Eigentlich hätte ich hier über Hoffnung, Weitermachen und Gemeinschaft schreiben wollen. Vergangene Woche sind Hunderte junge klimabewegte Menschen aus ganz Deutschland in Halle zusammengekommen – nicht um gegen etwas zu sein, sondern um gemeinsam zu diskutieren, lernen, planen, tanzen.
Während um uns herum Menschen erzählen, dass doch gerade andere Dinge wichtiger wären als die Klimakrise – die immer noch größte Krise der Menschheit – sind wir zusammengekommen. Jedes Gesicht im Workshop, jeder auf der Tanzfläche, jede Debatte über die nächste Aktion ist ein Beweis, dass wir nicht allein, nicht umsonst kämpfen.
Gegen die Klimakrise, für eine gute Zukunft zu kämpfen, fühlt sich schnell wie eine viel zu große Aufgabe an. Bratwürstchen, Solaranlagen, Wärmepumpe, Agrarsubventionen, Hitzeschutzkonzepte: Die Klimakrise hat doch hunderttausend Ursachen, Pfadabhängigkeiten, Probleme. Wo fängt man da an?
Im Wirrwarr der Bindestrich-Konstruktionen von Agrar- über Ernährungs- bis Wärmewende und Bedenken, verschwinden nur allzu leicht das entscheidende aus dem Blickfeld: Eine Zukunft ohne Klimakrise ist eine Zukunft ohne fossile Energien.
Der Weltklimarat, das Pariser Klimaabkommen, hunderte Wissenschaftler:innen sind sich einig: Um die Klimaziele einzuhalten, um die schlimmsten Überschwemmungen und Waldbrände zu verhindern, müssen wir bis Mitte des Jahrhunderts aufhören, Kohle, Öl und Gas zu verbrennen. Und in einer Industrienation wie Deutschland wird diese Transformation noch schneller passieren müssen.
Und weltweit haben sich Staaten diesem Ziel verpflichtet; vielerorts zwar nicht schnell genug, aber es sind erste Schritte. Die EU will klimaneutral werden, auf der Weltklimakonferenz haben sich Staaten zum Ausstieg aus den fossilen Energien zusammengeschlossen, der Koalitionsvertrag sieht die Wende zu Erneuerbaren Energien vor. Diese Einigkeit über das Fundament der Klimakrisenbekämpfung könnte Anlass zur Hoffnung sein.
Pustekuchen. Die Bundesregierung spricht zwar vom Ende fossiler Energien, von Klimaneutralität, von Erneuerbaren Energien – plant aber nebenher neue Gasprojekte. Vor der Nordseeinsel Borkum, in Sichtweite von Badestränden und Robbenkolonien plant der Konzern One-Dyas neue Gasfelder zu erschließen.
Neue Gasbohrungen, das bedeutet Erdbeben, Wasserverschmutzung, Bodenabsenkungen – und einen Bruch mit den Klimazielen. Neue fossile Projekte lohnen sich nur, wenn sie für Jahrzehnte laufen und genutzt werden. Im kommenden Jahrzehnt muss Deutschland allerdings schon klimaneutral werden. Da ist kein Spielraum für zusätzliche Emissionen.
Während die Klimakrise um uns in vollem Gange ist, planen Bundes- und Landesregierung noch mehr Klimazerstörung. Sollten die Genehmigungen erteilt werden, wäre das ein Bruch mit den eigenen klimapolitischen Versprechen – und eine Katastrophe für Umwelt, Anwohner:innen und junge Menschen.
Der erste Aufbau einer Plattform wurde von mutigen Aktivist:innen auf Booten gestoppt, das Oldenburger Verwaltungsgericht Gericht hat sogar ein Seekabel nicht erlaubt, mit dem die Gasbohr-Plattform versorgt werden sollte.
Auch am Wochenende wird in Borkum protestiert. Auf der kleinen Nordseeinsel entscheidet sich, ob die Regierung ihre Verantwortung ernst nimmt und unsere Lebensgrundlagen schützt. Jedes fossile Weiter-So bedeutet mehr Klimazerstörung, Dürren, Hitzetage. Inmitten der längst Realität gewordenen Klimakrise ist kein Platz für ein noch so kleines Gasprojekt.
Auch wenn die Fördermenge vor Ort gering ausfallen sollen, bleibt Borkum ein Symbol für alles, was falsch ist: Profite, die vor Klimazielen – und damit Menschenleben – stehen; Konzerne, die bedenkenlos Umweltzerstörung betreiben; Anwohner:innen, deren Bedenken kaum beachtet werden.
Die geplanten Gasbohrungen im Wattenmeer sind exemplarisch für eine Reihe an verantwortungslosen und falschen Planungen der Bundesregierung. Der Betreiberkonzern One-Dyas spricht jetzt schon von “weiteren möglichen Gasfeldern”. In den vergangenen Jahren hat die Ampel – allen Warnungen von Expert:innen zum Trotz – mit Millionensummen und beschleunigten Verfahren den Bau von LNG-Terminals durchgedrückt.
Das Terminal auf Rügen wird seit Monaten nicht in Betrieb genommen. Die Gelder sind verloren, die Gefahr von einem fossilen Lock-in besteht weiterhin, grüne Infrastruktur fehlt. Auch vor der Küste Senegals wollte Bundeskanzler Scholz den Klimakiller Gas fördern. Der Deal hängt nur deswegen noch in der Schwebe, weil der neue senegalesische Präsident eine restriktivere Linie im Umgang mit Ressourcenexporten fährt als sein Vorgänger.
Egal ob vor der Nordseeinsel oder im Atlantik vor der westafrikanischen Küste: Jedes neue fossile Projekt ist katastophal für Anwohner:innen, Umwelt und zukünftige Generationen. Das Wattenmeer vor Borkum ist UNESCO-Weltkulturerbe, die Küsten vor Rügen und dem Senegal sind Meeresschutzgebiete.
Diese Orte zu schützen, ist von weit größerer Bedeutung als uns Bilder von süßen Robben oder offizielle Infotafeln denken lassen. Wenn die Bundesregierung daran scheitert, sie vor der Zerstörung durch profitorientierte Konzerne zu schützen, verliert sie jede klimapolitische Glaubwürdigkeit.
Noch sind die Genehmigungen nicht ausgestellt, noch spricht der Konzern One-Dyas nur von “möglichen weiteren Bohrungen”. Noch kann die Ampel sich gegen das fossile Weiter-So und für eine bessere Zukunft entscheiden. Für Borkum. Und für die Menschen.