Kein deutscher Fahrer in der Formel 1? Zuletzt gab es das zum Saisonbeginn 1991 bis Michael Schumacher im August des gleichen Jahres sein Debüt in der Königsklasse des Motorsports feierte. Zunächst für Jordan in Spa, die restlichen Rennwochenenden fuhr er im Benetton.
Auch die kommende Saison, die am Wochenende mit dem Rennen in Bahrain startet, wird nicht ganz ohne deutschen Fahrer ausgetragen. Nico Hülkenberg sicherte sich das Haas-Cockpit von Mick Schumacher, der nun als Mercedes-Testfahrer die Saison überbrücken muss und für 2024 wieder auf einen festen Platz in einem Formel-1-Auto hofft.
Laut Monisha Kaltenborn kann sich Schumacher diese Hoffnung auch berechtigterweise machen. Jahrelang war sie in der Formel 1 bei Sauber aktiv, als CEO der Motorsport AG und zeitweise auch als Teamchefin.
Aus dieser Zeit kennt die heute 51-Jährige auch Nico Hülkenberg sehr gut.
Im Gespräch mit watson will sie die Haas-Entscheidung für Hülkenberg und gegen Schumacher aber nicht bewerten: "Was Team-Entscheidungen betrifft, bin ich nicht in der richtigen Position, zu urteilen. Ich kenne die Faktoren nicht, die zu der Entscheidung geführt haben."
Trotzdem sieht sie Schumacher aktuell als Testfahrer in einer guten Ausgangssituation. Natürlich sei es für den Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher "schade", die ehemalige Sauber-Chefin fügt aber auch an: "Er ist ein junges Talent, aber er könnte in der kommenden Saison die Chance im Mercedes oder McLaren bekommen, sich zu zeigen. Das werden sicherlich Top-Autos sein."
Neben seinem Engagement als Testfahrer bei Mercedes, käme Schumacher auch bei McLaren zum Einsatz, wenn mit Lando Norris oder Oscar Piastri einer der Stammpiloten ausfallen würde. Schumacher kann daher auf eine Zukunft in der Formel 1 hoffen. Das zeigt auch ausgerechnet das Beispiel von Nico Hülkenberg, der nun Schumachers Cockpit übernehmen durfte. Hülkenberg selbst war drei Jahre nur Ersatzfahrer, ehe er zurück in den Haas als Stammkraft stieg.
Während Kaltenborn für Schumacher noch Hoffnung auf eine Zukunft in der Formel 1 hat, sieht sie die Perspektive für junge deutsche Fahrer skeptisch. Im Gespräch mit watson sagt sie: "Im Moment ist es sehr schwierig, weil es nicht sehr viele deutsche Nachwuchsfahrer gibt. Ganz entscheidend ist dabei, dass gerade die Nachwuchsserien, wie die Formel 4, in Deutschland gar nicht stattfinden."
Im Dezember hatte der ADAC als Veranstalter mitgeteilt, die Rennserie nicht mehr auszuschreiben. In der Begründung teilte ADAC-Sportpräsident Gerd Ennser mit, dass "aufgrund von sehr hohen Kosten" vielen Motorsporttalenten der Aufstieg in den Formelsport verwehrt bliebe.
Im Klartext heißt das: Immer weniger Nachwuchsfahrer:innen konnten sich einen Einstieg in die Formel 4 leisten. Top-Teams sollen laut "Motorsport Magazin" bis zu 400.000 Euro Startgeld für eine Saison gefordert haben – zu viel für junge Fahrer:innen. Beim vergangenen Saisonfinale am Nürburgring gingen daher nur noch elf Autos an den Start.
Um dennoch zumindest ein kleines Sprungbrett in den Motorsport zu bieten, wird der ADAC ein Junior Team gründen und zwei Fahrer:innen engagieren. Sie dürfen an sieben Rennwochenenden in der französischen Formel 4 starten und sich empfehlen. Die aufgerufene Teilnahmegebühr liegt bei 108.000 Euro.
Den grundsätzlichen Wegfall der deutschen Formel 4 bemängelt daher Kaltenborn gegenüber watson. Dadurch würde es für deutsche Fahrer noch schwieriger, "weil sie dadurch teilweise in anderen Ländern in den Nachwuchs-Serien andocken müssen." Die Österreicherin ergänzt: "Das ist mit höheren Kosten verbunden. Da muss sich der Verband etwas einfallen lassen."
René Rast hat allerdings noch eine weitere Hoffnung. Der deutsche DTM- und Formel-E-Fahrer glaubt an einen Effekt, den man erst in einigen Jahren spüren könnte.
Im Interview mit "F1-Insider.com" erklärte Rast zuletzt: "Als Michael Schumacher seine Erfolge gefeiert hat, sind natürlich viele junge Fahrer in den Kartsport eingestiegen und wollten das Gleiche erreichen wie Michael. Die Vettel-Generation ist noch nicht da. Ich hoffe aber, dass sie noch kommt."
Aber auch Rast sieht die finanzielle Situation von jungen Fahrern ausschlaggebend für die Flaute im deutschen Motorsportnachwuchs: "Es gibt viele talentierte Fahrer, die es einfach nicht bis in die Formel 1 schaffen, weil das Budget fehlt. Da müssen wir zusehen, dass wir im deutschen Motorsport mehr Gas geben."
Ein Weg, um mit geringerem Budget in den Motorsport einzusteigen, bietet Kaltenborn mit "Racing Unleashed" an. Mit ihren Simulatoren und den Meisterschaften, die das Unternehmen veranstaltet, können Fahrer:innen relativ schnell in den digitalen Motorsport einsteigen. Ein Jahresabo in den Lounges der Rennsimulatoren kostet rund 2.400 Euro.
Gerade auch durch die – im Vergleich – günstigen Einstiegskosten bei ihren Rennen im Simulator will Kaltenborn eine Chancengleichheit herstellen. "Damit meinen wir einerseits in unserer Championship, aber auch, den Zugang zu diesem Rennsport überhaupt zu ermöglichen. Besonders durch das niedrigschwellige Angebot im Vergleich zum analogen Rennsport wollen wir das möglich machen."
Immerhin eine kleine Erfolgsgeschichte gab es schon. In Zusammenarbeit mit der britischen Formel 4 wurde bei einem Online-Casting jeweils ein Stammcockpit für eine Frau und einen Mann in einem britischen Formel-4-Team gesucht. "Für die letzte Runde der Ausscheidung fuhren sie in unseren Simulatoren", erklärte Kaltenborn gegenüber watson.