Im kommenden Jahr sollen die ersten Schokoladenprodukte ohne Kakao auf den Markt kommen. Das Start-up "Planet A Foods" hat einen Kakao-Ersatz entwickelt, mit dem im zweiten Quartal 2023 auch Verbraucher:innen endlich die nachhaltigeren Schokoprodukte probieren können.
Das Münchener Start-up der Geschwister Max und Sara Marquart möchte das gefährdete Kakaovorkommen bewahren und eine nachhaltigere Schokolade herstellen. Mithilfe von Präzisionsfermentation, einem biotechnischen Produktionsverfahren, wollen sie aus Nebenprodukten der Lebensmittelherstellung, zum Beispiel der Hafermilchproduktion, Schokolade herstellen.
Durch die Zugabe von Mikroorganismen wird der Fermentationsprozess in Gang gesetzt. Die fermentierte Masse wird anschließend geröstet und zu Schokolade verarbeitet. Während sie die perfekte Rezeptur suchten, entdeckten die Gründerin und ihr Bruder, dass der charakteristische Schokoladengeschmack wenig mit der Kakao-Bohne zu tun hat, sondern im Prozess der Fermentation und Röstung die eigentlichen Aromen entstehen. Im Interview mit dem "Focus" sagt Max Marquart:
Der Unternehmer und die Lebensmittelchemikerin wollen mit ihrer Verfahrensweise die prekäre Situation rund um die Wertschöpfungskette der Kakaobohne verbessern und eine zukunftssichere Schokolade produzieren. Schokolade sei dabei nur der erste Schritt des Unternehmens, an Alternativen für Kakaobutter und Palmöl wird schon gearbeitet.
Die Wertschöpfungskette von der Kakaobohne zur Schokolade ist problematisch. Besonders die Kinderarbeit auf Plantagen, die klimaschädlichen Monokulturen, in denen angebaut wird, und die Abhängigkeiten, denen die Farmer sich unterwerfen müssen, erfordern eine nachhaltigere Alternative.
Für unsere Lieblingsnascherei werden große Flächen Regenwald gerodet, um dann riesige Kakaoplantagen anzulegen. In Ländern wie der Elfenbeinküste kommt es so dazu, dass in einigen Regionen bis zu 90 Prozent der Wälder zu Kakao-Monokulturen werden. Diese stellen eine Bedrohung für die biologische Vielfalt dar.
Entlang der Wertschöpfungskette entstehen zudem große Mengen Treibhausgasemissionen. Von der landwirtschaftlichen Produktion, über die Verarbeitung der Kakaobohnen, die Verpackung und Lagerung, bis zum Transport und Handel.
Die Kakaopflanze ist eine sehr anspruchsvolle Pflanze, sie wächst nur in wenigen Ländern, nah am Äquator sind die Bedingungen am besten. Die Elfenbeinküsten, Ghana oder auch Indonesien gehören zu den Anbaugebieten. Kakao gehört zu den Produkten mit dem größten Wasser-Fußabdruck.
Um 100 Gramm Schokolade herzustellen, braucht es im Durchschnitt 1.700 Liter Wasser, das sind elf Badewannen. Auch ist die Kakaobohne nicht sehr ertragreich, allein für eine Tafel Schokolade benötigt man in der Herstellung circa 90 Kakaobohnen.
Wenn Schokoladenprodukte aus Kakao-Ersatz sich etablieren würden, könnte das Produkt Schokolade seinen CO2-Fußabdruck um 90 Prozent verringern, allein dadurch, dass Monokulturen vermieden und Transportwege entfallen würden. Schokolade könnte sogar günstiger werden.
Kritiker hinterfragen, was dann mit den Farmern der Kakaoplantagen passieren würde. Würde das in den Anbauländern des Kakaos vielen Familien nicht die Existenzgrundlage entziehen? Max Marquart argumentiert, dass Schokoladenprodukte aus echtem Kakao dann zu einem Luxusprodukt werden könnten. Durch die Entwicklung zum Luxusprodukt wäre seiner Ansicht nach der Vorteil, dass Kakaoanbau dann sozialer und nachhaltiger werden würde.
(sp)