Vor New Yorks Küste: Walpopulation durch zunehmenden Schiffsverkehr bedroht
Auch wenn es ihnen selbst nicht klar sein dürfte: 1986 war für Wale auf unserer Erde ein entscheidendes Jahr. Damals verhängte die Internationale Walfangkommission (IWC) ein kommerzielles Fangverbot, nachdem viele Arten durch intensive Jagd an den Rand des Aussterbens gebracht worden waren.
Das Moratorium sollte ursprünglich nur vorübergehend gültig sein, bis sich die Bestände erholt hätten und ein nachhaltiges Fangmodell gefunden wäre. Es gilt jedoch bis heute fast überall auf der Welt; lediglich Norwegen, Island und Japan machen offiziell noch Jagd auf die Meeressäuger.
Dank des Verbots hat die Zahl der Walbestände wieder zugenommen, zum Beispiel vor der Küste von New York. Gotham Whale – eine Meeresforschungsorganisation, die von Ehrenamtlichen betrieben wird – begann 2012 Buckelwale vor der Küste der Millionenmetropole zu beobachten. Zuerst umfasste der Katalog nur fünf Tiere, heute sind 470 dokumentiert.
Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) strich die Buckelwale vor den Gewässern des Bundesstaats New Yorks 2016 sogar von der Liste gefährdeter Arten. Doch nicht nur Buckelwale tummeln sich in der New Yorker Bucht, auch Blauwale, Finnwale, Pottwale und Nordkapern sind dort zu finden. Eigentlich ein Grund zur Freude.
Wale schwimmen in stark befahrenen Gewässern
Doch Tierschützer:innen sind aktuell besorgt. Denn die Wale schwimmen zur Nahrungsaufnahme immer weiter an die Küste heran und kommen dabei Schiffen teils gefährlich nahe. "Wenn sie fressen, können sie sehr abgelenkt sein und kümmern sich nicht um Boote", erklärt etwa Chris St. Lawrence von Gotham Whale gegenüber dem britischen "Guardian".
Seine Kollegin Danielle Brown ergänzt: "Ich glaube nicht, dass die Leute wissen, dass sie da draußen sind, und die Reedereien rechnen sicherlich nicht damit, sie zu sehen."
In den Gewässern vor der US-Atlantikküste schwimmen nämlich nicht nur immer mehr Wale, sondern auch sehr viele Schiffe, unter anderem große Kreuzfahrtschiffe, Tanker, aber auch Sport- und Fischerboote. Dadurch kommt es immer wieder zu (unfreiwilligen) Kollisionen. Im Mai 2024 lief etwa ein Kreuzfahrtschiff in den New Yorker Hafen ein, an dessen Bug ein toter Seiwal hing. Diese Art gilt als vom Aussterben bedroht.
Klimakrise spielt große Rolle bei Schiffskollisionen
Dass sich der Schiffsverkehr noch nicht an die zunehmende Anzahl an Walen angepasst hat, ist aber nicht der einzige Grund, warum es aus Sicht von Expert:innen zu vermehrten Kollisionen kommt. Auch die Klimakrise trägt ihren Teil dazu bei.
Aufgrund der sich verändernden Meerestemperaturen zieht es manche Fische, die den Walen als Nahrung dienen, eher in seichte Küstengewässer. Dorthin folgen ihnen die großen Meeressäuger – und treffen vermehrt auf Boote und Schiffe. Die Organisation Gotham Whale dokumentiert immer wieder Wale, die Narben von Schiffskollisionen oder Propellerverletzungen tragen.
Eine Lösung wäre es, die Schiffe einfach umzuleiten. Allerdings gebe es nur drei Schiffsrouten nach New York, Umleitungen seien kaum möglich, erklärt Samantha Rosen, Sprecherin der Umweltschutzbehörde des Bundesstaates im "Guardian"-Bericht.
Alternativ hat sich auch die Reduzierung der Schiffsgeschwindigkeiten als sinnvoll erwiesen. Schon jetzt dürften Schiffe, die länger als 20 Meter sind, in saisonalen Schutzgebieten sowie größeren Häfen nicht schneller als 10 Knoten (etwa 19 km/h) fahren. Allerdings ist diese Vorgabe nur auf den Zeitraum zwischen Januar und Mai begrenzt.
Pläne, die Schutzmaßnahmen auf das ganze Jahr auszuweiten und größere Schutzgebiete auszuweisen, seien bei Seeleuten und Gesetzgebern auf Widerstand gestoßen. Deshalb hat die NOAA ihre Vorschläge im Januar zurückgezogen. Eine Sprecherin der US-Umweltbehörde bringt es auf den Punkt: "Wenn die Menschen die Wale retten wollen, müssen sie ihr Verhalten ändern".