Nachhaltigkeit
Interview

Klimakrise: Wie wir durch Klimaanpassung (über)leben können

Die Folgen der Klimakrise sind längst da. Wir wir uns dafür wappnen können, weiß Milena Glimbovski.
Die Folgen der Klimakrise sind längst da. Wir wir uns dafür wappnen können, weiß Milena Glimbovski. bild: hans scherhaufer
Interview

Klimaanpassung: Wie können wir in der Klimakatastrophe (über)leben?

04.06.2023, 13:18
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Milena Glimbovski ist Autorin, Gründerin des ersten Unverpackt-Ladens in Deutschland und Vorreiterin in Sachen nachhaltiges Leben.

Die 33-Jährige spricht mit uns über ihr neues Buch "Über Leben in der Klimakrise: Warum wir jetzt über Klimaanpassung sprechen müssen", über Klima-Angst und Klima-Resilienz.

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Watson: Milena, das Buch ist deinem Sohn gewidmet. Redest du mit ihm über die Klimakrise?

Milena Glimbovksi:
Ich habe mit ihm über die Biodiversität geredet, aber ich hätte nicht dem Kind sagen sollen, dass alles aussterben wird, weil er das Wort Aussterben von den Dinosauriern kennt. Da hat er mich gefragt: "Sterben wir jetzt alle aus?" Es hat ihm ein bisschen Angst gemacht. Es ist schwierig, darüber kindgerecht zu sprechen. Es gibt aber wirklich gute Bücher, an denen man sich entlanghangeln kann und ich habe versucht, ihm die Klimakrise und den Treibhauseffekt ganz einfach zu erklären. Nicht, um ihm Angst zu machen vor der Zukunft, sondern um ihm meinen Beruf greifbar zu machen.

Was tust du gegen Klimaangst?

Der erste Trick ist, den Medienkonsum etwas runterzuschrauben, ohne ignorant zu werden. Man sollte nicht jeden Artikel zur Klimakrise lesen. Ich versuche das nur einmal am Tag zu machen, weil mich das psychisch richtig fertiggemacht hat. Es lähmt mich, anstatt mich zu motivieren. Auch Aktivismus hilft gegen Klima-Angst. Wenn man nicht alleine ist, sondern sich unter Gleichgesinnten austauscht und einfach ins Tun kommt, entkommt man dieser Lähmung.

Hast du deshalb das Buch geschrieben?

Ich sehe einfach, wie naiv wir da rein rennen – klimaschutztechnisch und anpassungstechnisch sind wir null vorbereitet auf das, was kommt. Mit dem Buch wollte ich verstehen: Was liegt konkret vor uns in den nächsten fünf bis 15 Jahren? Ich weiß jetzt, wie man darauf reagieren sollte, strukturell und privat. Und ich hoffe sehr, dass es einigen Leuten hilft.

Wie werden wir die Klimakrise in Deutschland spüren?

Die meisten unterschätzen die Trinkwasserversorgung. Die ist für uns so selbstverständlich. Wasser hat eine gute Qualität, kommt einfach aus dem Hahn und ist billig. Aber auch in Deutschland sinken die Grundwasserspiegel jedes Jahr extrem. Das Trinkwasser hat Auswirkungen auf die Landwirtschaft, die Wirtschaft und die Energieversorgung. Das Problem ist nicht der Verbrauch von Privatpersonen, sondern das Kühlwasser von Kraftwerken, da erwarten uns starke Wasserverteilungskämpfe und Klagen. Das wird ein großes Problem sein, das in den nächsten fünf bis zehn Jahren auf uns zukommt – vielleicht auch schon diesen Sommer.

Was noch?

Das Zweite, was wir schon 2021 mit der Ahrtalflut erlebt haben, ist die Hochwasser- und Starkregengefahr in Deutschland. Das wird durch die Klimakrise häufiger und extremer auftreten. Es gibt viel Bauland, obwohl dort eindeutig Hochwassergefahr ist und die Leute wissen es gar nicht. Das ist eine Hausaufgabe, die jeder sofort machen kann: Nach einer Starkregengefahren- oder Hochwassergefahren-Karte googeln und schauen, ob die eigene Straße oder Stadt in dieser Zone liegt. Wenn man in so einer Zone liegt, hat man als Bürger:in auch gewisse Pflichten. Man kann nicht sagen: Ich verlass mich darauf, dass ich gerettet werde und immer die Regierung für alles aufkommt, sondern ich habe eine Versicherungspflicht.

"Prepping ist nicht nur etwas für rechte Prepper in ihrem Keller mit ihren Waffen, sondern es ist etwas total Soziales."

Was wäre dafür eine Klimaanpassung?

Klimaanpassung bedeutet, wir passen uns an die Klimaentwicklung an – soweit es geht. Damit können wir Menschenleben retten. Es geht nicht nur darum, dass wir unseren Wohlstand sichern und weiter gewisse Sicherheiten genießen. In Italien sind bei den krassen Fluten viele Leute gestorben und man hätte Präventionsmaßnahmen treffen können. Das Geld dafür war vorhanden. Aber Projekte der Klimaanpassung dauern zum Teil lange.

Wie bereitest du dich persönlich auf solche Situationen vor?

Ich bin solidarische Prepperin, so wie die Bundesregierung es empfiehlt. Ich habe Vorräte für zwei Wochen zu Hause, wenn irgendwas passieren sollte. Ich habe einen 20-Liter-Trinkwasserkanister, Campingzeug, einen Gaskocher, Batterien und Kerzen. Das sollte jeder Mensch mit durchschnittlichem Einkommen zu Hause haben. Denn es gibt auch Menschen, die sich so einen Vorrat finanziell nicht leisten können. Alte, kranke oder finanziell schwache Menschen werden als erstes angewiesen sein auf die Hilfe ihrer Nachbarn, Freunde und die Infrastruktur der Regierung. Bis zu 72 Stunden brauchen Institutionen wie das Technische Hilfswerk, um im Krisenfall alles einzurichten. Das sind die kritischen Stunden, die man sich selber versorgen muss.

Milena Glimbovksi hat ein Ferienhaus in Schweden - und muss damit keine Angst vor Wasserknappheit haben.
Milena Glimbovksi hat ein Ferienhaus in Schweden - und muss damit keine Angst vor Wasserknappheit haben. bild: Hans scherhaufer

Also sollte Prepping ganz normal werden?

Das ist nicht nur etwas für rechte Prepper in ihrem Keller mit ihren Waffen, sondern etwas total Soziales. Wenn ich Lebensmittel habe, kann ich mit meinen Nachbarn teilen. Was auch zum solidarischen Preppen gehört, ist die Vernetzung mit seinen Nachbar:innen. Früher war es üblicher, dass man sich gegenseitig geholfen hat. Dass das wieder zurückkommt, ist eine schöne Idee. Und es gehört zur Klimaanpassung dazu.

Was wäre deiner Meinung nach die wichtigste politische Klimaanpassung?

Es gibt zwei Maßnahmen, die uns alle retten. Die eine ist die Renaturierung: Wir müssen Flüsse oder Wälder wieder in ihren Ursprungszustand versetzen. So kann sich bei Regen das Wasser in der Fläche verbreiten und versickern und schießt nicht im schnellen Strahl in die nächste Stadt rein. So können wir Hochwasser vermeiden und auch unseren Grundwasserspiegel verbessern. Das zweite ist: Wir sollten komplett auf erneuerbare Energien und Speicher-Kraftwerke setzen. Kohle- und Gaskraftwerke sind null resilient, beim heißerem Wetter muss man die abschalten. Das ist bei Solar- und Windkraft nicht der Fall, die laufen bei Sturm, Dürre und Hitze.

Hast du noch Hoffnung, dass wir das Schlimmste verhindern können?

Was ist das Schlimmste? Es kommt darauf an, wen man fragt. Für Menschen im globalen Süden sind die 1,3 Grad, die wir schon erreicht haben, die Hölle. Auch für die Menschen in Südeuropa wie jetzt in Italien, deren Häuser geflutet oder durch Erdrutsche beschädigt wurden. Oder in Spanien, die die schlechteste Ernte aller Zeiten haben wegen der Dürre und weil der Grundwasserspiegel so gesunken ist. Das ist alles Klimakrise.

"Deutschland kann schon in fünf bis zehn Jahren ein anderes Land sein, als wir es vorher kannten."

Und bei uns?

Für uns ist es auch schon schlimm: Unser Gemüse und Obst beziehen wir fast komplett aus Südeuropa. Wie soll das weiterhin klappen, wenn die kein Wasser mehr haben? Unsere Lebensmittel werden wegen der Klimakrise immer teurer werden. Plus, da werden geflüchtete Menschen kommen, aus Südeuropa und dem globalen Süden. Wir haben eine moralische und kolonialhistorische Verpflichtung, diese aufzunehmen. Deutschland kann schon in fünf bis zehn Jahren ein anderes Land sein, als wir es vorher kannten – auch in Sachen Sicherheit und Wohlstand. Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass auch hier in Deutschland die Klimakrise krasse Auswirkungen hat.

Wo in Deutschland lässt es sich denn in Zukunft noch gut leben?

Das ist die spannende Frage. Was bedeutet die Klimakrise für die Migration im Land? Für Leute in Bayern, denen vielleicht zu heiß wird oder an der Küste, die wegen des Meeresspiegelanstiegs wegziehen müssen oder Leute in Brandenburg, denen es zu trocken wird.

Muss denn Klimaprotest radikal sein, um etwas zu verändern?

Die Klimaschutz-Diskussionen sind gerade so stark, weil die Proteste extremer wurden. Der Autor Andreas Malm sagt: "Wir sitzen in einem brennenden Haus. Wir haben das Recht, uns aus diesem Haus zu befreien und das Feuer zu löschen." Und das passiert gerade: Wir sitzen auf diesem Planeten und durch das CO₂ wird es unerträglich heiß.

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