Seit Wochen herrschen in Deutschland Trockenheit und immer wiederkehrende Hitzewellen. Auch am Wochenende ist es deutschlandweit bis zu 35 Grad heiß: Dabei wurde inzwischen sogar im Norden Deutschlands bei Hamburg die 40-Grad-Grenze geknackt. Ein Zustand, an den sich die Menschen gewöhnen müssen, wie Meteorolog:innen und Klimaforschende vehement bestätigen. Denn immer längere Trockenphasen und gestiegene Sommertemperaturen etablieren sich gerade mit einer fortschreitenden Klimakrise zum neuen Status Quo.
Doch wie werden diese Dürrephasen unseren Alltag beeinflussen? Watson hat dazu mit Karsten Rinke, Experte für Wasserressourcen vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, gesprochen.
"Wir haben schon seit 2018 erhebliche Wasserdefizite und Hitzelagen und damit eine mehrjährige Dürre", erklärt er im Gespräch mit watson. Weitreichende Auswirkungen von Dürren auf ganze Landschaften seien damit längst erkennbar: "Wenn, wie jetzt, die obersten zwei Meter im Erdboden zu wenig Wasser aufnehmen konnten, dann bricht die landwirtschaftliche Produktion zusammen. Dann bekommen alle Pflanzen, die nicht so tief wurzeln wie Bäume, kein Wasser mehr."
Dadurch wird künstliche Bewässerung von großen Flächen und Feldern auch hier in Deutschland notwendig, wie es in südlichen Ländern wie Israel oder Spanien schon normal ist. "Im Moment bewässern wir nur drei Prozent der Anbauflächen. Wenn die Klimakrise aber ungebremst vorangeht, wie jetzt, dann müssen bis zum Ende dieses Jahrhunderts schon 30 Prozent der Böden extra bewässert werden", sagt Wasserexperte Rinke. Dafür würde dann wiederum auch Wasser benötigt.
Der Grundwasserspiegel sei in besonders betroffenen Regionen wie Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg stark abgesunken. Als Beweis dafür dienen ausgetrocknete Bäume, die eigentlich tiefgehende Wurzeln haben. In den entsprechenden Regionen sind in den letzten zehn Jahren 300 Liter Grundwasser je Quadratmeter verloren gegangen – was in den Sommermonaten schmale Flüsse und flache Seen in der Umgebung schrumpfen lässt.
Kleine Fließgewässer sind dann nur im Winter mit Wasser gefüllt, "so wie Wadis in der Wüste", vergleicht Rinke. "Es verschwinden auch ganze Seen", berichtet der Wasserexperte. Besonders solche, die vom Grundwasser gespeist werden: "Wenn der Grundwasserspiegel sinkt, sinkt auch der Seespiegel. Und wenn das ein kleiner See ist, dann ist der in Brandenburg jetzt schon weg." Die Dürren veränderten also ganze Landschaftszüge in Deutschland.
Diese Aussage erinnert an Landschaftsbilder aus Science-Fiction-Filmen wie "Dune": Die Welt ist zur unendlichen Wüste mutiert, das wichtigste Gut für Menschen ist inzwischen Wasser zum Überleben geworden. Bleibt das weiter eine Dystopie oder wird das vielleicht schon bald Realität?
"Das kommt darauf an, wie wir mit unserer Klimapolitik weitermachen", räumt Rinke ein. "Wenn wir ungebremst weiter das Klima erwärmen, haben wir bis zum Ende des Jahrhunderts die ersten Areale im Osten, besonders in Brandenburg, die tatsächlich einer Versteppung unterliegen", erklärt er. Denn der Osten Deutschlands hat viel weniger Niederschlag als der Westen. In Brandenburg kämen zusätzlich noch sehr sandige Böden dazu, die das seltene Regenwasser auch nicht gut halten könnten.
"Eine Welt wie in 'Dune' ist zwar Science-Fiction, aber auch auf der Erde gilt: Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins und ohne Wasser kein Leben", stellt Rinke klar. Das sei inzwischen auch in der deutschen Öffentlichkeit klarer:
Die Politik hat die klimabedingten Herausforderungen im Wasserbereich in der nationalen Wasserstrategie zwar explizit benannt, nun ginge es aber um eine zügige und effektive Umsetzung, betont Rinke. "Allein wenn wir Trinkwasser sparen, wenden wir damit keine Dürre ab", sagt der Wasserexperte. Es ginge eher um das Wassermanagement in der Landschaft: "Wiedervernässung von Feuchtgebieten, weniger Flächen versiegeln, sodass das Wasser nicht schnell abfließt, sondern im Boden versickert. Das hilft, damit möglichst viel Regen wieder den Weg zum Grundwasser findet, was im Moment viel zu wenig geschieht, weil wir immer versuchen, das Wasser schnell abzuleiten", erklärt der Experte.
Unseren Wasserhaushalt in den Griff zu bekommen sei letztlich eine gemeinsame Aufgabe der Politik, fasst Rinke zusammen: "Denn egal ob es bald wieder regnet: Ohne genug Grundwasser, werden wir bei der nächsten Dürreperiode noch gravierendere Folgen zu spüren bekommen."