Das Jahr Revue passieren lassen, mit Freunden essen und feiern, Wunderkerzen und Feuerwerk zünden, vielleicht auch den einen oder anderen krachenden Böller: Für die meisten Menschen gehört die Silvesterparty zum Jahresende fest dazu. Und das, obwohl das Thema Klimaschutz in den vergangenen Jahren immer weiter in die Mitte der Gesellschaft gerückt ist. Aber ist das Feiern und Böllern in Zeiten der Klimakrise überhaupt noch zeitgemäß?
Mehr als die Hälfte der Deutschen findet: Ja. Bei einer repräsentativen Umfrage, die das Meinungsforschungsunternehmen Civey im Auftrag von watson durchgeführt hat, gaben 64 Prozent der Befragten an, die Silvesterfeier sei auch 2021 noch zeitgemäß. Immerhin 28 Prozent der Befragten widersprachen dieser Aussage.
Betrachtet man die auseinandergehenden Meinungen nach Altersgruppen, so geht klar hervor, dass insbesondere die 18- bis 29-Jährigen die Silvesterfeier im Jahr 2021 als wichtig und damit zeitgemäß empfinden. 83 Prozent von ihnen gaben das in der Civey-Umfrage an.
Bei den Altersgruppen der 30- bis 64-Jährigen sehen das nur rund 65 Prozent der Befragten so. Bei den über 65-Jährigen waren es nur noch 60 Prozent. Auch die Herkunft der an der Umfrage Teilnehmenden spielte bei der Beantwortung dieser Frage eine Rolle: So gaben deutlich mehr Befragte aus dem Osten (72 Prozent) an, Silvester auch in diesem Jahr als zeitgemäß anzusehen, als die Befragten im Westen (62 Prozent).
Eine große Rolle spielt auch die Wahlabsicht der Befragten: Während bei Grünen-Anhängern nur 44 Prozent angaben, Silvester in diesem Jahr als zeitgemäß zu betrachten, waren es bei Wählern der AfD 85 Prozent. Bei FDP-Sympathisanten gaben 73 Prozent der Befragten an, die Silvesterfeier als wichtig anzusehen. Bei Anhängern der Union waren es 66 Prozent. Bei jenen, die angaben, die SPD zu wählen, waren es immerhin noch 61 Prozent, bei denjenigen, die links wählen, 50 Prozent der Befragten.
Der wichtigste Punkt, an dem sich die Befragten an Silvester störten: Müll. Das jedenfalls gaben 45 Prozent der Befragten an. Weitere Dinge, die den Teilnehmern an Silvester missfallen, sind die Lärmbelästigung (30 Prozent), die Feinstaubbelastung (29 Prozent), die Angst der Haustiere vor Böllern (28 Prozent) sowie die hohe Anzahl alkoholisierter Menschen (25 Prozent). Weniger ins Gewicht fiel bei den Befragten die Verletzungsgefahr, die nur 14 Prozent als Grund angaben.
Erstaunlich ist, dass nur 29 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren angaben, sich an dem entstehenden Müll zu stören. Bei den höheren Altersgruppen waren es weitaus mehr Menschen (zwischen 42 und 50 Prozent bei den 30 bis über 65-Jährigen).
In dem Befragungszeitraum vom 17. bis zum 26. Dezember 2021 haben sich 5.004 Menschen an der Umfrage beteiligt. Der statistische Fehler liegt bei 7,4 Prozent.
Dass der zu Neujahr anfallende Müll sowie der durch das Feuerwerk freigesetzte Feinstaub eine Belastung für die Umwelt darstellen, darüber sind sich Experten und Umweltschützer indes einig. "Raketen und Böller vergiften gleich auf mehrfache Weise unsere Atemluft", sagt Matthias Walter, Sprecher der Deutschen Umwelthilfe, gegenüber watson. So würden durch die Verbrennung von Feuerwerkskörpern mit Inhaltsstoffen wie Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid für die Atemwege giftige und reizende Stoffe entstehen. "Noch gravierender ist aber der massive Ausstoß des Schadstoffes Feinstaub."
Durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern würden laut dem Umweltbundesamt jährlich rund 2050 Tonnen Feinstaub entstehen – der Großteil von rund 75 Prozent zum Jahreswechsel.
Dass es im vergangenen Jahr zum ersten Mal ein Verkaufsverbot für Feuerwerk zu Silvester gab, habe sich da sofort bemerkbar gemacht. "Zwar haben Pyro-Fanatiker mit Böllern und Raketen aus dem Ausland und illegalen privaten Lagerungen trotzdem vereinzelt gezündet, aber insgesamt verlief der Jahreswechsel sehr viel ruhiger und damit exorbitant gesünder", so Walter weiter. Denn in der Neujahrsnacht wird der Feinstaub durch die vielen Feuerwerke auf einen Schlag freigesetzt, wodurch er eine "dramatische Konzentration" in der Luft erreicht, vor der auch die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt.
So ist der Stundenhöchstwert von Feinstaub in München in der Silvesternacht 2020/2021 um 93 Prozent zurückgegangen, in Berlin immerhin um 66 Prozent. Dass der Wert in Berlin weniger stark zurückgegangen ist als in München, hängt laut Walter mit der Nähe zur polnischen Grenze zusammen, "über die traditionell viel Feuerwerk privat eingeführt wird und auch in dem Jahr wurde, sodass der Rückgang längst nicht so stark ausfällt".
Matthias Walter ergänzt:
Gefährlich ist der Feinstaub insbesondere, weil die feinen Partikel bis tief in die Lunge vordringen. Neben Atemwegserkrankungen kann das auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. Laut der Europäischen Umweltagentur sterben in Deutschland jährlich mehr als 53.000 Menschen vorzeitig aufgrund zu hoher Feinstaubbelastung.
Dass ein Böllerverbot die Notaufnahmen entlastet, haben auch die Ärztinnen und Pfleger des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf festgestellt. "Zum vergangenen Jahreswechsel haben sich in der Zentralen Notaufnahme so wenige Patienten und Patientinnen wie noch nie in einer Silvesternacht vorgestellt", sagt Saskia Lemm, Sprecherin des Klinikums gegenüber watson. Zudem sei das Gros der Patienten mit auch unter der Woche üblichen Krankheitsbildern in die Notaufnahme gekommen. "Einzelne Patienten und Patientinnen hatten Verletzungen durch Feierlichkeiten wie Alkoholmissbrauch oder Körperverletzungen. Böllerverletzungen traten nur sehr vereinzelt auf." Ein klarer Vorteil gegenüber vorherigen Jahreswechseln.
Dass alle Jahre wieder reichlich Müll zum Jahreswechsel entsorgt werden muss, fällt vor allem bei der Straßenreinigung auf. Durch das Feuerwerk im vergangenen Jahr fielen im Großraum München rund 55 Tonnen Silvestermüll an, im Innenstadtbereich waren es circa 15 Tonnen. Zum Vergleich: 2019 musste die städtische Straßenreinigung etwa 70 Tonnen Silvestermüll beseitigen. "Die enormen Mengen an Müll in der Nacht zu entfernen ist natürlich eine Herausforderung", sagt ein Sprecher des Baureferats München, dem die Straßenreinigung unterstellt ist, gegenüber watson. Das Problem: "Da die Feuerwerkskörper meist auf den Boden geworfen werden, können diese nicht gesondert entsorgt werden, sondern sie werden wie der restliche Müll mit den Kehrmaschinen aufgenommen."
Aber nicht nur die Stadtreinigung erlebt durch den Ausfall der Feuerwerke eine Erleichterung. Insbesondere Tiere leiden unter der Knallerei. "Wir begrüßen das Böllerverbot an Silvester sehr, da es für die Tiere wirklich einen wahren Albtraum bedeutet", sagt Hester Pommerening, Pressereferentin vom Deutschen Tierschutzbund im Gespräch gegenüber watson. Kleintiere, aber auch Haustiere wie Hunde und Katzen würden die Lautstärke der Feuerwerke sehr viel lauter wahrnehmen als Menschen. "Denn sie wissen nicht, was in dem Moment passiert. Das Feuerwerk kommt für uns Menschen vielleicht mit einem positiven Gefühl einher, da wir uns darauf freuen. Aber die Tiere erleben es plötzlich und unvorbereitet mit einer ganz anderen Intensität", so Pommerening.
"Auch für Wildtiere bedeutet Silvester extremen Stress", ergänzt Pommerening. Der Grund: Tiere, wie beispielsweise Vögel, würden unter erheblichem Stress aus ihrer Nachtruhe gerissen und ihre Schlafplätze aufgeschreckt verlassen. "Und dann haben wir noch das Problem, dass extrem viele Feuerwerkskörper in der Natur landen, dort liegen bleiben und diese nachhaltig schädigen", ergänzt sie.
Das Urteil der Natur- und Tierschutzorganisationen ist deutlich: Ein dauerhaftes Verbot der Feuerwerke entlastet sowohl die Umwelt, als auch die Gesundheit von Tieren und Menschen. Ob es auch nach dem Ende der Coronakrise ein Feuerwerksverbot geben wird, ist ungewiss. Ob mit oder ohne Wunderkerzen und Feuerwerk: Die Silvesterparty, das haben die Umfrageergebnisse klar veranschaulicht, ist auch heute noch zeitgemäß – insbesondere unter den jungen Menschen.