Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Klimaneutralität erfordert Gespräche mit BMW und RWE

ARCHIV - 31.05.2024, Nordrhein-Westfalen, Köln: Teilnehmer halten bei einer Demonstration von Fridays for Future ein Plakat mit der Aufschrift "Klimaschutz statt Umweltschmutz" und "Wir ...
Fridays for Fututre: Auch bei BMW und RWE werden wir vorstellig.Bild: dpa / Henning Kaiser
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Fridays for Future: Wir müssen mit den Schmutzgiganten sprechen

Klimaschutz ist eine Notwendigkeit. Deshalb schreiben hier junge Aktivist:innen von Fridays for Future regelmäßig für watson über das, was sie bewegt – und was sich politisch bewegen muss. Es geht um Gerechtigkeit und die Zukunft. In dieser Woche schreibt Ronja Hofmann über Auftritte bei der Gegenseite.
30.05.2025, 15:4830.05.2025, 15:48
Ronja Hofmann
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"Ronja Hofmann, Sie haben das Wort." Als ich diesen Satz höre, ist mein Puls auf 180, obwohl ich eigentlich nur zu Hause vor meinem Computer sitze. Knapp zehn Minuten Zeit habe ich online auf der Hauptversammlung von BMW meine Rede zu halten und Fragen zu stellen.

Reden halte ich schon seit Jahren – auf Demos. Doch es ist das eine, auf einer Fridays-for-Future-Kundgebung zu sprechen, umringt von Wohlgesonnenen, die nur darauf warten zu klatschen. Ganz anders fühlt es sich an, bei der Hauptversammlung eines der wichtigsten Unternehmen Deutschlands – und einem der größten Saboteure der Verkehrswende, zu sprechen. "Hier wird niemand klatschen, wahrscheinlich hört eh niemand zu", denke ich noch – doch ich sollte mich irren.

Konzerne und der fehlende Blick auf die Klimakrise

An den Hauptversammlungen teilzunehmen, ist wie in eine fremde Welt einzudringen. Eine schräge Parallelwelt voll Männern in Anzügen, Zahlen und Märkten, in der die Realität der Klimakrise ausgeblendet und sich fieberhaft an das Märchen unendlichen Wachstums geklammert wird.

Eine Welt, in der man sich einredet, stets der Gute zu sein, Moral, aber, hat keinen Platz. Um effektives Greenwashing zu betreiben, werden unvorstellbare Summen von Euro in die Marketingabteilung gepumpt, mit denen auf Hauptversammlungen das Bild eines fairen, nachhaltigen und erfolgreichen Unternehmens gezeichnet wird – der Albtraum der Klimaaktivist:innen.

Trotzdem, oder gerade deswegen sprechen seit einigen Jahren Aktivist:innen von Fridays for Future bei Hauptversammlungen der größten Unternehmen, allerdings nicht auf Einladung von diesen, sondern organisiert vom Dachverband der kritischen Aktionäre.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Dieser Verband ermöglicht es Anteilseigner:innen ihr Stimm-, Rede- und Fragerecht an Vertreter:innen marginalisierter Gruppen, Klima- oder Menschenrechtsaktivist:innen zu übertragen, die so den Vorstand öffentlichkeitswirksam mit unangenehmen Fakten und Fragen konfrontieren können, auf die der Vorstand eine Antwort geben muss. So konnte ich beispielsweise den Vorstand von BMW fragen, was an dem Vorwurf, BMW würde mithilfe uigurischer Zwangsarbeit produzieren, dran ist.

Nicht alles Gold, was glänzt

Und auch wenn es dem Vorstand gelingt, sich beim Antworten vor einer tatsächlichen Antwort zu drücken, konnte er nicht verhindern, dass die Aktionär:innen davon erfahren. Und nicht nur sie, auch Kund:innen und Arbeitnehmer:innen verfolgen die Hauptversammlung. Um ihnen zu zeigen, dass nicht alles Gold (bzw. nachhaltig) ist, was glänzt, reicht es nicht, auf der Straße zu protestieren.

Wir müssen dahin, wo die Märchen einer nachhaltigen Welt erzählt werden, wir müssen in die Unternehmen, in die Höhle des Löwens.

Denn daran, dass von ihnen abhängt, wie viel Treibhausgase eingespart werden können, besteht kein Zweifel. 20 Unternehmen sind für 35 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich. Allein RWE stößt einer britischen Studie zufolge jährlich 152 Millionen Tonnen CO2 aus – zum Vergleich, wer von Düsseldorf nach Mallorca fliegt, emittiert 0,75 Tonnen CO2.

Noch schlimmer steht es um die Produktionsweise von Eon und Heidelberg Cement, letzteres gehört zu den schlimmsten zehn Verschmutzern Europas.

Ronja Hofmann studiert Politik und Kommunikationswissenschaften in Berlin. Seit 2019 engagiert sie sich bei Fridays for Future.
Ronja Hofmann studiert Politik und Kommunikationswissenschaften in Berlin. Seit 2019 engagiert sie sich bei Fridays for Future.Bild: privat / privat

Damit ist klar, solange sich Nachhaltigkeit nur in der Marketingabteilung dieser Unternehmen findet, weiterhin Profit aus fossilen Energien geschlagen, und Abermilliarden in Lobbyarbeit gesteckt wird, wird Klimaneutralität unerreichbar sein – egal wie viel wir als Konsument:innen auf das Auto, Fleisch oder Flugreisen verzichten.

Eckart von Hirschhausen bringt es auf den Punkt, wenn er sagt: "Es ist schwer, die Welt ehrenamtlich zu retten, solange sie andere hauptberuflich zerstören."

Klimaneutralität fordert die Konfrontation mit Konzernen

Ob wir wollen oder nicht, es wird kein Weg zur Klimaneutralität an diesen Schmutzgiganten vorbeiführen. Und genau das ist der Grund, warum es wichtig ist, die Aktionär:innen an ihre Verantwortung zu erinnern. Mit ihrer Stimme haben sie bei jeder Hauptversammlung die Macht, die Verwendung der Bilanzgewinne und die Entlastung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder zu verhindern.

Kurz gesagt, weil ihnen das Unternehmen gehört, entscheiden sie, ob Profite weiterhin auf Kosten der Umwelt erzielt oder in nachhaltige Zukunftstechnologien investiert wird. Sie entscheiden darüber, ob ein Unternehmen ein Problem bleibt oder ein Teil der Lösung wird.

Und genau deshalb lohnt es sich, den Schritt in diese fremde Welt zu wagen – auch wenn der Puls rast, auch wenn niemand klatscht. Denn jede Stimme zählt. Jeder Moment, in dem wir die Fassade des Greenwashings durchbrechen, ist ein kleiner Riss im System der Konzerne, durch den Realität und Verantwortung dringen können.

Hauptversammlungen sind keine Orte, an denen wir gewinnen – aber Orte, an denen wir sichtbar machen, was auf dem Spiel steht. Orte, an denen wir die Komfortzone der Konzerne stören und zeigen, dass ihre Entscheidungen Konsequenzen haben.

Manchmal beginnt Veränderung dort, wo wir sie am wenigsten erwarten. Dass jemand zuhört, nachdenkt, sich bewegt. Solange Konzerne maßgeblich über die Zukunft unseres Planeten mitentscheiden, dürfen wir ihnen das Spielfeld nicht überlassen. Wir brauchen Protest auf der Straße. Aber wir brauchen auch Widerspruch im Konferenzraum.

Werden bei RWE, Porsche und der Deutschen Bank zu hören sein

In diesem Sinne werden wir auch in den kommenden Jahren dort zu hören und zu sehen sein, wo man nicht mit uns rechnet, ob bei RWE, Porsche, der Deutschen Bank oder Heidelberg Cement. An Stellen, wo es normalerweise nur darum geht, wie viel Gewinn oder Verlust das Unternehmen im letzten Jahr gemacht hat, muss in Zukunft auch immer über den Klimaschutz gesprochen werden. Denn manchmal reicht eine Rede – zehn Minuten lang, zwischen Zahlen, Bilanzen und Business – um einen Funken zu entzünden.

Dass mir dies gelungen ist, erfahre ich ein paar Tage nach meiner Rede, als mir ein Aktionär per E-Mail schreibt, dass er zwar schon länger Praktiken von BMW kritisch sieht, meine Rede ihn nun aber nicht nur dazu bewegt habe, gegen die Entlastung des Vorstands- und Aufsichtsrates zu stimmen, sondern sich selbst für Klimagerechtigkeit zu engagieren. Wir sind bis heute in Kontakt. Verbündete gibt es an den unwahrscheinlichsten Orten, selbst in der "Höhle des Löwens".

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