COP in Belém: Diese Länder bremsen den Klimaschutz laut Jennifer Morgan
Jennifer Morgan gilt als eine der weltweit führenden Klimaverhandler:innen, in der Ampelregierung war sie Staatssekretärin und Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik. Nun ist zur COP30 nach Belém gereist, um dort an einem "positiven" Ergebnis für den Klimaschutz mitzuwirken.
Mittlerweile arbeitet Morgan als Senior Fellow an der Fletcher School der Tufts University. Zwischen offiziellen Verhandlungsräumen und informellen Hintergrundgesprächen unterstützt sie Regierungen dabei, gemeinsame Fortschritte möglich zu machen.
watson: Wie sieht es hinter den Kulissen der diesjährigen COP aus, Frau Morgan?
Jennifer Morgan: Es ist ein bisschen chaotisch. Aber im Prinzip funktioniert es so: Die Brasilianer, die die Präsidentschaft innehaben, haben verschiedene Texte veröffentlicht. Diese Texte sind mit allen Ländern verhandelt worden. Und dann muss die Präsidentschaft probieren, einen Kompromisstext auf den Tisch zu legen. Jeden Tag gibt es verschiedene Arbeitsgruppen, die zusammensitzen und an verschiedenen Themen wie Anpassung, Finanzierung und Just Transition verhandeln. Ich treffe mich außerdem mit verschiedenen Minister:innen weltweiter Regierungen, um ihre jeweiligen Prioritäten zu verstehen. Viele Gespräche also, auf allen Ebenen, mit allen möglichen Akteur:innen.
Sie haben vor der COP gesagt, dass alle Länder mehr Klimaschutz machen sollten. Wer schreitet denn mit positivem Beispiel voran?
Wir sehen hier bei der Abkehr von fossilen Energien und der Verdreifachung von Erneuerbaren ganz viel Bewegung. Es gibt eine Koalition von Inselstaaten, lateinamerikanischen Ländern und Großbritannien, die zusammenkommen und eine Roadmap fordern, um den Prozess zu beschleunigen. Diese Länder sind sehr fortschrittlich und möchten das vorantreiben.
Wie sieht es bei anderen Themen aus?
Es gibt auch eine Gruppe von afrikanischen Ländern und Least Developed Countries, denen die Finanzierung für Klimaanpassung wichtig ist. Sie wollen sicher sein, dass es mehr Geld gibt, um ihre Resilienz aufzubauen. Es gibt außerdem Länder, die ambitionierte Ziele beschließen wollen, um die Lücken der nationalen Klimapläne zu schließen. Sie wollen für das 1,5-Grad-Ziel kämpfen. Aber dann gibt es Länder, die sind nervöser. Sie wollen nicht so viel Aufmerksamkeit für den Klimaschutz und sind vor allem Bremser in den Verhandlungen.
Welche Länder sind das?
Die arabische Gruppe ist sehr zurückhaltend, auch Indien und China. Wenn es um die Finanzierungsfrage geht, sind aber auch die großen Industriestaaten sehr vorsichtig.
Wie nehmen Sie die Rolle Deutschlands wahr?
Deutschland ist hier sehr aktiv mit Staatssekretär Flasbarth und Minister Schneider. Sie haben klargemacht, dass sie diese Roadmap zum Ende der Fossilen unterstützen. Gestern haben sie eine Finanzierung für den Anpassungsfonds vorgeschlagen. Sie spielen eine positive Rolle und arbeiten sehr eng mit anderen Ländern zusammen, um zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Wie stehen Sie zu den Forderungen der Proteste rund um die COP? Dort gibt es systemische Fragen, unter anderem wird ein Ende der kapitalistischen Produktion als Hauptursache der Klimakrise gefordert.
Ich möchte erst mal betonen, wie wichtig und ausgezeichnet das ist, dass wir jetzt eine COP haben, in der die indigene Bevölkerung und die Zivilgesellschaft, also lokale Gruppen, aktiv sind. Die großen Demos und das Sit-In waren wichtig. Ihre Stimmen kommen hier an. Vor allem, nachdem es in den Gastgeberländern der drei vergangenen COPs sehr schwierig für die Zivilgesellschaft war, zu protestieren. Die COP ist aber eher eine Verhandlung über spezifische Vorschläge, als über das gesamte kapitalistische System. Trotzdem ist das natürlich ein sehr wichtiger Kritikpunkt.
Aber was nützt die COP noch, wenn die Beschlüsse sowieso nicht eingehalten werden?
Seit dem Pariser Klimaabkommen haben sich viele Dinge geändert. Die erneuerbaren Energien, die Verkehrswende – vieles bewegt sich in die richtige Richtung. Aber gerade gibt es eine Defensive. Vor allem fossile Unternehmen versuchen, diesen Boom zu stoppen. Dabei haben wir nur eine gute Basis für den Klimaschutz, aber noch lange nicht genug. Wir brauchen schnellere und größere Reaktionen auf den Klimawandel. Ein Teil davon ist die COP. Es ist der einzige Ort, an dem die verletzlichsten Länder einen Platz am Verhandlungstisch haben. Ohne dieses Forum hätten wir viele Fortschritte nicht gemacht.
Mit wie viel Optimismus blicken Sie auf die COP?
Ich bin immer noch optimistisch, dass sie einen positiven Beitrag leisten kann. Aber es ist eben nur ein Teil eines ganzen Netzes an Institutionen, die liefern müssen. Wir brauchen nationale Regierungen, die ambitionierte Gesetze planen. Wir brauchen Unternehmen, die vorangehen. Wir brauchen Bewegungen, die Druck machen.
Wofür?
Wir müssen versuchen, das gesamte Energiesystem und die ökonomischen Bedingungen in unserer Welt in einer sehr kurzen Zeit komplett zu verändern. Und jeder kleine Schritt vorwärts, jedes Zehntel Grad Temperaturerhöhung, das wir einsparen, ist ein Erfolg. Man sollte nicht unterschätzen, wie wichtig die COP für Multilateralismus, Gerechtigkeit und Klimaschutz ist. Denn wir müssen das Zeichen setzen, dass wir hier gute Entscheidungen hinbekommen in einer sehr schwierigen geopolitischen Zeit. Besonders jetzt, wo wir sehen, was für eine aktiv negative, ja destruktive Rolle die Trump-Regierung spielt.
