Zur Finanzierung von mehr Tierwohl in deutschen Ställen schlagen Berater von Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch als bisher vor. Der Normalsatz von 19 Prozent sei grundsätzlich machbar und wegen geringer Verwaltungskosten "vorzugswürdig" gegenüber anderen Finanzierungsmodellen, heißt es in einer Machbarkeitsstudie, die Klöckner am Dienstag vorstellte. Der Bauernverband forderte, die Handlungsempfehlungen zum Wohl der Landwirte "zügig umzusetzen" – Tierschützer wollen stattdessen einen Abbau der Bestände.
Die von Klöckner eingesetzte sogenannte Borchert-Kommission, benannt nach dem früheren Landwirtschaftsminister Jochen Borchert, hatte vor rund einem Jahr eine Fleischsteuer zur Finanzierung des Um- und Neubaus von Ställen vorgeschlagen. Beim höheren Tierwohl geht es unter anderem um den Platz für Tiere, Stallklima und Lichtverhältnisse sowie das Futterangebot.
Seitdem wurde eine Machbarkeitsstudie erstellt, um zu beleuchten, wie genau ein Wandel hin zu mehr Tierwohl finanziert werden kann. "Ein höheres Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif, das muss finanziert werden", sagte dazu Martin Scheele, Professor an der Berliner Humboldt-Universität, der an der Studie beteiligt war. Es sei klar geworden, dass der Impuls dafür aus der Politik kommen müsse.
Die Studie beleuchtet drei "machbare" Varianten der Finanzierung – neben der Erhöhung der Mehrwertsteuer von derzeit sieben Prozent auf 19 Prozent auch die von der Borchert-Kommission favorisierte Verbrauchsteuer auf tierische Produkte. Eine solche Steuer habe zwar den Vorteil, dass sie an Mengen geknüpft sei und nicht an das Produkt, hieß es bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Allerdings sei der Verwaltungs- und Bürokratieaufwand hoch.
Eine erhöhte Mehrwertsteuer brächte nach Berechnungen der Studie jährlich Steuermehreinnahmen von bis zu 6.3 Milliarden Euro. Eine Steuer von zum Beispiel 47 Cent pro Kilogramm Fleisch und zwei Cent pro Kilogramm Milch würde 4.2 Milliarden Euro bringen. Als drittes Instrument halten die Experten auch eine Ergänzungsabgabe des Bundes auf die Einkommensteuer für denkbar, einen "Soli".
Klöckner bezeichnete die Studie als "Rückenwind" für mehr Tierwohl. Nötig sei nun ein "breiter politischer Konsens", daher lade sie alle Beteiligten zu konstruktiven Gesprächen ein. "Keine Partei wird daran vorbeikommen, sich zum Tierwohl zu äußern im Parteiprogramm." Einen konkreten Zeitplan zur Umsetzung der Empfehlungen gab sie nicht.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) dringt auf eine "rasche" und vollständige Umsetzung der Vorschläge. Nötig sei vor allem eine langfristige Zweckbindung. "Das Geld muss dauerhaft dort ankommen, wo mehr Tierwohl entsteht, nämlich beim Landwirt."
Die Umweltorganisation Greenpeace erklärte, es gebe nun "keine Ausreden mehr", die Machbarkeit der Vorschläge der Kommission sei belegt. Klöckner müsse sie noch vor der Bundestagswahl umsetzen. Die Anpassung an den Regelsteuersatz von 19 Prozent sei "überfällig". Der BUND äußerte sich ähnlich – der Umbau sei finanzierbar und es dürfe keine weiteren Verzögerungen geben. Landwirte bräuchten langfristige Planungssicherheit.
Das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie hält dies hingegen für den falschen Ansatz, denn die Situation der Tiere würde "nur minimal" verbessert. Wichtiger sei ein Abbau der Tierbestände, das Geld solle vielmehr in einen "sozial gerechten Ausstieg" fließen.
Auch die FDP hält nichts von einer Steuer auf Fleisch. Mit zusätzlichen Steuern ein Mehr an Tierwohl erreichen zu wollen, sei "schlichtweg Augenwischerei", sagte Fraktionsvize Frank Sitta der Nachrichtenagentur AFP. Es sei "klar", dass Gelder aus einer Fleischsteuer überhaupt nicht zielgerichtet bei den Landwirten im Stall ankommen, "sondern im Staatshaushalt versickern werden".
Der FDP-Fraktionsvize forderte stattdessen eine "echte Tierwohl-Offensive mit einer generellen Anhebung der EU-weiten Tierhaltungsstandards und einem verbindlichen, einfachen und transparenten Tierwohllabel in der gesamten EU". Zudem müssten Landwirte die Möglichkeit bekommen, durch die Abschaffung von unnötigen Hürden im Baurecht ihre Ställe einfacher anpassen zu können.
(lau/afp)