Es war eines jener Spiele, bei denen man sich fragt, ob das alles noch normal ist. Acht Tore in einer Halbzeit, ein 4:4 zwischen dem VfB Stuttgart und Union Berlin – solch ein Ereignis dürfte sogar auf den Festplatten der Fußballhistoriker:innen als Kuriosität gespeichert bleiben.
Alexander Nübel stand dabei im Tor. Auch wenn er am im Spiel gegen Union viermal hinter sich greifen musste, hat er seine Rolle beim VfB Stuttgart gefunden – und sie ist größer, als man es nach seiner komplizierten Münchner Vergangenheit vermutet hätte.
Der Torwart, einst geholt als potenzieller Neuer-Nachfolger, dann verliehen, dann vergessen, ist in Stuttgart zum verlässlichen Rückhalt gereift. Nationalmannschaft, Champions-League-Ambitionen, Führungsrolle: Die Parameter stimmen.
Und doch dreht sich derzeit alles um eine Frage, die noch gar nicht beantwortet werden muss – aber immer häufiger gestellt wird: Was passiert im Sommer?
Der Vertrag in Stuttgart läuft noch bis 2026, jener beim FC Bayern gar bis 2030. Viel Zeit also, und dennoch verdichtet sich der Eindruck, dass sich die Wege bald wieder kreuzen könnten. Eine Rückkehr an die Säbener Straße ist möglich. Vielleicht sogar wahrscheinlich.
Dennoch sei er froh, aktuell in Stuttgart zu sein und dort Spielpraxis zu sammeln, wie Nübel laut "Bild" dem ZDF erklärt. "Ich habe coole Spiele vor der Brust und freue mich jetzt auf den Rest der Saison und das große Finale."
Die Lage in München ist diffus. Manuel Neuer, einst das unumstrittene Zentrum der Defensive, ist mit Verletzungspausen und Altersfragen konfrontiert. Für ihn sprang Jonas Urbig ein.
Der 21-jährige Torhüter, ausgebildet beim 1. FC Köln, überzeugte schnell. Er meisterte sein Champions-League-Debüt gegen Bayer Leverkusen mit Bravour und zeigte, dass er ein adäquater Ersatz für Neuer ist. Und das Zeug dazu hat, sich gegen Torwart-Kollege Daniel Peretz durchzusetzen.
Dennoch ist das Tor der Bayern derzeit ein Ort der Optionen, nicht der Gewissheiten. Die Neuer-Nachfolge noch nicht entschieden.
Obwohl der Konkurrenzkampf um die Neuer-Nachfolge weiterhin anhält, spricht Nübel über Urbig mit Respekt – und gleichzeitig mit der Gelassenheit eines Mannes, der gelernt hat, seine Energie nicht auf Spekulationen zu verschwenden: "Jonas hat bisher unter der Drucksituation sehr gut gespielt. Dass er nächste Saison noch mehr Spiele bekommt, wenn Manu welche abgibt, ist dann so."
In der bayerischen Torwartfrage hatte sich zuletzt auch Torwartikone Oliver Kahn eingemischt. Im "Bild"-Podcast "Bayern-Insider" analysierte er die Situation.
"Man muss sich ja mal in so einen jungen Torwart hineinversetzen", sagte Kahn über Jonas Urbig – und verwies auf dessen rasant beschleunigten Karriereweg. Vom Ersatzmann in Köln zum Champions-League-Torwart in München: eine Entwicklung, die Bewunderung weckt, aber auch Vorsicht nahelegt.
Urbigs Körpersprache sei beeindruckend, seine Wirkung auf die Mannschaft ebenfalls – aber: "Natürlich ist es was anderes, wenn da eine Kapazität wie Manuel Neuer im Tor steht." Über Peretz verlor Kahn weniger Worte, was aufschlussreich war. Über Nübel sagte er das Entscheidende: "Mein Favorit wäre schon Nübel – wenn er denn auf dem Niveau weiterspielt. Ich kann mir vorstellen, dass er die Qualität hat."
In München dürfte man die Aussagen des "Titan" genau registriert haben. Kahn mahnt zur strategischen Klarheit, ein Wert, der zuletzt nicht immer erkennbar war in der Personalpolitik des Klubs. "Ob es dann so kommen wird – wer weiß. Wenn das die Planung der Verantwortlichen ist, kann es passen."