Umweltkatastrophen werden in Europas beliebtesten Urlaubsregionen immer mehr zur neuen Normalität. Von Waldbränden bis zu Wirbelstürmen sorgen in Italien, Griechenland und Spanien immer wieder neue Hiobsbotschaften für Zerstörung. Besonders hart hat es zuletzt Spanien getroffen.
In Valencia dauern die Aufräumarbeiten des tödlichen Unwetters an, in Barcelona standen plötzlich der Flughafen und Teile der Stand unter Wasser. Und auch auf Mallorca wurden Ende Oktober zahlreiche Straßen und Keller überflutet. Dabei kam die Baleareninsel noch glimpflich davon.
Im Lichte der jüngsten Unwetterkatastrophen sieht sich nun die Regionalregierung der beliebten Urlaubsregion zum Umdenken gezwungen. Die Gefahr ist akut, denn das Wetterphänomen "Kaltlufttropfen" sorgt im Herbst häufig für starke Niederschläge. Auf Teilen der Insel gilt aktuell die Alarmstufe orange.
Zu einem Umdenken in Politik und Bevölkerungsschutz hatte der renommierte Geologe Joan Estrany aufgefordert. Der Professor der Balearen-Universität mahnte, dass Mallorca bei einem Unwetter derselben Kategorie, die in Valencia knapp 100 Tote gefordert hatte, deutlich schlechter gerüstet sei.
Das Unwetter an der Mittelmeerküste dürfte aber künftig kein Ausreißer mehr sein. Stattdessen könnte es in Zukunft eher den Maßstab für weitere Umweltkatastrophen darstellen. Das als DANA bekannte Wetterphänomen sorgt im Balearenraum häufig für schwere Niederschläge, wenn sich kalte und warme Luftmassen mischen. Estrany warnt in der "Mallorca Zeitung": "Was in Valencia passiert ist, wird auch in Palma irgendwann geschehen."
Dabei ist die Insel nach Ansicht des Leiters des Observatoriums für Naturgefahren und Notfälle deutlich schlechter gerüstet als andere Gebiete Spaniens. Die Achillesferse: Viele Wohngebiete wurden in den vergangenen Jahrzehnten in potenziellen Überschwemmungsgebieten errichtet.
Mittlerweile sind zehn Risikogebiete für Hochwasser ausgewiesen. Zu diesen zählen auch Palma und der rapide wachsende Vorort Marratxi. Hier verlaufen bei Starkregen und Überflutungen Sturzbäche. Diese werden von dem stark abfallenden Gelände zu potenziellen Todesfallen, weil das Terrain den Wassermassen unberechenbare Verläufe und hohe Geschwindigkeiten verleihen kann.
Wo sich heute knapp eine halbe Million Menschen in der Balearen-Hauptstadt drängen, waren es vor knapp 50 Jahren nur halb so viele Einwohner:innen. Um Wohnraum, Arbeitsplätze und die nötige Infrastruktur zu schaffen, wurden dort große Flächen versiegelt. Die Folge: Das Wasser kann dort nicht mehr in den Boden abfließen.
Besonders gefährlich wird es aber in Alarcó und Mancor de la Vall. Hier warnt Estrany vor dem leichtsinnigen Bebauungsplan. Denn mitten im Hochrisikogebiet, unterhalb der Sturzbäche, wurden ganze Wohnsiedlungen errichtet.
Wie gefährlich die Situation ist, musste angesichts der Schreckensbilder von Valencia auch die regierende konservative Partei zur Kenntnis nehmen. Bereits im Mai hatte die Partido Popular (PP) ein neues Gesetz zum Abbau der Bürokratie angekündigt. Das Papier sieht vor, die Bebauungsvorschriften zu lockern, um künftig gefährdete Gebiete als Baugebiet ausweisen zu können.
Die Präsidentin der autonomen Region der Balearen, Margo Prohens, wollte das Dekret, also die präsidentielle Weisung ohne Vetorecht durch das Parlament, bereits am Dienstag zu verabschieden. Nach einem Aufschrei von Wissenschaftler:innen, Naturschutzorganisationen und Opposition, rang sich Prohens dazu durch, noch einmal über die Einführung des Gesetzes "nachzudenken".
Vorerst schlug sie einen parteiübergreifenden Maßnahmenkatalog vor, um die Sicherheit der Bevölkerung zu garantieren. Außerdem will sie das Budget für die Bereinigung von Sturzbachbetten erhöhen und Grundbesitzern mehr Hilfe bei der Sicherung ihrer Güter zukommen lassen.
Besonders pikant: Prohens Heimatgemeinde liegt nach einer Berechnung der balearischen Umweltschutzgruppe GOB in einem Hochrisikogebiet. Demnach könnte ein Drittel von Campos im Südosten der Insel bei Starkregen überflutet werden.