Was bewegt Aktivisten dazu, sich unentwegt für ein bestimmtes Ziel einzusetzen – selbst dann, wenn sie mit ihrem Handeln straffällig werden? Ein Fall, der zeigt, wie weit Aktivisten bereit sind für ihre Ziele zu gehen, ist die Umweltaktivistin "Ella": Momentan ermittelt die Polizei und Staatsanwaltschaft gegen sie: es geht um gefährliche Körperverletzung und tätlichen Widerstand. Doch wie konnte es soweit kommen?
Für Watson hat die Psychotherapeutin und Verhaltenstherapeutin Katharina Simons das Verhalten von Aktivisten generell reflektiert: "Der klassische Aktivist ist ein Mensch, der selber verantwortungsvoll handeln will und eine Diskrepanz zwischen der aktuellen Situation und einer mangelnden gesellschaftlichen Reaktion sieht. Daraufhin versucht er genau dort umzusteuern oder Widerstand aus der Zivilgesellschaft anzustoßen", erklärt die Psychotherapeutin auf Anfrage von Watson.
Beim Selbstverständnis von Aktivisten gebe es in der Gesellschaft Aufgaben, die eigentlich auf der politischen Ebene gelöst werden müssten, "die aber oft von Politiker*innen nicht ausreichend gelöst werden, wie zum Beispiel die Bewältigung der Klimakrise", ordnet sie für Watson ein.
Im Fall von Klimaaktivisten bedeute das, dass sie sich auf die Zerstörung der Lebensräume von Tieren und Pflanzen und das aktuelle Massenaussterben und deren Folgen auch für Menschen konzentrieren: "Der sachliche Kontext hier wäre somit: meine Lebensbedingungen sind bedroht und die zuständigen Politiker übernehmen die Verantwortung für ihre Gesellschaft nicht."
Je tiefer sich Menschen mit der gegebenen Missständen befassen würden, desto eher würden sie auch versuchen, Alternativen zu entwickeln: "Da kann man dann schon das Bedürfnis bekommen, auch neue Wege der Kommunikation im Protest zu suchen."
Gleichzeitig sind Missstände wie die Klimakrise in ihrer Komplexität für den Menschen kognitiv schwer zu verarbeiten, führt Simons den Konflikt aus. "Deshalb ist es wiederum auch menschlich, dass kaum sachbezogenes Handeln in dieser Krise stattfindet", erklärt sie. "Denn wer will schon gerne seine eigene Lebensweise in Frage gestellt sehen?"
Aus psychologischer Sichtweise betrachtet wären Aktivisten somit diejenigen, die rational handeln, folgert sie. "Wir sehen, dass wir uns alle in einer Gefahrensituation befinden. Anhand von unzähligen Fakten wissen wir, dass wir in Gefahr sind und trotzdem unternimmt die Mehrheit der Menschen nichts dagegen." Aktivisten trauten sich mehr zu handeln als andere, "weil sie der Wahrheit ins Auge blicken, dass wir wirklich unsere Lebensgrundlagen gefährden", argumentiert die Psychotherapeutin.