Ein improvisierter Tisch, vier Holzstühle, Papierzettel, Namensschilder, blauer Himmel und das Bundeskanzleramt: Heute vor einer Woche hat Fridays for Future in Berlin die Forderungen für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung an unseren neuen Bundeskanzler Friedrich Merz veröffentlicht.
Ich war auch dabei – mit gemischten Gefühlen. Keine Legislaturperiode wird jemals so heiß gewesen sein, wie die anstehende Periode unter Merz. Kein Kanzler musste jemals mehr Verantwortung übernehmen und ich bin mir unsicher, ob Friedrich Merz dem gewachsen sein wird.
In meiner Heimat Duisburg wurde vor zwei Tagen die Waldbrandgefahr auf die vierte von fünf Stufen gesetzt. Der Rhein, der hier lang fließt, hatte zuletzt einen enormen Niedrigstand und eine Stunde entfernt von mir hat dieses Jahr bereits der erste Wald gebrannt. Dabei haben wir erst Mitte Mai und die wirklich heißen und trockenen Monate stehen uns noch bevor. Die Klimakrise eskaliert und der beginnende Sommer bereitet mir große Sorgen.
Verantwortung bedeutet in diesen Zeiten, die Umsetzung von sozial gerechtem Klimaschutz. Aufgrund dessen haben wir vergangenen Freitag drei essenzielle Forderungen an die neue Bundesregierung gerichtet. Diese müssen in den ersten 100 Tagen umgesetzt werden, wenn Friedrich Merz und seine Minister:innen ernst genommen werden wollen:
Hier geht es nicht darum, dass die Bundesregierung Fridays for Future oder mir persönlich einen kleinen Gefallen tun soll. Die Klimakrise ist nicht unser persönliches Problem. Sie geht uns alle etwas an. Wenn Merz seinem Job gerecht werden will und vor allem den multiplen Krisen unserer Zeit etwas entgegensetzen möchte, muss er sozial gerechten Klimaschutz betreiben.
In einer kürzlich veröffentlichten Studie von Greenpeace wurden die Schnittstellen zwischen schlechter Bus- und Bahn-Infrastruktur und den Wahlerfolgen der AfD aufgezeigt. Das Fazit: Umso schlechter der ÖPNV, umso bessere Ergebnisse erzielt die AfD.
Es darf nicht weiter nach Autobahnen gestrebt und nach Ansätzen gesucht werden, die für die oberen 10 Prozent attraktiv sind. Es braucht Klimaschutz-Maßnahmen, die insbesondere den Menschen zugutekommen, die wenig haben – kostengünstige Busse und Bahnen, die regelmäßig fahren, wären ein Schritt in die richtige Richtung. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen Hand in Hand gehen, um nicht nur die Klimakrise einzudämmen, sondern auch die Eskalation der extremen Rechten zu stoppen.
Ich würde sehr gerne positiv überrascht werden, aber ich traue mich kaum zu hoffen, weil die Chancen, tief zu fallen, so groß sind. Die ersten 10 Tage der Regierung sind vorbei und sie sind zerschmetternd.
Wir haben einen neuen Umwelt- und Klimaminister, dessen Interesse für dieses Thema bisher nicht zu beobachten ist. Einen Verkehrsminister, der Demonstrationen für Autobahnen unterstützt hat. Eine Wirtschafts- und Energieministerin, die direkt aus einem Konzern kommt.
Katharina Reiche soll das neue Gesicht der Energiepolitik werden. Gestartet ist sie mit einem Versprechen zu mehr Gas und der Aussage, dass Klimaschutz in den letzten Jahren überbewertet gewesen sei. Fatale Aussagen, die mich nach Fachkompetenz suchen lassen, aber bei Reiches Hintergrund sind sie kaum verwunderlich.
Reiche kommt aus der Wirtschaft und hat jahrelang für Konzerne gearbeitet, die ein großes Interesse an weiteren Gasprojekten haben. Ihre neuesten Aussagen untermauern die ersten Befürchtungen: Reiche trifft Entscheidungen für Konzern-Interessen und nicht für das Allgemeinwohl in Deutschland.
Mit der Auswahl dieser Minister:innen würde man meinen, Friedrich Merz hat seine Priorisierung für die kommenden vier Jahre genug gezeigt. Aber es geht noch weiter. Diverse Sonderposten wurden gestrichen: Die Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik, der Meeresbeauftragte der Bundesregierung, die Beauftragte für Menschenrechte und viele Weitere. Die Zeichen sind klar: Es geht mit großen Schritten zurück in das letzte Jahrhundert.
Während Merz seine ersten Tage damit verbringt, den Blick nach hinten zu richten und Chaos zu stiften, schauen wir voraus. 100 Aktionen in 100 Tagen ist unsere Devise. Auf Demos, bei Kundgebungen oder mit unseren Fahrrädern. Im ganzen Land zeigt Fridays for Future, dass Klimaschutz – egal, mit welcher Regierung – nicht verhandelbar ist.
Wir brauchen einen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas und mehr Erneuerbare Energien. Statt der Vertretung von Konzerninteressen brauchen wir das Interesse am guten Leben für alle Menschen. Die Klimakids sind da und wir sind ready, all das zu verteidigen, was wir in den letzten Jahren erreicht haben.
90 Tage bleiben Merz noch, um eine positive Bilanz aus seiner ersten angekratzten Kanzlerzeit ziehen zu können. Ich würde wirklich gerne positiv auf die kommenden Jahre blicken und ich bin nicht die Einzige in meiner Generation, die sich mehr Zuversicht wünscht.
Krisen überschlagen sich, die Frustration ist hoch und gerade deswegen muss Merz uns die Chance auf Hoffnung geben. Hoffnung geht mit Zuversicht einher und die haben wir nur, wenn die Klimamaßnahmen nicht so wirken, als ob sie auf einem anderen Planeten verhandelt worden sind. Wir zählen die Tage.