Krisensitzung, Koalitionsausschuss, regierungsinterne Opposition – zur aktuellen Lage der Ampelkoalition wurde wohl alles gesagt. Nach anderthalb Jahren scheint die regierungsinterne Streitkultur zur Polit-Komödie verkommen zu sein, die nur noch als Witzvorlage für die "heute-show" taugt.
Das Gebäudeenergiegesetz wirkt nun wie die endgültige politische Bankrotterklärung einer Regierung, die sich jederzeit im Wahlkampf zu befinden scheint. Jetzt könnte man es sich leicht machen, sich zurücklehnen und das Fazit ziehen: Fortschrittskoalition gescheitert.
Da gibt es nur ein Problem: Wir können es uns schon aus Zeitgründen nicht leisten, die nächste Wahl abzuwarten, in stiller Hoffnung, es könnte besser werden. Zumal sich die Frage stellt, was überhaupt die Alternative sein soll: Eine CDU geführte Regierung, der wir die politische Sackgasse zu verdanken haben, in der wir uns gerade befinden?
Also doch der Blick zur Ampel: Wie ist sie in dieser Situation gelandet, in der weder in die eine noch die andere Richtung Bewegung möglich zu sein scheint? Es beginnt mit einem Koalitionsvertrag, in dem sich auf die großen und wichtigen Themen geeinigt werden konnte: 1,5-Grad findet man wichtig, soziale Gerechtigkeit klingt auch nicht schlecht und Technologie liegt auch allen am Herzen.
Gleichzeitig hat man es nicht geschafft, die Finanzierung abschließend zu klären – und so der FDP in Form des Finanzministeriums die Einfallstür geöffnet, jedes Projekt später mit der Frage nach der Finanzierung zu blockieren. Klimaschutz, Gerechtigkeit, Kindergrundsicherung? Klingt gut. Ist aber zu teuer.
Bei anderen Themen scheint die FDP erst im Laufe der Legislatur bemerkt zu haben, dass man Dinge ja auch in Olaf-Scholz-Manier einfach vergessen kann: Zum Beispiel Vereinbarungen.
Das Jahr zwischen der Einigung über ein Zulassungsverbot für Verbrenner ab 2035 im Koalitionsvertrag und der Debatte auf EU-Ebene war ja auch wirklich lang. Eine Aufzählung weiterer Beispiele dieser FDP-Strategie könnte vermutlich einen eigenen Text füllen. Noch schlimmer ist allerdings, dass sich die politische Blockade der FDP mit dem Heizungsgesetz auf einer neuen Ebene zu befinden scheint.
Es beginnt mit einem üblichen politischen Prozess: Lindner macht Zusagen im Koalitionsausschuss und die Abgeordneten der Ampel-Parteien erarbeiten gemeinsam einen Fragenkatalog. Alles, was dann folgt, zeigt: Lindner hat keine Kontrolle mehr über seine Partei, die im Versuch, jede klimapolitische Idee der Grünen zu blockieren, durch die Politik taumelt.
Anders kann man sich nicht erklären, warum einige FDP-Abgeordnete selbst die absurdesten Fragen einreichen und diese dann obendrein an die BILD leaken. Es stellt sich heraus, dass die Parteispitze davon nichts wusste – bis sie es dann plötzlich doch tat. Klingt verwirrend – ist es auch. Vermutlich weiß nicht einmal die FDP selbst, was sie gerade tut.
Im Ministerium angekommen seien die Fragen der FDP aber wohl immer noch nicht, im Internet kann man sie inzwischen finden. Vielleicht erwarten die Abgeordneten aber auch, dass das Ministerium einfach mal googelt, Digitalisierung eben.
Diese Masche der FDP ist allerdings nicht die einzige Ursache für die scheinbare Handlungsunfähigkeit der Ampelkoalition. Ähnlich deprimierend ist die politische und strategische Ratlosigkeit, mit der die Grünen dieser FDP-Politik gegenüberstehen. Getrieben von Angst und Überforderung verwässern sie Gesetz um Gesetz und Kompromiss um Kompromiss. Solange, bis kaum noch etwas von den eigentlichen Maßnahmen übrig bleibt.
Die Grünen scheinen noch immer nicht verstanden zu haben, dass der Rest ihrer Regierungskoalition sich längst von den gemeinsamen Spielregeln verabschiedet hat. Es ist, als hätte man sich auf ein gemeinsames Brettspiel geeinigt. Doch während die Grünen noch am Tisch sitzen und spielen, bekommen sie den Fußball aus dem Spiel, dem sich die FDP inzwischen verschrieben hat, mitten ins Gesicht geschossen.
Noch schlimmer als diese absurde Dynamik zwischen FDP und Grünen ist allerdings die Rolle der SPD in der Regierung: daneben stehen, nichts tun und hier und da einstreuen, wie kindisch sich die anderen beiden doch benehmen würden. Als hätte es jemals geholfen, wenn ein Lehrer in einem eskalierenden Streit einwirft, man möge doch bitte gesittet miteinander sprechen und eine Lösung finden.
Das zentrale Problem dieser Regierung ist die mangelnde Führungskompetenz im Kanzleramt. Wer bei Olaf Scholz Führung bestellt, bekommt nur Chaos. Das liegt sowohl an der Person Scholz, als auch an der fehlenden Vision seiner Partei.
Wenn man von außen auf die Partei schaut, bleibt vor allem ein Gefühl hängen: Bequemlichkeit. Es wirkt so, als hätte man eigentlich gar keine Lust zu regieren und schon gar keine Vision und Idee, warum man eigentlich Politik macht.
Was im Kanzleramt passiert, ist keine stille Führung, es ist die absolute Abwesenheit von dem, was Politik letztendlich ausmacht: Meinungen und Werte, über die man kontrovers miteinander diskutiert. Man ist einfach da, im Kanzleramt – blöd gelaufen für die Menschen, denen man Unterstützung und Respekt versprochen hat.
Aus Angst, irgendwem auf die Füße zu treten und bei Wahlen Gegenwind zu bekommen, lässt die SPD die Menschen allein. Vielmehr scheint es der Partei und dem Kanzler egal zu sein, dass sie mit dieser Nicht-Politik das Land vor die Wand fahren.
Die SPD braucht eine Idee, einen Plan, eine Vision, wo es mit dieser SPD-geführten Regierung hingehen soll. Wir befinden uns mitten in der Klimakrise und können uns diese Ignoranz, Überforderung, Bequemlichkeit – was auch immer es am Ende sein mag, nicht mehr leisten.
An ihren Entscheidungen hängen Menschenleben.
Statt sich die ganze Zeit zu sagen, hier- und dafür gäbe es keine Mehrheiten, muss eine Regierungspartei einen Plan haben und die Menschen von ihrer Idee überzeugen, Mehrheiten für die eigene Idee begeistern. Das ist doch der Kern der Demokratie!
Wenn man aber keine Vision hat, für die man werben kann, dann ist es natürlich bequemer, sich den selbstgemachten Sachzwängen zu beugen und sich mit dem Satz "Wir können ja nichts machen" zurückzulehnen.
Keiner weiß, ob der Kanzler und seine Partei denken, sie seien machtlos (wie absurd). Oder ob sie in ihren Ansichten zur Klimapolitik und Gerechtigkeitsfragen inzwischen einfach bei der Union stehen.
Glücklicherweise wissen wir aber, dass wir nicht machtlos sind. Deswegen sind jetzt alle von uns gefragt, die lange überfällige gesellschaftliche und politische Veränderung einzufordern. Die Regierung wird es nicht tun. Also müssen wir es tun – und dafür sind alle Menschen gebraucht.