Wer in den Sommerferien eine Urlaubsreise gebucht hat, der musste in den letzten Wochen immer wieder bangen: Auf Rhodos, Korfu und Euböa wüteten Brände, in Kanada ebenfalls. Südeuropa glühte bei fieberhaften Temperaturen, bei denen selbst ein Tag am Strand oder in der historischen Altstadt zur tödlichen Gefahr wird.
Und auch wenn es bei den derzeitigen Temperaturen in Deutschland nicht den Eindruck erweckt: Noch ist der Sommer nicht vorbei. Noch sind nicht alle Gefahren gebannt.
Denn Sommer bedeutet in Zukunft auch: Mehr Hitzetage, mehr Tropennächte, mehr Waldbrände, mehr Extremwetter – oder einfacher gesagt: mehr Katastrophen. Und das nicht nur hierzulande, sondern auch an den vielen Orten auf der Welt, an denen wir Deutschen gern Urlaub machen: Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, Frankreich, die USA.
Aber welche Folgen haben diese Katastrophen auf unsere Reiselust und unseren Urlaub? Samed Kizgin ist Analyst für Reiserisiken und weiß, bei welchen Katastrophen Urlauber:innen einen Rückzieher machen – und bei welchen nicht.
"Die weltweite Pandemie und der Ukraine-Krieg haben uns bewiesen, dass die Reiselust der Menschen kaum zu brechen ist", sagt Samed Kizgin gegenüber watson. Er ist Travel Security Analyst und beobachtet für den Sicherheitsdienstleister A3M, wo auf der Welt Reisenden Risiken drohen. "Selbst bei den Waldbränden auf den griechischen Inseln haben sich viele dennoch dazu entschieden, ihren Urlaub wie geplant fortzuführen."
Und das soll schon etwas heißen. Denn zeitgleich fand die größte Evakuierungsaktion der griechischen Ferieninsel statt. Der Reiseveranstalter Tui Deutschland cancelte über den Zeitraum einiger Tage zudem seine Flüge in das Krisengebiet.
Auch wenn sich mit Blick auf das Reiseverhalten der Deutschen bislang noch nicht viel getan hätte, geht Kizgin davon aus, dass sich das bald ändern wird. Er sagt:
Denn dass extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Überschwemmungen oder Waldbrände aufgrund der menschengemachten Klimakrise zunehmen, sei längst erwiesen. Davon betroffen sind auch die Top-Reise-Gebiete der Deutschen: Italien, Griechenland, Spanien, Portugal, die Türkei.
Und trotzdem – vereinzelt würden Naturkatastrophen schon jetzt dazu führen, dass Reisende ihren Urlaub stornieren oder kurzfristig auf einen anderen Ort verlegen.
Kizgin zufolge sei das sowohl jetzt bei den Waldbränden auf Korfu und Rhodos aufgefallen, als auch etwa im Februar dieses Jahres, als sich im Südosten der Türkei ein schweres Erdbeben ereignete. Mindestens 50.000 Menschen waren damals gestorben, 214.000 Gebäude eingestürzt, beinahe elf Großstädte fast komplett zerstört. Es war eine der folgenschwersten Naturkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte in der Region. Der Reiseveranstalter Bentour berichtete dem "Reisereporter" damals, dass die Neubuchungen für die Türkei kurz nach dem Erdbeben um 40 Prozent zurückgegangen seien.
Der Reisekonzern Tui etwa geht davon aus, dass sich das Buchungsverhalten der Urlauber:innen ändern werde. "Es könnte durchaus eine Verschiebung der Nachfrage von der Hauptferienzeit, also Juli und August, in die Vor- und Nachsaison geben", sagte der Tui-Vorstandschef Sebastian Ebel im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Also mehr Urlaubsbuchungen von Februar bis Mai sowie im Herbst, dafür weniger in den Sommermonaten.
Stefan Gössling, Professor für Tourismus an der Linné-Universität in Schweden, erklärt im Interview mit dem Nachrichtenportal "t-online" zudem, dass schon in 20 Jahren Großteile der Welt klimatisch, aber auch politisch, so unsicher sein könnten, dass Reisen nur noch in "sichere" Regionen stattfinden könnten. "Europa kann zum neuen Hotspot für Touristen werden", sagte er im Interview.
"Allerdings sind auch wir nicht vor allen Auswirkungen geschützt. Allein das Hochwasser im Ahrtal hat Milliarden gekostet – sicherlich sind solche Beträge nicht endlos verfügbar, wenn es weitere 'Ahrtäler' geben sollte."
Reise-Risiko-Analyst Samed Kizgin sieht die Änderungen als weit weniger drastisch an. Gegenüber watson sagt er:
Oder aber es könnte das genaue Gegenteil passieren, wie der Tourismus-Experte Stefan Gössling befürchtet: Die Tourist:innen könnten, um Garantie für entweder Schnee oder sonniges Wetter bei gemäßigten Temperaturen zu haben, weiter weg fliegen – und so die Klimakrise noch beschleunigen.