
2020 war der VfL Wolfsburg um Pernille Harder (r.), die mittlerweile beim FC Chelsea spielt, der letzte Klub, der den FC Barcelona und Maria Leon in der Champions League besiegen konnte.null / imago images
Analyse
22.04.2022, 14:3422.04.2022, 14:35
Alex truica
"Més que un club" – manchmal stimmt dieses stolze Credo des FC Barcelona eben doch.
91.553 Zuschauer kamen beim Viertelfinal-Rückspiel in der Champions League ins Camp Nou, um ihren FC Barcelona im Duell der Erzrivalen im Clásico im Camp Nou gegen Real Madrid anzufeuern. Das ist bei der Männermannschaft kaum eine Meldung wert – allerdings handelte es sich bei dem Spiel eben um das Duell der Frauenteams der spanischen Großklubs.
Es sollte ein Fest, ein magischer Abend werden, das dem Anlass und Spiel den passenden Rahmen und dem ganzen Frauenfußball eine glänzende, weltweit-erstrahlende Bühne bot. Denn der 30. März 2022 wird als historischer Tag in die Geschichte des Frauenfußballs eingehen: Mit besagten 91.553 Zuschauern wurde ein neuer Zuschauerrekord in Europa im Frauenfußball aufgestellt. 5:2 gewann Barça am Ende in einem bebenden Stadion, das ein hochklassiges wie rauschhaftes Spiel erlebte und das Camp Nou zum feierlichen Epizentrum des Fußballs an diesem Abend machte.
"Ich sehe uns alle gelöst und voller Vorfreude."
Wolfsburgs Trainer Tommy Stroot über die Kulisse von über 90.000 Fans in Barcelona
Dieser so erstaunliche Rekord hat allerdings womöglich gar nicht lange Bestand, denn schon am Freitag (Anstoß ist um 18.45 Uhr, live auf DAZN) könnte die historische Marke geknackt werden. Und das gegen den VfL Wolfsburg, der im Halbfinal-Hinspiel in der UEFA Women’s Champions League zu Gast ist. Und die Culés, wie die Anhänger des FC Barcelona genannt werden, haben erneut große Lust auf einen magischen Abend in Europas größtem Stadion. Binnen weniger Stunden war das Spiel gegen die Wölfinnen ausverkauft, wie der FC Barcelona offiziell vermeldete.

Im Champions-League-Viertelfinale zwischen Barcelona und Real Madrid waren über 90.000 Fans im Stadion. Bild: www.imago-images.de / IMAGO/Bagu Blanco
Frauenfußball boomt in Barcelona
"Alle Leute, die da waren, hatten Spaß und Freude, haben es sehr genossen", erinnerte sich Caroline Hansen am Donnerstag auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Wolfsburg an die Clásico-Party zurück und erklärte: "Jeder will dieses Gefühl erneut empfinden, deswegen kommen die Leute wieder ins Camp Nou."
Normalerweise trägt der FC Barcelona Femení, wie das Frauenteam Barças auf katalanisch heißt, seine Spiele im 6.000 Zuschauer fassenden Estadi Johan Cruyff in Sant Joan Despí aus, einer kleinen Vorstadt Barcelonas. Nun kehrt man zum zweiten Mal ins altehrwürdige Camp Nou zurück, um eine Fußballfeier zu erleben – und natürlich, um ein gutes Hinspielergebnis einzufahren, bevor es dann im Rückspiel in Wolfsburg um den Finaleinzug geht.
Dass Barça guten Mutes ist, ein gutes Resultat im Hinspiel einzufahren, verwundert angesichts der Form von Barça Femení wenig. Denn die Dominanz der Katalaninnen ist beeindruckend. Von 44 bisher absolvierten Pflichtspielen in dieser Saison hat Barça sage und schreibe alle 44 gewonnen. In der Liga Iberdrola in Spanien zieht die Blaugrana einsam ihre Kreise – 27 Siege aus 27 Spielen bei einer Tordifferenz von 146:8 sind ein klares Zeichen der Stärke. Barça Feminí gilt als beste Frauen-Fußballmannschaft der Welt, nicht nur in dieser Saison.

Alexia Putellas ist aktuell die beste Fußballerin der Welt. Bild: www.imago-images.de / imago images
Barcelona eine der besten Mannschaften aller Zeiten
Schließlich ist der FC Barcelona nicht nur bislang die gesamte Saison ungeschlagen sowie der Titelverteidiger in der Women’s Champions League, sondern auch amtierender Triple-Sieger – Barça ist somit das erste Team, das sowohl bei den Herren als auch bei den Frauen das Triple einfahren konnte. Und auch in dieser Saison nimmt man wieder Kurs aufs Triple.
Trainer Jonatan Giraldez führt das Erbe von seinem Vorgänger und ehemaligen Chef Lluis Cortes also nahtlos fort. Giraldez steht ebenso wie Cortes zuvor ein absoluter Ausnahmekader zur Verfügung, der vor Klasse und Spielfreude nur so strotzt. Individuell ist Barca herausragend besetzt, doch die Starspielerinnen um Weltfußballerin Alexia Putellas – die aus dem offensiven Mittelfeld heraus für Torgefahr sorgt – Fridolina Rolfö, Jenni Hermoso, Carolin Hansen, Aitana Bonmati oder Patri Guijarro funktionieren eben auch im Kollektiv herausragend – gerade fußballerisch.

Die Mannschaft des VfL Wolfsburg beim Abschlusstraining im legendären Stadion Camp NouBild: www.imago-images.de / imago images
Man übertreibt wohl nicht, wenn man die aktuelle Barça-Femení-Mannschaft ein wenig mit der berühmten Barça-Elf von Pep Guardiola vergleicht, der den FC Barcelona von 2008 bis 2012 mit traumhaftem und erfolgreichem Fußball zu zahlreichen Titeln – darunter ebenfalls dem Gewinn des Triples – und weltweitem Glanz und Ruhm führte.
Wolfsburg will sich nicht einschüchtern lassen
An der Stärke von Barça gibt es keinen Zweifel. "Wir bekommen es hier mit der klar besten Klubmannschaft überhaupt momentan zu tun", schwärmte auch Wolfsburgs Cheftrainer Tommy Stroot vorab vom katalanischen Topteam und zählte die Stärken von Barcelonas Frauen auf: "Typisch für Barça ist das ballbesitzorientierte Spiel. Vorne gibt es über verschiedene Spielertypen einfach eine gewisse Torgefahr, die das Team auszeichnet und auf dieses Niveau hebt. Barcelona ist daher in beiden Spielen ganz klarer Favorit", sagt Stroot ehrfürchtig.
Und als ob Barça an sich nicht eh schon der schwerstmögliche Gegner sein würde, spielt man nun auch noch vor möglicher Rekordkulisse im größten Stadion Europas – ein weiterer Punkt, der einschüchtern könnte.
Beeindruckt nicht nur vom riesigen Camp Nou, sondern auch von der Zuschauerkulisse wollen sich die Wölfinnen nicht zeigen. "Wir hatten auch in der Vergangenheit schon verschiedene Spiele wie in Turin oder beim FC Chelsea in Stadien mit gewissem Flair. Alles, was das Drumherum auslösen kann, spielt aber bei mir und auch den Spielerinnen, so wie ich das erlebe, keinerlei negative Rolle", erklärt Stroot. "Wir genießen die Champions League in jedem Moment und werden morgen noch einmal in dieser Atmosphäre darin bestätigt werden, wie besonders das ist. Ich sehe uns alle gelöst und voller Vorfreude."
Barcelona will Revanche am VfL Wolfsburg nehmen
Vorfreude auf ein Fußballfest vor womöglich erneut gut 90.000 Zuschauern und Zuschauerinnen, die Barça zum Sieg antreiben wollen. Denn die Katalaninnen haben noch eine Rechnung mit dem VfL zu begleichen. Der VfL Wolfsburg war die letzte Mannschaft, die den FC Barcelona in der UWCL besiegen konnte. Beim Finalturnier 2020 in San Sebastian siegte Wolfsburg mit 1:0.
Die Frauen des FC Barcelona haben diese Niederlage nicht vergessen und mit den Wölfinnen noch eine Rechnung offen, wie Caroline Hansen auf der Pressekonferenz vor dem Spiel verriet: "Die Mannschaft fühlt sich sehr gut, wir sind sehr gut auf morgen vorbereitet", erklärte Hansen und führte aus, dass Barça auf Revanche aus sei. "Wir wollen gewinnen, das letzte Mal, als wir gegen Wolfsburg gespielt haben, haben wir im Halbfinale verloren. Die gesamte Mannschaft will das wiedergutmachen. Wir wollen der ganzen Welt demonstrieren, welch gute Mannschaft wir sind. Morgen wird daher erneut ein sehr spezieller Tag im Camp Nou werden."
Ein spezieller Tag, der erneut in einem Fußballfest vor Rekordkulisse enden könnte.
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