Wer mit dem Zug ins Ausland reist, braucht Zeit. Mit drei Tagen Extra-Urlaub lässt sich das aber verschmerzen.Bild: iStockphoto / structuresxx
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11.06.2020, 12:3528.09.2020, 12:45
Flanieren durch den Park Güell, Tapas essen auf La Rambla oder Baden am Strand: Urlaub in Barcelona hat einiges zu bieten. Und all das ist mit dem Flugzeug weniger als drei Stunden von Berlin entfernt. Der Trip in den Süden würde allerdings auch eine Menge CO2 in die Atmosphäre pusten: Ganze 870 Kilogramm CO2 fallen für den Flug auf dieser Stecke an. Da kann sich – völlig zurecht – das schlechte Gewissen melden.
Mit dem Zug wäre der Trip in den Süden wesentlich umweltfreundlicher, nur 50 Kilo CO2 entstehen dabei. Allerdings wäre die Fahrt mit der Bahn deutlich länger. 31 Stunden ist man von Berlin aus auf den Schienen, bis man die Sagrada Familia erblickt. Die Anreise frisst also mehr als zwei Urlaubstage – und so steigen wir am Ende oft doch wieder in den Flieger.
Dass es auch anders geht, zeigt die Berliner Frauengenossenschaft Weiberwirtschaft, die Gründerinnen und Unternehmerinnen unterstützt. Mitarbeiterinnen, die während des gesamten Jahres aufs Fliegen verzichten, bekommen dort drei zusätzliche Urlaubstage gutgeschrieben – die sie dann für die längere Anreise per Bus oder Bahn nutzen können. Geschäftsführerin Katja von der Bey berichtet im Interview mit watson, wie das Projekt ankommt und welche Tücken eine Bahnfahrt quer durch Europa hat.
watson: Vor einem Jahr haben Sie beschlossen, Ihren Mitarbeiterinnen drei Tage Sonderurlaub zu genehmigen, wenn diese dafür auf Flugreisen verzichten. Wie kam es dazu?
Katja von der Bey: Wir waren dem Thema Nachhaltigkeit schon immer verbunden und haben im Unternehmen überlegt, welche Maßnahmen wir umsetzen können. Besonders Flugscham hat uns schon vor Greta beschäftigt, auch wenn es damals noch kein Wort dafür gab. Wir haben uns gefragt: Woran liegt es eigentlich, dass die Menschen fast immer mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen? Wir sind dann schnell auf den Zeitfaktor gekommen: Mit dem Zug oder Bus dauert es eben länger, nach Italien oder Spanien zu fahren. Also dachten wir, wir geben den Mitarbeiterinnen, die zwölf Monate nicht fliegen, drei Tage Extraurlaub und schauen was passiert.
Was ist denn passiert? Wie viele Mitarbeiterinnen haben den Extraurlaub in Anspruch genommen?
Wir hatten im vergangenen Jahr sieben Mitarbeiterinnen und fünf von ihnen haben sich für den Flugverzicht und den Sonderurlaub entschieden. Jede einzelne von ihnen wurde darauf angesprochen, weil wir die Idee in der Öffentlichkeit gestreut haben und das Medieninteresse enorm war. Wir dachten, dass es uns andere Unternehmen vielleicht nachmachen könnten, wenn wir die Idee verbreiten.
Kunsthistorikerin und Fundraising Managerin Katja von der Bey ist die Geschäftsführerin der Weiberwirtschaft.bild: Anke Großklaß
Und – gibt es Nachahmer?
Ich habe von einigen kleineren Unternehmen gehört, die sich auch dazu entschieden haben. Bei größeren Unternehmen ist es allerdings nicht so einfach, weil diese häufig an Tarifverträge gebunden sind. Wir hätten uns gewünscht, dass das Thema richtig groß wird, aber das ist bisher nicht passiert. Am Ende war die Diskussion das wichtigste.
Ihre Kolleginnen haben ihre Reisepläne aber angepasst. Wie ist es denen denn ergangen so ganz ohne Flugzeug?
Viele von ihnen waren schon vorher eng mit dem Gedanken verbunden, nicht zu viel fliegen zu wollen. Eine Kollegin hat die Aktion dann im vergangenen Jahr zum Anlass genommen, mit dem Zug nach Rom zu fahren. Das war wohl ein echtes Abenteuer, weil die Infrastruktur gar nicht mehr dafür ausgelegt ist, eine solche Reise mit dem Zug zu unternehmen. Eine andere Kollegin wollte nach Spanien und hat Züge dorthin recherchiert. Das war von der Verbindung aber so kompliziert, dass sie am Ende ein ganz anderes Reiseziel gewählt hat, das einfacher zu erreichen war.
Wo liegt das Problem bei den Zugverbindungen?
Innerhalb von Deutschland braucht niemand ins Flugzeug steigen, da gibt es genug alternative Verbindungen, da sind wir uns einig. Aber Zubringerzüge vor allem nach Südeuropa sind nicht mehr so gut wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Als ich zur Schule gegangen bin, ging auch eine Klassenreise nach Rom – damals wäre es uns gar nicht der Gedanke gekommen, zu fliegen. Man stieg in den Zug, musste einmal in München umsteigen, und schon war man da. Heute ist das anders. Es gibt weniger Fernzüge und die Nachtzüge wurden abgeschafft. Eigentlich müsste man deswegen mal der Deutschen Bahn schreiben.
Überprüfen Sie, ob die Kolleginnen tatsächlich in den Zug statt ins Flugzeug steigen?
Wir sind bei uns im Unternehmen so wenige und alle erzählen von ihren Reisen – da kann man kaum schummeln. Wir werden oft gefragt, ob wir da Vertrauen haben, und für uns ist die Antwort ein klares Ja. Bei großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern müsste man aber vielleicht eine Zusatzvereinbarung treffen.
In Ihrem Unternehmen scheint das Konzept jedenfalls zu funktionieren. Gibt es dann auch weiterhin Extraurlaub bei Flugverzicht?
Ja, das Projekt läuft weiter. Es sind keine Änderungen geplant. Wer zwölf Monate nicht geflogen ist, darf weiterhin drei Tage mehr Urlaub beantragen.
Und wohin geht es für Sie dann in diesem Jahr in den Urlaub?
Wegen der Corona-Pandemie wahrscheinlich nirgendwo hin. Eigentlich hatte ich aber geplant, mit dem Zug nach Südfrankreich zu fahren. Das erreicht man übrigens sehr gut: Die Verbindung nach Paris ist gut und von dort geht es super schnell weiter mit dem TGV.
Privatjet zu fliegen, gehört zu den größten Klimasünden, die einzelne verursachen können. Es ist bekannt, dass Flugreisen einen großen Beitrag zum CO₂-Ausstoß leisten. Doch wer sich für einen Privatjet entscheidet, verursacht im Schnitt zehnmal mehr Kohlenstoffdioxid als mit einem Linienflug. Verglichen mit einer Zugfahrt liegt der Wert sogar 50-mal höher.