Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Fridays for Future, Klimastreik DEU, Deutschland, Germany, Berlin, 20.09.2024 Demonstranten der Fridays For Future Bewegung mit Plakat Ihr Klaut Unsere Zukunft auf der Kundgebung und Demonstration von ...
Friday for Future sind vor allem von den Grünen enttäuscht.Bild: imago / IPON
Gastbeitrag

Fridays for Future: "Vermeintliche Strategie oder Zukunft – wofür entscheidet ihr euch?"

15.11.2024, 12:37
Linda Kastrup
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Um es mal auf den Punkt zu bringen: Nachdem in den letzten Jahren viel Bewegung in den Klimaschutz kam, sieht es heute nicht gut für ihn aus.

Ein Klimawandelleugner als Präsident, eine Klimakonferenz, bei der Regierungschefs reihenweise absagen und jetzt steht in Deutschland ein Wahlkampf bevor, bei dem der Klimaschutz im besseren Szenario zur Nebensache, im Schlimmeren diskursiv komplett geschreddert wird. In 100 Tagen ist die Bundestagswahl und bis dahin muss viel passieren.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Sich trotz düsterer Aussichten aufzurappeln, zu organisieren und gemeinsam Visionen zu entwickeln, ist nicht immer einfach. In der Klimabewegung sieht man gerade, wie es trotzdem geht.

Wenn ein Rückschlag kommt, sind 2 Minuten und 36 Sekunden später die ersten Nachrichten dazu verfasst. 3 Stunden, 12 Minuten, und 47 Sekunden später existiert ein Schlachtplan für die kommenden Tage. Wir sind gut darin, Krisen zu bewältigen, denn das ist das, was wir seit Tag 1 tun – für das Klima und uns alle.

Doch nicht nur wir sind gerade gefordert, neue Pläne zu entwickeln. Wie dieser Wahlkampf und die anschließende Legislaturperiode aussehen wird, liegt maßgeblich in den Händen der demokratischen Parteien. Die kommenden 100 Tage werden vom Wahlkampf getrieben.

Wahlkampflaune in Deutschland

Kampagnen werden aus dem Boden gestampft, Plakate gedruckt und Bundesparteitage noch schnell organisiert. Am heutigen Tag geht es mit der Bundesdelegiertenkonferenz der Grünen in Wiesbaden los. Der Ort also, um nicht nur Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten zu küren, sondern auch, um zu entscheiden, wie ernst man es als einstige Öko-Partei mit dem Klimaschutz noch meint.

Diese Legislaturperiode der Ampel-Regierung ist die erste, die wir als Bewegung von Anfang bis Ende miterlebt haben. Ob die erleichterten Bedingungen für die Installation von Solaranlagen für Einzelpersonen oder der allgemein beschleunigte Ausbau von Windrädern oder Sonnenenergie – an zahlreichen Stellen haben wir gesehen, dass Tempo in die Sache kommt und die Regierung Forderungen der Bewegung erfüllt. Leider ist das jedoch nur ein Teil des Bildes.

Die Erinnerungen an Lützerath und die heftige Räumung haben sich in meinen Kopf eingebrannt. Wälder mussten für Autobahnen weichen. Der Ausbau von Erdgas-Infrastruktur wurde massiv vorangetrieben, weit über das eigentlich notwendige Maß hinaus.

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Unsere Enttäuschung rührt nicht nur daher, dass eine Partei wie die Grünen zu oft solche falschen politischen Entscheidungen mitgetragen hat, sondern daher, wie oft versucht wurde, diese Kompromisse auf Kosten unserer Zukunft als Erfolg für den Klimaschutz zu verkaufen.

Ich möchte mich daher direkt an die Grünen wenden, sieht es als Appell, als Bitte, vor allem aber als klarer Fingerzeig, dass es so nicht weitergehen kann.

Ein enttäuschter Brief an die Grünen

Liebe Grüne, 2021 habt ihr euren Wahlerfolg in großen Teilen dem Momentum der Klimabewegung zu verdanken gehabt. Ihr habt euch als die eine grüne Klimaschutzpartei inszeniert und wurdet die Hoffnungsträger von vielen Demoteilnehmenden.

Seitdem haben sich jedoch zahlreiche junge Menschen von euch abgewendet. Die Menschen hatten größere Erwartungen an euch, Robert Habeck und seine nun anstehende Kanzler-Era, als an die CDU mit einem Friedrich Merz, der behauptet, dass die Welt nicht so bald untergehen wird.

Der schlechte Debattenzustand um den Klimaschutz lässt sich nur durch die populistische Anti-Klima-Hetze begründen, die rechte Kräfte verbreiten, sondern auch dadurch, dass ihr das Thema seit Monaten unter den Tisch fallen lasst, sobald ihr den kleinsten strategischen Vorteil wittert.

Aktuelle Prognosen sehen folgende Parteien im nächsten Bundestag: AfD, BSW, CDU, SPD und Grüne. Die Grünen würden den progressiven Rand im Parlament bilden. Dieser Verantwortung müsst ihr euch bewusst werden.

Linda Kastrup ist Klimaaktivistin aus dem Ruhrgebiet und Sprecherin von Fridays for Future Deutschland.
Linda Kastrup ist Klimaaktivistin aus dem Ruhrgebiet und Sprecherin von Fridays for Future Deutschland.Bild: Markus Laghanke

Wenn ihr die Themen wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nicht setzt, dann wird es niemand tun. Als Partei, die seit den ersten Klimastreiks versucht, Hoffnungsträger der jungen Klimabewegung zu sein, sind die Grünen jetzt in der Verantwortung, rote Linien aufzuzeigen und den Klimaschutz immer wieder zur politischen Priorität zu machen.

Wollt ihr jegliches Profil verlieren?

Es braucht einen klaren Kurs gegen neue Gasinfrastruktur, vor Borkum und überall! Gelder für den ÖPNV und Schiene statt für neue Autobahnen und natürlich verpflichtende Sektorziele für echten Klimaschutz! Ihr müsst euch fragen: Wollt ihr weiterhin mit vermeintlich unverfänglichen Themen jegliches Profil verlieren – oder selbstbewusst für das Richtige streiten? Für euch geht es um Wahlkampfstrategie, für uns um unsere Zukunft. Entscheidet Euch.

Dieser Appell richtet sich nicht nur an euch, sondern an alle demokratischen Parteien: In den nächsten 100 Tagen dürfen sich die Gespräche und Kampagnen nicht allein an der AfD abarbeiten.

Versteht mich nicht falsch, denn gegen die AfD zu sein, ist eine grundlegende Einstellung, die noch viel mehr Menschen besitzen sollten. Ein reines Anti-AfD bedeutet aber, dass es sich trotzdem weiter um die AfD und ihre Themen dreht. Die demokratischen Akteure in unserer Gesellschaft müssen mehr bieten als das.

Es ist eure Aufgabe, in den kommenden 100 Tagen den Menschen eine Vision zu geben. Ob Zuhause am Küchentisch oder bei Markus Lanz, überall muss über Perspektiven einer besseren Zukunft geredet werden.

Deshalb gehen wir auf die Straßen!

Ob Städte, in denen mehr Grün als Grau zu finden ist, eine verlässliche und günstige Bahn oder die deutsche Unabhängigkeit von Autokraten durch Erneuerbare Energien – es gibt so viel, wofür es sich lohnt zu kämpfen.

Unser Blick darf sich nicht allein auf die knapp 20 Prozent anti-demokratischen Wähler:innen richten, gerade jetzt braucht es auch eine Politik für die 80 Prozent Demokrat:innen, die momentan zu oft ohne politische Heimat dastehen.

Für uns ist klar, der Einsatz für Klimagerechtigkeit und eine sozial-gerechte Zukunft lohnt sich. Deswegen stehen wir heute bei den Grünen in Wiesbaden vor der Tür und gehen am 21.02., zwei Tage vor der Wahl, bundesweit auf die Straßen!

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