Traditionen leben davon, dass man sie nicht hinterfragt. Frei nach dem Motto: "Weil wir das immer schon gemacht haben", übernehmen wir so auch zu Weihnachten die Rituale unserer Vorfahren, putzen zum 6. Dezember den Stiefel, futtern Gänsebraten und freuen uns auf das Christkind.
Dabei gäbe es da einige berechtigte Fragen: Was hat eine Tanne eigentlich mit Jesus zu tun? Und warum ist der Nikolaus dem Weihnachtsmann so ähnlich? Watson fasst zusammen, was es rund ums Weihnachtsfest zu wissen gibt.
Nein. Um es böse zu formulieren: Der Weihnachtsmann ist im Grunde nur ein Abklatsch vom Nikolaus, hat aber im Gegensatz zum Original keinen christlichen Anstrich mehr.
Laut theologischer Überlieferung geht der feierliche Akt, sich zum 6. Dezember etwas zu schenken, auf den Heiligen Bischof Nikolaus von Myra zurück. Er lebte im 4. Jahrhundert in der heutigen Türkei und war bekannt für milde Gaben, er galt zudem als Schutzpatron der Kinder. Um den Geist seiner Großzügigkeit zu ehren, entwickelte sich in vielen katholischen Ländern der Brauch, Kindern zum Todestag des Nikolaus (6. Dezember) etwas zu schenken.
Laut Legende soll der Nikolaus einer armen Familie einst heimlich Goldstücke durchs Fenster geworfen haben, um sie nicht zu beschämen. Und so behielt man das heimliche Element bei, und legte Geschenke vor die Tür – aus praktischen Gründen bald in Schuhe als Behältnis.
Europäische Auswanderer nahmen die Tradition Ende des 18. Jahrhunderts mit in die USA, wo "Sinter Klaas", wie Niederländer den Nikolaus nennen, sich schnell in "Santa Claus" verwandelte. Einen Mann, der jedes optische Element beibehielt (roter Mantel, Bart), aber nun am Heiligen Abend operierte, Geschenke in Socken füllte und auf einen bösen Sidekick, wie Knecht Ruprecht oder Krampus, verzichtete.
Die Gestalt des Christkinds ist in vielfacher Hinsicht wundersam. Tatsächlich ist mit dem "Christkind" eigentlich Jesus gemeint, dargestellt wird es aber meist von Mädchen mit Flügeln oder Kronen – Engeln. Der Glaube an das Christkind ist zudem eine Erfindung der Protestanten, auch wenn sich heute vor allem Katholiken über seine Ankunft freuen.
Aber von Anfang an: In der evangelischen Kirche lehnte man die Heiligenverehrung ab und damit auch den Hype um den Heiligen Bischof Nikolaus von Myra. Als Ersatz wurde das Christkind als Gabenbringer zum Heiligen Abend eingeführt, und zwar im 16. Jahrhundert vom Reformator Martin Luther selbst, wie Historiker glauben. Erst über die Jahrhunderte begannen auch Katholiken, sich für das Christkind zu begeistern, während in evangelischen Regionen parallel der Weihnachtsmann an Popularität gewann.
Erste Darstellungen des Christkinds zeigen tatsächlich noch ein Neugeborenes. Das Brauchtum ging jedoch zum Engel über, warum ist bis heute umstritten. Die gängigste Theorie: Im Krippenspiel wurde Jesus von einer Engelsschar begleitet, die Engel wurden so zum Sinnbild für das Christkind. Auch ein skandinavischer Einfluss ist denkbar, denn in Schweden bringt am 13. Dezember die heilige Lucia Licht in die Welt und sieht dabei in ihrem weißen Kleid und lockigem Haar dem Christkind ganz verblüffend ähnlich ...
Tut er gar nicht. Das würden zumindest Dänen, Schweden und Finnen sagen, denn in skandinavischen Weihnachts-Geschichten lebt der Weihnachtsmann bei ihnen um die Ecke, in Grönland oder Lappland. Historiker verorten den Lebensort des Heiligen Nikolaus von Myra, der dem Weihnachtsmann wohl am nächsten kommt, in der heutigen Türkei. Seine Überreste liegen aber in Süditalien. So weit, so kompliziert.
In den meisten populären Darstellungen, Filmen und Büchern, lebt der Weihnachtsmann allerdings am Nordpol. Und Schuld an unserem Bild von ihm ist nicht Coca-Cola, wie eines der hartnäckigsten Weihnachtsgerüchte aller Zeiten lautet, sondern ein deutscher Cartoonist namens Thomas Nast, der 1862 – also zwanzig Jahre vor Erfindung des Getränks – erste Bilder von "Santa Claus" für den "Harper’s Weekly" zeichnete.
Dort wird ein dicker Mann mit Rauschebart und rotem Kostüm samt Bommelmütze dargestellt, der Geschenke austeilt. Im dazugehörigen Text hieß es nicht nur, er käme durch den Kamin und habe einen fliegenden Schlitten und Rentiere, sondern lebe zudem auch "nahe Eis und Schnee".
Der Nordpol ist auch eine dankbare Option für die Weihnachtsmann-Geschichte: Geografisch betrachtet lässt er sich keinem einzelnen Land zuordnen, so bleibt der Weihnachtsmann Weltenbürger. Die Nordlichter ähneln der Weihnachtsstern-Erscheinung und da sehr wenige Menschen jemals bis zum Nordpol kommen, ist es nur logisch, dass man den Weihnachtsmann eigentlich nie zu Gesicht bekommt.
Man mag es sich bei der heutigen Völlerei kaum mehr vorstellen, aber früher galt der Advent als Fastenzeit, die mit dem Weihnachtsabend und einem Festmahl gebrochen wurde. Im Mittelalter bestand das "Mettenmahl" zur Christmette in Deutschland noch aus einem Schweinebraten, ärmere Menschen gönnten sich wenigstens Wurst. Fleisch konnten sich viele nur zu Feiertagen leisten und so findet man den festlichen Verzehr desselben in vielen Ländern wieder: In den USA gibt es zu Weihnachten Truthahn, in Großbritannien Schinken.
Mit der Industrialisierung wuchs der Wohlstand und die etwas teureren Gänse wurden beliebt. Die Gans war den Menschen als christliches Festessen zudem bereits vertraut, weil sie traditionell auch zum St. Martinstag am 11. November serviert wird. Die Kombination von theologischer Bedeutung und seltenem Luxus machte den Gänsebraten schleichend zum festen Bestandteil des Weihnachtsdinners.
Im warmen Klima Betlehems wird zur Weihnacht keine Tanne gestanden haben, also wie konnte der Nadelbaum zu einem derart populärem Symbol für den Heiligen Abend werden? Tatsächlich soll der Weihnachtsbaum ein deutscher Exportschlager sein.
Frühe Erwähnungen finden sich in Chroniken aus dem 16. Jahrhundert. Wo genau der allererste geschmückte Baum stand, ist umstritten, sowohl in Freiburg als auch in Sélestat im Elsass (was damals noch die Reichsstadt Schlettstadt war), wird er zuweilen verortet. Schon vorher war es in vielen Haushalten aber üblich, das Heim in der dunklen Jahreszeit mit grünen Zweigen zu schmücken, solange keine Blumen blühen.
Deutsche Auswanderer trugen den heimischen Brauch in die Welt (im 19. Jahrhundert so auch in die USA) und im Christentum wurde der geschmückte Baum gerne übernommen, weil die Symbolik dahinter so gut in die Weihnachtsgeschichte passt: Wie alles Immergrün stehen Tannen oder Fichten für ewiges Leben, der Lichterschmuck für die Hoffnung in dunkler Stunde, die Jesus Geburt für Christen symbolisiert.
Hinweis der Redaktion: Diesen Artikel haben wir erstmals an Weihnachten 2022 veröffentlicht. Da er besonders beliebt war, haben wir ihn wo nötig aktualisiert und jetzt erneut publiziert. Viel Spaß damit. Und natürlich: schöne Weihnachtszeit!