinderschreien übertönt und dann ziellos durch die Halle flitzen. Es wurde noch eine Station aus Langbank und Weichbodenmatte aufgebaut, aber was hier genau zu tun war, erschloss sich mir nicht ganz. Ich versuchte meinen Sohn an die Kletterwand zu bekommen oder auf das Mini-Trampolin oder zum Balancieren auf der Bank. Aber er wollte lieber herumstehen und beobachten und später durch die Gegend rennen. Ich sollte ihn fangen. Na Bravo.

Wir verließen die Turnhalle mit dröhnenden Ohren und ich freue mich auf den Tag, wenn ich ihn bei einer Sportart abgeben kann – alleine. Bis dahin muss der Mann das Kinderturnen übernehmen, ich halte das alles nicht aus. Außerdem sind mir Turnhallen eh suspekt. Sport, der in Turnhallen stattfindet, ist mir zu körperlich und zu schweißtreibend.

Therapeutisches Reiten: Nach sieben Minuten brachen wir ab

Den letzten kläglichen Versuch startete ich letzten Sommer, zwischen den beiden Lockdowns. Ich hatte von einer Reitlehrerin gelesen, die für Kinder ein ganzheitlich-therapeutisches Reitkonzept anbot, bei dem auch die Pflege eines Tieres eine große Rolle spielte. Klang super, dementsprechend war der Kurs mal wieder voll.

Als die Reitlehrerin anrief, es sei jetzt ein Platz frei geworden, jedoch beschränke sich der Unterricht momentan auf geführtes Ponyreiten in 15-Minuten-Intervallen, sagte ich zu. Ein eigener Reithelm war Pflicht, also besorgte ich den günstigsten, den ich auf die Schnelle bekam. Wir fuhren hin und warteten, bis wir an der Reihen waren.

Und dann?

Mein, wie ich dachte, pferdebegeisterter Sohn versteckte sich hinter meinen Beinen. Alle Überredungskünste halfen nichts, er wollte nicht aufs Pony. Nicht mal streicheln kam in Frage. Also liefen wir neben dem Pony her, in der Hoffnung, er würde etwas auftauen. Nach sieben Minuten brachen wir ab. Ich entschuldigte mich mehrmals. Die Dame riet mir, noch etwas zu warten. Er sei eben noch nicht so weit.

"Es ist das erste Mal, dass ich denke, dieser Lockdown kommt mir gelegen."

Als mir letztens eine Mutter erzählte, bei uns um die Ecke würde jetzt Kinder-Yoga angeboten werden, winkte ich ab: Er ist noch nicht so weit. Ich wahrscheinlich auch nicht. Es ist das erste Mal, dass ich denke, dieser Lockdown kommt mir gelegen: Somit erspare ich mir viele nervenaufreibende, peinliche und dämliche Kurssituationen.

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