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Urlaub am Mittelmeer: Mit diesen Folgen für das Klima müsst ihr rechnen

Ein Urlaub am Mittelmeer ... davon träumen viele. Wer diesen Traum im Jahr 2023 wahr machen möchte, kommt um ein frühzeitiges Buchen und Durchforsten der Last-Minute-Angebote wohl nicht herum. Doch eg ...
Das Mittelmeer gilt als harmlose "Badewanne Europas" – doch wird durch die Klimakrise immer heißer. Bild: iStockphoto / Geo-K
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Urlaub am Mittelmeer: Mit diesen Klimafolgen müsst ihr rechnen

30.03.2023, 15:01
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Ob an die italienische Riviera, die Costa Brava in Spanien, oder die Côte d’Azur in Frankreich: Während es in den Wintermonaten noch grau und trist in Deutschland ist, planen viele bereits ihren Sommerurlaub in wärmeren Ländern. Die meisten Deutschen verbringen dabei ihren Urlaub besonders gern in beliebten Ferienregionen am Mittelmeer.

Denn das "Planschbecken Europas" lockt im Gegensatz zum wilden Atlantik oder der frischen Nordsee mit unbesorgtem Badespaß, Sonnenschein und sanften Wellen. So zumindest lautet das Versprechen vieler Ferienanbieter.

Doch das könnte bald hinfällig werden – denn durch die Klimakrise haben sich auch die Bedingungen am Mittelmeer verändert.

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Das Mittelmeer ist für Forschende wie ein Blick in die Glaskugel

"Durch Langzeitstudien wissen wir, dass der Klimawandel zu einer Temperaturerhöhung im Mittelmeer führt, die bis zu 20 Prozent schneller ist, als in den anderen Meeren", stellt Mischa Schwarzmeier klar. Er ist Leiter am Institut für Marine Biologie (IfmB), das eine Forschungsstation im Mittelmeer auf der Insel Giglio betreibt.

Hier untersuchen Wissenschaftler:innen, welche direkten Auswirkungen die Klimakrise auf Flora und Fauna im Mittelmeer hat. Das hat einen triftigen Grund, wie er erklärt:

"Das Mittelmeer ist für Wissenschaftler wie ein Blick in die Glaskugel: Hier sieht man schon jetzt die Probleme, die wir in Zukunft auch in anderen Meeren erwarten können."

Bereits tausend neue Tier- und Pflanzenarten im Mittelmeer

Und diese Probleme haben es in sich: So kommen – durch den von uns befeuerten Klimawandel – neben einer Überhitzung und Verschmutzung des Meeres noch weitere, neue Stressfaktoren auf das Ökosystem des Binnenmeers zu.

Zum Beispiel gibt es immer mehr neue Tierarten, die durch den Suezkanal aus Ägypten herüberschwimmen. "Dort sehen wir, welche Auswirkung die Temperaturveränderung hat: Früher war der Salzgradient zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer stark verschieden, heute fällt er marginal aus", erklärt Schwarzmeier. Der Salzgradient ist der Unterschied im Salzgehalt.

"Mittlerweile gehen wir davon aus, dass tausend neue Arten im Mittelmeer leben."
Mischa Schwarzmeier, Leiter am Institut für Marine Biologie

"Wir sehen deshalb immer häufiger eine aktive Wanderung von Fischen oder teilweise Quallen vom Roten Meer ins Mittelmeer", sagt Schwarzmeier. "Mittlerweile gehen wir davon aus, dass tausend neue Arten im Mittelmeer leben und alle neun Tage eine neue Art dazu kommt."

Feuerfische werden im Urlaub bereits an der Küste Zyperns als Fisch-Burger verkauft.
Feuerfische werden bereits an der Küste Zyperns als Fischburger verkauft. Bild: iStockphoto / deraugenzeuge

Davon würden die meisten aus ursprünglich tropischen Gebieten stammen, wie beispielsweise Feuerfische, die sich jetzt auch im nördlichen Mittelmeer verteilt hätten. Der Meeresbiologe warnt jedoch davor, diese "invasiven" Arten als prinzipiell schlecht einzustufen:

"Die Realität ist: Die meisten neuen Arten sind nicht besonders schwierig, sondern gliedern sich ein und bilden damit einfach eine neue Ausprägung im Ökosystem. Schwierig wird es erst dann, wenn sich einige Arten so wohlfühlen und sich so gut dort durchsetzen können, dass sie andere verdrängen und damit das Ökosystem klar verändern."

Profiteure der Klimakrise: Algen und Schwämme

Dagegen würden sich mit steigenden Temperaturen besonders Schwämme, aber auch Algen deutlich besser durchsetzen, als etwa Korallen. Denn ihnen setzt die Wärme nicht so stark zu.

Wie Meeresbiolog:innen beobachten, begünstigt die Wärme allem voran das Wachstum von Schleimalgen in bade-freundlichen Buchten mit seichter Strömung.

Rote Gorgonie: die Korallenart im Mittelmeer lässt sich im Urlaub in den Tiefen des Meeres entdecken.
An Korallen wie der roten Gorgonie siedeln sich viele andere Organismen an.Bild: Institut für Marine Biologie / Mischa Schwarzmeier

Das Gefährliche daran: Schleimalgen legen sich über Korallen, die dann kein Wasser mehr filtrieren können – und absterben. Mit fatalen Folgen für ihr direktes Umfeld.

Korallen als Lebensgrundlage für zahlreiche Organismen und Fische

"Das Besondere bei Korallen wie der Roten Gorgonie ist, dass sie die Lebensgrundlage für andere Tiere bilden und damit wie ein Regenwald unter Wasser wirken", erklärt Schwarzmeier. "Da sie bestimmte Nährstoffe ausscheiden, setzen sich hier gerne Schwämme und andere Organismen an. Wenn sie jedoch absterben, verlieren wir damit nicht nur diesen einen Organismus, sondern eine ganze Kette von Lebewesen bricht ein."

Schleimalgen überdecken die Korallen – und damit deren überlebenswichtigen Lichtrezeptoren.
Bild einer abgestorbenen roten Gorgonie, die von einer Schleimalge verhangen ist.Bild: Institut für Marine Biologie / Mischa Schwarzmeier

Mit den höheren Wassertemperaturen steigt auch in den Buchten das Risiko für sogenannte Todeszonen. Auslöser dafür ist zu viel Phytoplankton, dessen Bakterien dem umgebenden Wasser Sauerstoff entziehen.

Wenn zusätzlich die Fische weggefangen wurden, die ansonsten das Phytoplankton fressen würden, und das Wasser durch Abwasser verunreinigt ist, kippen ganze Wasserareale. Diese Konstellation findet sich besonders oft in der Nähe von Häfen und Touristen-Hotspots.

Das Wasser in belasteten Badebuchten an Reisezielen für den Urlaub könnte schon bald kippen.
Das Wasser in belasteten Badebuchten könnte schon bald kippen. Bild: Anadolu / Anadolu Agency

Im Auge des Sturms: Warmes Mittelmeer stärkt Wirbelstürme

Doch auch an der Wasseroberfläche tritt die Klimakrise starke Veränderungen los: "Die stärker werdenden Oberflächentemperaturen im Mittelmeer begünstigen extreme Niederschlagsereignisse wie auch Wirbelstürme in Zentraleuropa, die bis zu uns nach Deutschland ziehen können", warnt Dagmar Hainbucher vom Institut für Meereskunde an der Universität Hamburg.

Auch das Reiseziel Camogli an der italienischen Riviera wird inzwischen von starken Stürmen als Klimafolge getroffen.
Auch die italienische Riviera wird inzwischen von starken Stürmen als Klimafolge getroffen.Bild: iStockphoto / antonioscarpi

Diese entstünden dabei besonders häufig über dem Golf von Genua, wo die feuchtwarme Luft vom inzwischen warmen Mittelmeer auf eine von den Alpen kommende Kaltluft trifft. Die Folge: "Die Intensität der entstehenden Sturmtiefs hat klar zugenommen", erklärt Hainbucher im Gespräch mit watson.

Die starken Schlechtwetterfronten wanderten dann immer weiter nördlich und ließen sich dabei auch nicht von den Bergen aufhalten. Schlechtes Wetter ist hier also vorprogrammiert – auch außerhalb der gewohnten Regenperioden im Frühjahr und Herbst.

"Das Mittelmeer ist klein, die Welle dagegen schnell – da hat man je nach Entfernung zum Epizentrum nur Minuten Zeit zur Flucht weg von der Küste."
Dagmar Hainbucher, Institut für Meereskunde an der Uni Hamburg

Meteotsunamis sind kaum vorhersagbar

Ein weiteres Phänomen, das sich mit steigenden Wassertemperaturen im Mittelmeer zeige, sind sogenannte "Meteotsunamis": Darunter versteht man Wellen, die durch Luftdruckschwankungen oder heftigen Wind wie bei einer Gewitterfront ausgelöst werden – und mehrere Meter hoch werden können.

Meteotsunamis treten oft in flachen Wasserarealen auf.
Meteotsunamis treten oft in flachen Wasserarealen auf.Bild: iStockphoto / solasulmare

Dieses Phänomen findet weltweit statt, sie stechen aber im Mittelmeer hervor, da es hier sonst keine starken Gezeiten gibt. Aufgrund dessen bemerkt man sie vor allem in flacheren Wassergebieten an den Küsten direkt, wenn es zu plötzlichen Erhöhungen des Wasserstandes kommt. Das Gefährliche daran: Sie lassen sich nicht vorhersagen.

Trotzdem ist diese Tsunami-Art eher selten von Bedeutung. "Ich würde mich eher vor einem richtigen Tsunami im Mittelmeer fürchten", gibt Hainbucher zu bedenken. "Denn das Risiko, dass es dazu kommt, ist immer da", betont die Expertin mit Blick auf die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien in den vergangenen Wochen.

Wenn im Mittelmeer ein tektonisches Beben auftritt, sind die Vorwarnzeiten ihr zufolge zum Teil sehr kurz. "Das Mittelmeer ist klein, die Welle dagegen schnell – da hat man je nach Entfernung zum Epizentrum nur Minuten Zeit zur Flucht weg von der Küste."

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