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Pollen als nachhaltiger Rohstoff: Neue Anwendungen in Papier und Medizin

Boy blowing dandelion seeds in a sunny field during summer model released, Symbolfoto, ANAF04736
Hatschi!Bild: imago images/ Westend61
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Forschende machen Pollen formbar und prüfen ihn als Material für Papier

Pollen gelten oft nur als Auslöser von Heuschnupfen. Studien zeigen: Er könnte auch als nachhaltiger Rohstoff für Papier, Medizin und Technik dienen.
21.08.2025, 16:4121.08.2025, 16:41

Die Welt ist voller Stoffe, die im Übermaß vorhanden sind und doch kaum Beachtung finden. Sie lagern sich an, treiben durch die Luft oder setzen sich auf Oberflächen ab. Für die meisten Menschen sind sie unsichtbar oder lästig; etwas, das man wegwischt und vergisst.

Doch in diesem Überfluss steckt ein Potenzial, das bislang kaum genutzt wird. Allmählich rücken auch solche Stoffe in den Blick der Forschung: Partikel, die bislang kaum eine Rolle spielten, deren Eigenschaften aber neue Anwendungen ermöglichen könnten.

Pollen können durch basische Lösung formbar gemacht werden

Der Materialwissenschaftler Nam-Joon Cho an der Nanyang Technological University in Singapur arbeitet etwa seit mehr als zehn Jahren mit Pollen. Was für Allergiker:innen ein Quell des Leidens ist, betrachtet er als Rohstoff: widerstandsfähig, massenhaft vorhanden, von der Natur großzügig verteilt.

"Viele Menschen denken bei Pollen, wenn er nicht gerade Pflanzen befruchtet oder Insekten ernährt, an nutzlosen Staub. Aber er hat wertvolle Anwendungsmöglichkeiten, wenn man weiß, wie man mit ihm arbeitet", sagt Cho dem Technik-Fachmedium "Ars Technica".

Pollen sind von einer extrem widerstandsfähigen Schicht umgeben. Sie besteht aus Sporopollenin, einem natürlichen Biopolymer, das selbst Hitze, Säure oder Bakterien kaum angreifen können. Für die Forschung war das lange ein Hindernis.

Einen Durchbruch erzielte Chos Team 2020: Legte man die Körner in eine basische Lösung, wurden sie weich und formbar. "Das entstehende Pollenmaterial ist so geschmeidig wie Knetmasse", sagt Shahrudin Ibrahim, wissenschaftlicher Mitarbeiter, der an der Entwicklung der Technik mitgewirkt hat.

Daraus entsteht unter anderem Papier, das bedruckbar ist und sich später durch einen simplen Waschgang wiederverwenden lässt. Auch dünne Filme oder poröse Schwämme lassen sich gewinnen, nutzbar in der Medizin, für Sensoren oder zum Aufsaugen von Öl.

Sonnenblumen- und Kamillenpollen als Biomaterial

Nicht nur in Singapur werden Pollen erforscht. In Spanien sieht die Nanotechnologin Noemi Csaba Möglichkeiten, Medikamente mithilfe von Pollenschalen gezielt in den Körper zu bringen. "Ich finde es ein bisschen überraschend", sagt sie. "Pollen sind ein sehr, sehr interessantes Biomaterial."

Die Idee: leere Schalen als Transporthülle für empfindliche Wirkstoffe. Noch ist es ein fernes Ziel, doch das Prinzip könnte künftig Therapien für Augen, Lunge oder Magen ermöglichen.

Die Forschenden arbeiten vor allem mit Sonnenblumen- und Kamelienpollen, die günstig in großen Mengen erhältlich sind. Ein einzelner Sonnenblumenkorb produziert zwischen 25.000 und 67.000 Körner im Sommer. "Wir zerstören die Pflanze nicht", betont der wissenschaftliche Mitarbeiter Ibrahim. "Wir zerstören nicht einmal die Blüten."

Gerade das unterscheidet Pollen von vielen anderen Biomaterialien wie Chitosan oder Zellulose, für die Krustentiere oder Bäume geopfert werden müssen. Was die Natur ohnehin im Übermaß bereitstellt, könnte so zum Symbol einer weniger zerstörerischen Materialwirtschaft werden.

Bis Produkte aus Pollen in großem Maßstab auf den Markt kommen, wird es dauern. Noch steht die Forschung am Anfang, noch sind viele Fragen offen.

Doch der Perspektivwechsel ist bemerkenswert: Was lange als lästiger Auslöser von Heuschnupfen galt, wird plötzlich als Ressource sichtbar.

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