Nachhaltigkeit
Interview

Sonnenenergie im Berchtesgadener Land: Vorreiter der erneuerbaren Energien

Mit dem Solaratlas im Berchtesgadener Land soll die eigene Solaranlage leicht selbst geplant werden können.
Mit dem Solaratlas im Berchtesgadener Land soll die eigene Solaranlage leicht selbst geplant werden können.Bild: picture alliance / Wagner | Ulrich Wagner
Interview

Wie das Berchtesgadener Land zum Vorreiter für erneuerbare Energien wird

21.07.2022, 12:48
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Die Bundesregierung hat die Energiewende schon vor einiger Zeit verkündet. Gehandelt wurde jedoch, wie so oft, zu wenig. Stattdessen laufen aufgrund der Ukraine-Krise und Gasknappheit Diskussionen über verlängerte Laufzeiten von Kohle- und Atomkraftwerken.

Im Berchtesgadener Land dagegen arbeitet man schon lange an der Energiewende. Bei der Solarenergie hat der Landkreis bereits 25 Prozent erreicht – bei einem Bundesdurchschnitt von 15,6 Prozent.

Vielleicht, weil der Landkreis direkt am Puls der Klimaerwärmung liegt: Denn im Berchtesgadener Land befinden sich zwei der insgesamt fünf Gletscher in Deutschland, der Blaueis- und der Watzmanngletscher. Und sie schmelzen, drastisch und unaufhaltsam. Bald schon werden sie ganz verschwunden sein.

Direkt im Bergkessel gelegen, ist der Landkreis auch Wetterextremen besonders ausgesetzt: Während in einem Jahr bis zu fünf Meter Schnee fallen, gibt es im nächsten, wie beispielsweise 2021, verheerende Überflutungen, die gar die historische Rodelbahn zerstörten.

Watson hat mit Manuel Münch, dem Klimaschutzmanager im Berchtesgadener Land, darüber gesprochen, wie er es geschafft hat, die erneuerbaren Energien so voranzutreiben.

Manuel Münch ist Klimaschutzmanager im Berchtesgadener Land.
Manuel Münch ist Klimaschutzmanager im Berchtesgadener Land.bild: privat

Watson: Herr Münch, das Berchtesgadener Land nimmt im bundesweiten Vergleich eine Vorreiterrolle in Sachen Energiewende ein: Wie haben Sie das so schnell geschafft?

Manuel Münch: Zumindest freuen wir uns, wenn Außenstehende das so betrachten, dass wir eine Vorreiterrolle einnehmen. Es wurde ja schon sehr früh bei uns im Kreistag ein politisches Bekenntnis in Sachen Klimaschutz gefasst. Im Jahr 2001 hat der Kreistag den Beschluss gefasst, die Energieversorgung im Landkreis bis 2030 weitestgehend auf regenerative Energien umzustellen. Das Ganze wurde konkretisiert mit dem Klimaschutzkonzept im Jahr 2013. Seitdem arbeiten wir konsequent an der Umsetzung dieses Konzepts.

Wie sieht diese Umsetzung aus?

Wir haben eine Energieagentur auf den Weg gebracht: Eine zentrale Anlaufstelle für die Bürgerinnen und Bürger in Sachen Energie. Dadurch konnten wir ein kostenfreies und neutrales Beratungsangebot flächendeckend aufbauen, das sehr gut angenommen wird. Gerade in der jüngsten Zeit wird das natürlich sehr stark nachgefragt. Und dann haben wir – um die Themen Energie und Klimaschutz nicht nur auf Landkreis-Ebene zu behandeln, sondern auch auf der Gemeindeebene – sogenannte Energienutzungspläne entwickelt. Das sind Leitfäden oder Instrumente für eine nachhaltige Energieerzeugung in den Gemeinden selbst. Die sind für alle 15 Gemeinden erarbeitet worden. Und wir haben damals schon viel Wert darauf gelegt, dass das komplett digital und gebäudescharf erfolgt.

"Dadurch kann man die Energieberatung auf eine ganz andere Basis stellen."

Was kann man sich unter diesen Energienutzungsplänen vorstellen?

In den Energienutzungsplänen sind alle, also rund 30.000 Gebäude im Landkreis, mit aufgenommen worden. Dort ist der Wärmebedarf jedes einzelnen Gebäudes berechnet worden, die Potenziale für die erneuerbaren Energien und die Dachflächen wurden simuliert, um herauszufinden, welche konkreten Möglichkeiten zur Solar- oder Photovoltaik-Nutzung bestehen. Welche Möglichkeiten gibt es zum Beispiel auch am Grundstück, um oberflächennahe Geothermie zu verwenden? Diese digitale Erfassung soll kein rein kommunales Instrument sein, sondern wirklich bei dem Bürger ankommen und für jeden Nutzen mitbringen. Daher haben wir die Verbindung zur Energieberatung geschaffen.

Inwiefern?

Die Energieberater der Energieagentur setzen dieses Tool jetzt ein. Sie können zum Beispiel mit Gebäudesteckbriefen gleich darauf hinweisen, welche Potenziale es genau am eigenen Gebäude gibt. Dadurch kann man die Energieberatung auf eine ganz andere Basis stellen, als wenn man von Null anfängt und erst einmal die Pläne zusammensucht und anhand von Luftbildern abschätzen muss, was möglich wäre oder nicht.

Lohnen sich Solaranlagen auf dem Dach denn überhaupt für alle Ortschaften einer Bergregion? Gewisse Orte bekommen ja doch nicht so viel Sonne ab.

Das Argument wird öfter gebracht. Auch von Anwohnern wird mir berichtet: 'Ich habe drei Monate im Winter keine Sonne.' Aber: Im Winter sind die Tage, also auch die Sonnenstunden, sowieso schon kürzer. Von der Einstrahlung her macht das jetzt nicht das Gros des Ertrages über das Jahr hinweg gesehen aus. Und wenn noch Schnee auf dem Dach liegt, dann ist es ohnehin egal, ob das Dach verschattet ist oder nicht, weil dann ohnehin kein Strom produziert werden würde. Drei Viertel des Stromertrags wird in den Sommermonaten gewonnen. Das können die Bürger selbst anhand der Solar-Simulation sehen.

"Wir stellen unseren Solaratlas allen Bürgerinnen und Bürgern komplett frei zur Verfügung, damit sie selbst ihre Anlagen konfigurieren können."

Solar-Simulation? Das klingt spannend. Was ist das?

Wir stellen unseren Solaratlas allen Bürgerinnen und Bürgern komplett frei zur Verfügung, damit sie selbst ihre Anlagen konfigurieren können. Für viele ist dann doch überraschend, dass über ein Jahr hinweg die Einstrahlung gar nicht so schlecht ist, wie man erstmal denken würde. Und dass die Verschattung gar keinen so großen Anteil ausmacht. Klar gibt es Einzelfälle, wo eine Solaranlage dann wirklich unwirtschaftlich ist und weniger Sinn macht, aber im Großen und Ganzen ist es trotzdem sinnvoll.

Die eigene Solaranlage auf dem Dach zu planen, soll der Solaratlas erleichtern.
Die eigene Solaranlage auf dem Dach zu planen, soll der Solaratlas erleichtern.Bild: getty images / Siri Stafford

Wie sieht es denn, abgesehen von der Solarkraft, mit der Wasserkraft aus? Wie groß ist der Anteil in Berchtesgaden?

Im ganzen Landkreis wird rund ein Viertel des kompletten Strombedarfs aus Wasserkraft gedeckt. Insgesamt 75 Wasserkraftanlagen tragen hierzu bei.

"Im Bereich der Wärme decken erneuerbare Energien aktuell rund 24 Prozent des gesamten Wärmeverbrauchs. Das ist fast doppelt so hoch wie der bundesdeutsche Schnitt."

Gibt es schon konkrete Pläne, wie es jetzt weitergeht mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien im Berchtesgadener Land?

Ausbaupotenzial haben wir beim Strom vor allem in der Photovoltaik und im Bereich der Wasserkraft. Im Bereich der Wärme decken erneuerbare Energien aktuell rund 24 Prozent des gesamten Wärmeverbrauchs. Das sieht auf den ersten Blick relativ gering aus, ist aber fast doppelt so hoch wie der bundesdeutsche Schnitt. Hier haben wir gerade im Bereich der erneuerbaren Fernwärme noch deutliches Potenzial. Aktuell gibt es auch viele Fernwärme-Projekte, die gerade im Ausbau oder im Entstehen sind.

Haben andere Landkreise bei Ihnen angefragt, ob Sie Ihre Technologie übernehmen können?

Digitale Solarkataster sind bereits in vielen Regionen verbreitet. Die flächendeckende modulscharfe Kartendarstellung aus unserem Solaratlas gibt es in dieser Form nicht so oft. Da haben wir mit der Datengrundlage eine gute Ausgangsbasis, denn man hat innerhalb von ein paar Sekunden die Auswertung. Wir erhalten regelmäßig Anfragen zu den Energienutzungsplänen insgesamt und insbesondere zu den gebäudescharfen Steckbriefen, die wir in der Energieberatung einsetzen. Hier werden mithilfe von ein paar Klicks die ganzen Informationen zusammengetragen, die wir aus den digitalen Energienutzungsplänen aktualisiert in einer PDF-Datei für den Eigentümer zusammengefasst haben. Darum beneiden uns schon viele Regionen und Kommunen.

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