Deutschland bezeichnet sich selbst gern als Land der Dichter und Denker, doch mitunter ist es vor allem eines: das Land der Nörgler und Petzer. Dass selbst die Gen Z Ordnungswidrigkeiten als Verletzung der eigenen Ehre wahrnimmt, zeigt der Hype um den kürzlich viral gegangenen "Anzeigenhauptmeister" auf Tiktok.
Tausende Menschen reichen jährlich Privatanzeigen gegen ihre Mitbürger:innen ein, in Berlin zählte die Polizei laut dem "Tagesspiegel" allein 2023 mehr als 34.000 Anzeigen im Bereich Verkehr. Die Stadt hat außerdem einen inoffiziellen Beamten im Internet, der auf bestimmte Vergehen im Straßenverkehr aufmerksam macht. Der Verkehrsaktivist hat dafür eine einfache Begründung – und eine besondere Methode.
Andreas Schwiede ist 62 Jahre alt und scheint damit das klassische Denunziant:innen-Klischee besser zu erfüllen als der 19-jährige "Anzeigenhauptmeister". Die Bezeichnung Denunziant lehnt Schwiede aber vehement ab, vielmehr sei er ein "revolutionärer Charakter", wie er 2021 gegenüber der "taz" unterstrich.
Seit dem Anfang der 2000er Jahre verbringt der unter dem Spitznamen "Polizeibeobachter" bekannte Berliner einen Großteil seiner Freizeit und seiner Tätigkeit als Stadtführer damit, Ordnungswidrigkeiten aus dem Berliner Straßenverkehr zu melden.
Auf X sammelt er die Vergehen unter dem Profil "polizeiauwei". Im Laufe der Jahre haben sich ihm dutzende Menschen angeschlossen und sammeln Verstöße in der gesamten Bundesrepublik. Im Fokus stehen dabei vor allem falsch parkende Autos, die andere Verkehrsteilnehmende behindern und dadurch ein Risiko darstellen.
Der wohl wichtigste Unterschied zum "Anzeigenhauptmeister" gegenüber Schwiede ist, dass er keine Anzeigen gegen die Falschparker:innen erstattet. Stattdessen kontaktiert er mehrfach täglich die Polizei unter der 110. Durch diesen Anruf sollen die Fahrzeuge abgeschleppt und nicht nur mit einem Knöllchen versehen werden.
Die Polizei weist auf ihrer Website darauf hin, dass der Notruf der richtige Weg sei, sobald durch Fehlverhalten Gefahr drohe. Schwiedes Ziel ist es, gefährliche Situationen zu verhindern und zur Sicherheit auf den Berliner Straßen beizutragen.
Vergleiche mit dem viral gehenden Tiktoker lehnt der Aktivist allerdings ab, er hält seine Methode für deutlich effektiver. "Wenn ich an einem Ort für Ordnung gesorgt habe, dann parkt da keiner mehr, dann kriegt da auch keiner mehr eine Anzeige", unterstreicht Schwiede gegenüber dem "Tagesspiegel".
Tatsächlich kritisiert der Aktivist vielmehr die deutschen Beamt:innen als die Bürger:innen selbst. "Bei einem frechen Kind frage ich mich nicht, was mit dem Kind nicht stimmt. Ich frage mich: Was stimmt mit den Erziehungsberechtigten nicht?", vergleicht er zynisch. Der Teil "Auwei" in seinem Profilnamen steht demnach für seine Bewertung der Arbeit der deutschen Polizei.