Über 100.000 Kegelrobben sollen vor rund 120 Jahren durch die Ostsee geschwommen sein. Für Ostsee-Urlauber:innen war es damals wohl ganz normal, sich mit ein paar Robben einen Platz am Strand zu teilen. In den darauffolgenden Jahrzehnten ist die Population aber durch systematische Bejagung und Vertreibung stark geschrumpft.
Um 1980 soll es laut Naturschutzbund (NABU) nur noch ein paar tausend Tiere gegeben haben. Mittlerweile haben sich die Bestände aber wieder erholt, vor allem wegen verstärkter Schutzmaßnahmen. In der Ostsee tummeln sich heute wieder mehrere zehntausend Kegelrobben. Eigentlich scheint es den Meeressäugern wieder gutzugehen.
Das Umweltministerium in Mecklenburg-Vorpommern schlägt aktuell aber Alarm. Der Grund: Eine "ungewöhnliche Häufung" toter Kegelrobben an der Küste der Ostseeinsel Rügen.
Seit Anfang Oktober seien mehr als 20 verendete Tiere an der Ostseite der Insel geborgen worden, teilte Landesumweltminister Till Backhaus (SPD) mit. Es habe sich um erwachsene Tiere ohne äußere Verletzungen in gutem Allgemeinzustand gehandelt.
Die toten Tiere wurden demnach in den vergangenen rund zwei Wochen vor allem an der Außenküste Rügens zwischen Lobbe und Thiessow gefunden.
Dem Umweltministerium in Schwerin zufolge wurden mehrere Robbenkadaver zur Untersuchung zum Landesamt für Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit und Fischerei nach Rostock und zum Deutschen Meeresmuseum in Stralsund gebracht. Verschiedene Behörden, darunter auch die Polizei, seien in die Ursachenermittlung eingebunden.
Ausgeschlossen wird demnach bereits eine Infektion mit Vogelgrippeerregern, die auch für Meeressäuger gefährlich sein können.
"Wir haben bisher drei Tiere im Meeresmuseum seziert. Diese Tiere wiesen Ertrinkungs-Symptome auf", sagt Judith Denkinger vom Deutschen Meeresmuseum gegenüber dem "Nordkurier". Die Tiere hätten Wasser in der Lunge gehabt und teilweise seien die Mägen mit unverdautem Fisch gefüllt gewesen. Das deutet darauf hin, dass die Robben kurz vor ihrem Tod noch gefressen haben.
"Bei einem Tier wurde auch Erbrochenes in der Lunge entdeckt", erkläutert Denkinger weiter. Dass die Meeressäuger einfach so ertrunken sind, hält die Expertin für unwahrscheinlich.
"Kegelrobben ertrinken nicht einfach so, denn sie sind es gewohnt, auch unter Wasser zu leben. Sie können bis zu dreißig Minuten die Luft anhalten", erklärt sie. Vereinzelt habe man Schürfwunden gefunden, aber keine Zahnabdrücke, die auf Kämpfe hinweisen könnten.
Die meisten Tiere seien mit rund 150 Kilogramm und rund zwei Metern Länge sehr groß und alle gut genährt gewesen. "Auch alle Organe waren gesund." Denkinger schloss nicht aus, dass die Tiere sich in Reusen (eine Art Netz) verfangen haben könnten, aus denen sie nicht mehr herausgekommen seien. Das Meeresmuseum erstattete Anzeige gegen Unbekannt.
Laut dem Deutschen Meeresmuseum können männliche Kegelrobben über 300 Kilogramm schwer und bis zu 2,30 Meter lang werden. Die Weibchen sind etwas leichter und kleiner: Sie erreichen in der Regel ein Gewicht von 150 Kilogramm und eine Länge von 1,90 Meter. Damit sind sie die größten heimischen Raubtiere Deutschlands.
(mit Material von dpa)