Frankreich, Italien, Griechenland, Türkei: In immer mehr südeuropäischen Ländern wüten nach Rekordtemperaturen von fast 50 Grad verheerende Waldbrände. Die Lage an vielen Orten ist verzweifelt, heiße Winde und trockene Böden fachen die Feuer vielerorts noch weiter an. Die Brände forderten bereits zahlreiche Tote und die Evakuierung von Dörfern, auch beliebte Reiseorte wie Sizilien, Antalya oder Marmaris sind betroffen. Auch wenn vereinzelt Brandstiftung vermutet wird, haben die Feuer zum Großteil klimatologische Ursachen.
Watson hat mit Klimaforschern, Forstexperten und Meteorologen darüber gesprochen, warum es in Südeuropa derzeit so heiß ist und was das für unsere Zukunft – auch in Deutschland – zu bedeuten hat.
Die Meteorologin des Deutschen Wetterdiensts (DWD), Jaqueline Kernn, erklärt gegenüber watson die derzeitigen Wetterextreme in Südeuropa: "Es ist Sommer und über Südosteuropa sowie Nordafrika hält sich eine umfangreiche Hochdruckzone." In Südeuropa kommt die heiße Luft "aus Nordafrika und sehr trocken, die Sonne kann nahezu ungehindert einstrahlen und Erde und Luft erwärmen."
Die jetzigen Temperaturextreme in Südeuropa haben jedoch nichts mit der Hitzeperiode der letzten Wochen in Amerika zu tun, dies sei laut Kerrn nicht das gleiche Hochdruckgebiet. Normal ist dieses Wetter jedoch bei weitem nicht: "Derart hohe Temperaturen über eine so lange Zeit sind nicht gewöhnlich. Für Griechenland ist es vermutlich die schwerste Hitzewelle seit 40 Jahren", so Kernn.
Trotzdem waren hier in Europa solche Wetterextreme zu erwarten, ist sich Thomas Jung, stellvertretender Direktor und Leiter der Forschungssektion Klimadynamik am Alfred-Wegener-Institut und am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) im Gespräch mit watson sicher: "Der bisherige Klimawandel führt dazu, dass Extremwetterereignisse bis zu vier Grad Celsius heißer ausfallen als in präindustriellen Zeiten." Und das ist erst der Anfang der Erwärmung: "Wenn man in die Zukunft schaut, kann man gern noch einmal sieben, acht oder neun Grad auf die jetzigen Temperaturen draufpacken. Da kommt man dann in Bereiche, wo man an die 50 Grad erreicht."
"Im Prinzip müssen wir uns jedes Jahr auf neue Temperaturrekorde einstellen in einer sich erwärmenden Welt, gerade was Hitzewellen angeht, aber auch Starkregenniederschläge", so der Klimaforscher Jung. Das hänge mit der Wellenstruktur des Jetstream zusammen. Also des Bandes starker Winde in einer Höhe von zehn bis zwölf Kilometern. Man müsse "sich das wie bei einer Welle vorstellen: Auf der einen Seite gibt es Hitze und auf der anderen Seite wird es regnerisch. Diese beiden Seiten kommen immer zusammen, aber an verschiedenen Orten. Es gibt eigentlich keine Wetterlage wo es nur irgendwo heiß ist", erklärt Jung gegenüber watson. Und diese beiden Wetterlagen würden nun immer extremer.
Inwiefern der Klimawandel diese Form des Jetstreams beeinflusse, werde in der Wissenschaft noch kontrovers diskutiert. Doch bei den verstärkenden Faktoren wie der Menge an CO2 in der Atmosphäre und der Erwärmung der Ozeane, sind sich die Forscher einig: Sie sind menschengemacht und sorgen ebenfalls für einen Anstieg der Temperaturen und Extremwetterereignisse.
Auch die Böden spielen eine wichtige Rolle für ein moderates Klima auf der Erde. Wenn es sehr heiß ist, "fängt der Boden an, zu verdunsten und somit abzukühlen, das gleicht die Hitzewelle aus. Aber wenn die Böden trocken sind, dann funktioniert dieser Mechanismus nicht mehr. Das ist das, was wir im Mittelmeerraum gerade sehen. Und das kommt in der Zukunft auch in Mitteleuropa auf uns zu", so Jung, der als Leiter der Forschungssektion Klimadynamik (AWI) arbeitet.
Die menschengemachte Abrodung, also die Abholzung und der Kahlschlag, sind dagegen keine direkte Ursache für die Brände in Südeuropa, so Lena Schröcker, Geschäftsführerin des Deutschen Forstvereins: "Ganz im Gegenteil, in Europa nimmt die Waldfläche seit einigen Jahrzehnten stetig zu. Und das ist auch gut so. Wald hat – besonders im Klimawandel – eine wichtige Schutzwirkung." Schuld an den Waldbränden seien tatsächlich vor allem die extrem hohen Temperaturen und der geringe Niederschlag, die durch den Klimawandel bedingt seien. "Wenn es so warm und so trocken ist, reicht schon ein kleiner Funke, etwa eine achtlos weggeworfene Zigarettenkippe oder eine Glasscherbe, um ein Feuer zu entfachen", so Schröcker.
Rainer Städing, Sprecher des Bundes Deutscher Forstleute (BDF), sagt dazu im Gespräch mit watson: "Kritisch schauen sollte man aber schon, wie sich die brennenden Wälder von den Baumarten her zusammensetzen." Besonders, ob es sich um schnellwachsende Kiefernplantagen handele oder gar um Eukalyptus-Pflanzungen. "Der in weiten Teilen Südeuropas angebaute Eukalyptus schafft selber ideale Voraussetzungen für Waldbrand."
Die ätherischen Öle und das Laub, welches am Waldboden alles andere verdränge, seien nämlich hochbrennbar: "Diese Art Plantagen-Wälder sind eine große Herausforderung beziehungsweise Belastung für die Zukunft im Klimawandel – nicht nur was die Brandgefahr angeht, sondern auch durch ihren immensen Wasserverbrauch", so Städing gegenüber watson.
Doch was macht diese Hitze mit unserem Körper? Ist eine Anpassung möglich? Die Meteorologin Jaqueline Kernn erklärt: "Diese Temperaturen sind für jeden gefährlich. Daran kann man sich nicht gewöhnen. Es ist eine Belastung für den Körper." Doch nicht die Hitze alleine wird uns dabei gefährlich: "Wenn es so heiß und auch feucht wird, dass Schwitzen uns nicht mehr kühlt, dann ist das auch für den fittesten Menschen nicht lebbar. Dann funktioniert unser Kühlungssystem nicht mehr: das Verdunsten von Schweiß", erklärt Jung.
Derzeit gebe es zwar nur wenige Regionen und Ereignisse mit solchen Extrembedingungen, aber sie würden zunehmen. "Wenn man draußen arbeitet und schwitzt oder Vorerkrankungen hat, dann genügt sogar schon weniger." Eine Anpassung des Menschen aus physiologischer Sicht hält Jung nicht für möglich. Eher eine Anpassung im Sinne der Gestaltung der Lebensumstände, also mittels Migration oder Kühlungssysteme. "Es werden sich aber nicht alle leisten können, sich so an Wetterextreme anzupassen", stellt der Forscher klar.
Doch einen Weg zurück gibt es aus Sicht des Forschers nicht. Die Menschen werden lernen müssen, mit diesem selbst gemachten Klima zu leben. "Wenn man das einmal losgetreten hat, muss man lernen, damit zu leben." Denn das CO2 aus der Atmosphäre heraus zu bekommen oder die Wärme aus dem Ozean, das ginge eben nicht so schnell. "Wenn man den Ausstoß der Treibhausgase jetzt heute auf null runterfahren würde, dann würde dieser Prozess weitergehen. Das System ist einfach träge", erklärt Jung.
Absurderweise war es genau dieser Prozess, der der Menschheit in der Vergangenheit geholfen hat, weil das Ökosystem Wärme speichern konnte. Der Klimaforscher erklärt diesen Prozess: "Wenn es in die umgekehrte Richtung geht, also das Ganze zurückzufahren, hat das System ein Gedächtnis. Das CO2 ist schon gespeichert und die Wärme ist im Ozean. Es wird also immer noch extremer werden in den nächsten Jahren. Schon in den nächsten 30 bis 40 Jahren wird man einen deutlichen Unterschied zu heute bemerken."