Nachhaltigkeit
Gastbeitrag

Fridays for Future: Klimaschutz darf nicht zum Luxus werden

ARCHIV - 08.03.2025, Berlin: Friedrich Merz, Unions-Kanzlerkandidat und CDU Bundesvorsitzender, Lars Klingbeil, SPD-Bundesvorsitzender und SPD Fraktionsvorsitzender, Markus S�der, (CSU), Ministerpr�si ...
Einig, aber irgendwie auch nicht: SPD und Unionsparteien.Bild: dpa / Michael Kappeler
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Fridays for Future: Liebe Koalition, wir brauchen ein Bekenntnis zum Klimaschutz

Neue Regierung, neues Glück? So richtig haut es damit nicht hin. Bisher können sich die SPD und CDU nicht hinsichtlich Klimaschutz zusammenraffen. Dissens ist die Devise. Für die Aktivist:innen von Fridays for Future ein großes Problem.
29.03.2025, 15:1207.04.2025, 11:38
Jon Klockow
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Deutschland hat in den letzten Jahren große Fortschritte beim Klimaschutz gemacht. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist gewachsen, und die notwendige Transformation der Industrie wurde auf den Weg gebracht. Doch während an vielen Stellen Bewegung erkennbar ist, bleiben zwei Sektoren hartnäckig auf der Bremse: Verkehr und Gebäude.

Regelmäßig werden Projektionsdaten veröffentlicht, die zeigen, wie sich die Treibhausgasemissionen auf Basis aktueller Maßnahmen entwickeln werden. Seit Jahren zeigen sie: In diesen Sektoren werden die Klimaziele konsequent verfehlt. Und das nicht aus Unwissen oder Mangel an Technologien, sondern weil es an politischem Willen fehlt.

Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.
Alle zwei Wochen melden sich Aktivist:innen von Fridays for Future in einem Gastbeitrag bei watson zu Wort.

Dabei gäbe es aktuell eine echte Gelegenheit, diesen Kurs zu korrigieren. Mit dem Sondervermögen Infrastruktur stehen endlich dringend notwendige Mittel bereit, um in klimafreundliche Wärmeversorgung, einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr und die energetische Sanierung von Gebäuden zu investieren. Die Mittel sind da – jetzt kommt es auf den politischen Willen an.

SPD und CDU verhandeln genau diese Fragen. Es geht um große Linien und kleine Details, um Förderprogramme, Richtlinien und Zielsetzungen. All das bestimmt, ob die nächsten Jahre Fortschritt bringen oder Stillstand. Statt Klarheit dominiert: Uneinigkeit.

SPD und CDU: zwei unterschiedliche Marschrichtungen

Wer die bisherigen Verhandlungspapiere liest, fühlt sich an Die unendliche Geschichte erinnert. In Michael Endes Buch markieren sie den Wechsel zwischen Menschenwelt und Fantasien, hier trennen sie politische Welten: Blau steht für die Union, Rot für die SPD. Und oft liest sich das Ergebnis, als wären zwei völlig unterschiedliche Entwürfe versehentlich in dasselbe Dokument geraten.

In Blau: Das Heizungsgesetz wird abgeschafft. In Rot: Es wird sozial gerecht weiterentwickelt. Ein gemeinsamer Kurs ist noch nicht erkennbar. Die Union will fossile Abhängigkeiten verwalten, die SPD zumindest stellenweise Fortschritte verteidigen. Doch wir brauchen nicht noch mehr Prüfaufträge und Kompromissfloskeln. Es reicht nicht, wenn sich Einzelmaßnahmen gegenseitig neutralisieren.

Was wir brauchen, ist ein gemeinsames Bekenntnis zur sozial-ökologischen Transformation – eine politische Garantie, dass Klimaschutz nicht zur sozialen Frage wird, sondern ihre Antwort liefert. Die meisten Menschen wollen Klimaschutz. Niemand will mit seinem Verhalten die Zukunft zerstören – oder zerstören müssen. Trotzdem können es sich viele nicht leisten, selbst klimafreundlich zu leben.

Im Moment scheitert die Einhaltung der deutschen Klimaziele an dreckigen Heizungen und zu vielen Autos, denn viel zu oft ist Klimazerstörung der Standard. Die Transformation gelingt nur, wenn es umgekehrt ist: Klimaschutz muss einfach und bezahlbar sein – für alle. Wo das nicht automatisch möglich ist, muss der Staat mit einfachen und sozial gerechten Förderungen nachhelfen.

Deutschlandticket auf der Kippe

Mit dem Deutschlandticket und Investitionen in Bus und Bahn hat die Ampelkoalition wichtige Schritte gemacht. Doch die Finanzierung des Tickets steht auf der Kippe. Eine Preisgarantie gibt es nur bis 2027. Neue Mittel wären vorhanden, sie dürften nur nicht für weitere Autobahnprojekte ausgegeben werden.

Öffentliche Verkehrsmittel brauchen eine klare Priorität. Das Angebot muss dauerhaft bezahlbar bleiben, gerade im ländlichen Raum. Klimafreundliche Mobilität darf keine Frage des Wohnorts sein. Solange Bus und Bahn unzuverlässig oder gar nicht fahren, bleibt das Auto für viele Menschen alternativlos. Der Wandel gelingt nur, wenn der öffentliche Nahverkehr zur echten Alternative wird.

Jon Klockow ist Klimaaktivist bei Fridays for Future.
Jon Klockow ist Klimaaktivist bei Fridays for Future.null / Lukas Stratmann

Im Gebäudesektor zeigt sich außerdem: Die klimapolitischen Versäumnisse sind nicht neu, aber sie setzen sich fort. Dieser Bereich verfehlt seit Jahren die Klimaziele, doch verbindliche Maßnahmen bleiben aus. Stattdessen ist in den Verhandlungspapieren von "Vereinfachung", "Technologieoffenheit" und "neuen Spielräumen" die Rede. In der Praxis bedeutet das: geringere Standards und weniger Kontrolle.

Besonders deutlich wird dieser Kurs beim Gebäudeenergiegesetz. Während die AG Klima und Energie eine Weiterentwicklung mit sozialer Staffelung, klaren Vorgaben und verlässlicher Förderung vorschlägt, will die AG Bauen das Gesetz abschaffen. In beiden Gruppen war die SPD beteiligt.

Wärmewende braucht Klarheit

Während in der einen Dissens herrscht, gibt es in der anderen Einigkeit. Diesen Widerspruch muss die Koalition auflösen. Fällt das Gebäudeenergiegesetz, fehlt jede Verlässlichkeit für alle, die jetzt investieren oder planen wollen. Wer die Wärmewende ernst nimmt, muss für Klarheit sorgen – mit einem Gesetz, das Orientierung bietet, sozial ausgestaltet ist und den Weg aus fossilen Abhängigkeiten ebnet.

Die SPD hat im Wahlkampf soziale Gerechtigkeit versprochen. Nun muss sie zeigen, dass sie es ernst meint. Das bedeutet: ein klares Bekenntnis zur Wärmegarantie für alle. Klimafreundlich heizen darf kein Privileg für Besserverdienende sein. Es braucht einfache, transparente Förderungen, die Menschen nicht überfordern, sondern ermutigen. Wer mit einer fossilen Heizung in einem unsanierten Altbau lebt, muss Hilfe bekommen – nicht Verachtung oder Stillstand.

Die Forderung, das Heizungsgesetz abzuschaffen, zeigt: Die CDU steht weiterhin für klimapolitische Rückschritte. Wer lieber Autobahnen als Bahnstrecken finanziert, setzt nicht auf eine nachhaltige Zukunft, sondern auf mehr Krise. Dabei hat die Mehrheit der Bevölkerung – auch der CDU-Wähler:innen – längst verstanden: Wir müssen handeln – sozial gerecht, mutig und vor allem jetzt. Die SPD hat es jetzt in der Hand.

Sie entscheidet, ob das Gebäudeenergiegesetz sinnvoll weiterentwickelt oder rückabgewickelt wird. Ob Geld in einen starken ÖPNV fließt oder in die nächste Autobahn. Ob Klimaschutz bezahlbar wird – oder ob weiterhin nur die zahlen, die es sich nicht leisten können, den alten Weg zu verlassen.

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