Reichling, ein idyllischer kleiner Ort im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech, mit Ausblick auf Seen und Wälder, in der Ferne die Alpen – sogar die Zugspitze kann man sehen – und bald, inmitten dieser wunderschönen Landschaft, auch einen etwa 40 Meter hohen Gasbohrturm.
Denn die Probebohrungen durch die kanadische Tochterfirma Genexco stehen dort kurz bevor. Und das direkt neben dem Wasserschutzgebiet und der einzigen Trinkwasserquelle der Anwohner:innen Reichlings.
Bis zu 500 Millionen Kubikmeter Erdgas sollen zwischen Reichling und Ammersee auf einer Fläche von 100 Quadratkilometern gefördert werden. Den Antrag dafür stellte die Firma 2022 inmitten der durch Russland ausgelösten Energiekrise. Inzwischen hat sich jedoch herausgestellt, dass in Deutschland keine Gasmangellage herrscht und auch der Erdgaspreis hat sich wieder normalisiert.
Zudem fallen die Fördermöglichkeiten in Bayern im Vergleich zum Erdgasverbrauch des Landes fast nicht ins Gewicht. Bayern kann also, auch mit den geplanten Bohrstellen bei Reichling, nur minimal zur Erdgasversorgung Deutschlands beitragen. Für eine sichere Energieversorgung helfen uns also die Bohrungen in Bayern nicht. Ganz im Gegenteil, denn die Förderung von Erdgas bringt viele Risiken mit sich.
All das lohnt sich für das bisschen Gas nicht!
Abgesehen vom Lärm einer solchen Bohrstelle, ist wohl eines der wichtigsten Themen die Trinkwasserversorgung der Anwohnenden: Diese wird gleich mehrfach gefährdet. Durch bei der Bohrung austretende Chemikalien, versickerndes Lagerstättenwasser oder giftigen Bohrschlamm könnte das Wasserschutzgebiet verunreinigt werden und damit die Trinkwasserversorgung der Gemeinde ausfallen.
Auch seltene Tier- und Pflanzenarten, welche in diesem einzigartigen Naturraum heimisch sind, werden durch die Bohrungen gefährdet und vertrieben. Außerdem besteht das Risiko für Gaslecks, Brände und Explosionen. In Niedersachsen wurden sogar lokale Erdbeben durch die dortigen Bohrungen ausgelöst.
Bei der Genehmigung dieser Bohrvorhaben werden also offensichtlich das Gemeinwohl und die Gesundheit der Anwohnenden sowie der Schutz der Natur dem Profitinteresse untergeordnet. Seit Monaten demonstrieren wir als Fridays for Future deswegen gemeinsam mit einer Bürgerinitiative der Gemeinde, Greenpeace und dem BUND Naturschutz gegen die geplanten Bohrungen.
Bisher wurden alle Bemühungen jedoch weitgehend von Bürgermeister und Politik ignoriert. Dabei steht nicht nur die Sicherheit der Anwohner:innen Reichlings auf dem Spiel. Das mit Abstand größte Sicherheitsrisiko bleibt die Klimakrise. Mit dem Ausstoß von Treibhausgasen während den Bohrungen wird diese noch weiter angefeuert.
Inklusive Förderung, Transport und Verbrennung ist Erdgas tatsächlich in etwa so schädlich wie Kohle. Ein entscheidender Faktor dabei: Bei Gasbohrungen kann es zusätzlich noch zur Freisetzung von Methan kommen, welches über einen Zeitraum von 100 Jahren eine knapp 30-mal größere Auswirkung auf die Erderwärmung hat als CO2.
Schon in den letzten Jahren war Bayern von Extremwetterereignissen aufgrund des Klimawandels stark betroffen. Es kam mehrfach zu Überschwemmungen, Dörfer wurden zerstört und mehrere Menschen verloren ihr Leben. Diese sich häufenden Ereignisse zeigen: Bayern muss schnellstmöglich klimaneutral werden. Mit den geplanten Bohrstellen geht das nicht.
Und Reichling ist erst der Anfang.
Die neue Koalition zwischen SPD und Union plant, 40 bis 50 weitere Gaskraftwerke zu bauen. Neben den Bohrungen in Reichling und vor Borkum wird auch über Bohrungen in Baden-Württemberg und in der Nähe von Berlin diskutiert. Unter dem Deckmantel der "Brückentechnologie" machen sie uns damit weiterhin von fossilen Energieträgern abhängig und das für die nächsten Jahrzehnte.
Behalten wir diesen Kurs bei, schaden wir nicht nur ganz direkt der Umwelt und den Menschen vor Ort, sondern werden auch die Auswirkungen der Klimakrise in den kommenden Jahren noch viel deutlicher zu spüren bekommen. Wenn die aktuellen Erdgasverträge eingehalten werden oder wie in Reichling sogar neue fossile Infrastrukturen aufgebaut werden, wird es unmöglich, das Pariser Klimaabkommen noch einzuhalten.
Anstatt das Klima und damit uns selbst zu schützen, treiben wir die Klimakrise weiter voran. Die Genehmigung und Durchführung von weiteren Gasbohrungen in Deutschland wäre damit ein riesiger Rückschritt. Die Gasbohrungen vor Reichling, bei Borkum und vielleicht bald quer durch die ganze Republik zeigen: Die derzeitige Klimapolitik ist rücksichtslos, rückwärtsgewandt und rein profitorientiert.
Wir brauchen nicht noch mehr Brückentechnologien, wenn wir die Möglichkeiten erneuerbarer Energieversorgungen schon lange haben. 2024 machten erneuerbare Energieträger bereits knapp 60 Prozent des inländisch erzeugten und ins Netz eingespeisten Stroms aus. Unsere Energieversorgung kann langfristig nur sicher sein, wenn sie auch klimaneutral ist.
Anstatt das Geld in unglaublich teure fossile Energieträger als "Überbrückung" zu stecken an welche wir dann für Jahrzehnte gebunden sind und mit denen wir die Frage nach einer dauerhaft möglichen Energieversorgung gar nicht lösen, müssen wir also jetzt in Erneuerbare investieren. Für das Klima und für unsere eigene Sicherheit.
Selbst wenn sich die Probebohrung nicht mehr stoppen lässt – der Aufbau weiterer Bohrstellen kann und muss verhindert werden. Deshalb wird Fridays for Future zusammen mit anderen Organisationen am Samstag in Reichling demonstrieren. Die geplanten Gasbohrungen sind ein Thema, das uns alle betrifft. Das idyllische Reichling ist dabei erst der Anfang.