Es ist Flutlicht, es ist Dortmund, es ist PSG, es ist Mbappé gegen Sancho – es ist Champions League!
Am Dienstagabend startet die Königsklasse in die K.-o.-Runde. Die beiden Achtelfinalspiele Borussia Dortmund gegen Paris Saint-Germain versprechen Glamour, Weltklasse-Fußball, Offensivspektakel – und vielleicht entscheiden sie auch die Schicksale der beiden Trainer. Denn neben Superstars wie Neymar Jr., Kylian Mbappé, Jadon Sancho oder Thorgan Hazard stehen vor allem die Coaches beider Teams im Fokus der Aufmerksamkeit: Lucien Favre von Borussia Dortmund und Thomas Tuchel, der mit Paris an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt.
Beide Trainer verlieren, obwohl sie objektiv gesehen erfolgreich sind, in ihrem Verein zunehmend den Boden unter den Füßen und stehen in der Kritik – allerdings aus verschiedenen Gründen.
Seit Juli 2018 ist Ex-BVB-Trainer Thomas Tuchel Chefcoach des neureichen Pariser Hauptstadtklubs. Innerhalb von eineinhalb Saisons hat er zweimal den französischen Superpokal gewonnen und einmal die Meisterschaft. Auch in dieser Saison ist PSG auf Meisterschaftskurs. Und trotzdem, sein Standing ist schwächer als je zuvor.
Viele sprechen von seiner letzten Chance, sich als PSG-Trainer zu bewähren. Doch was ist der Grund, warum Tuchel trotz der sportlichen Erfolge so in der Kritik steht?
Direkt nach dem Amtsantritt gab Präsident Nasser Al-Khelaifi 2011 das Ziel aus, innerhalb von fünf Jahren die Champions League gewinnen zu wollen. Jetzt sind es schon neun Jahre, und sie waren noch nicht einmal im Halbfinale.
Auch laut Sky-Experte Lothar Matthäus steht vor dem Champions-League-Duell mit seinem alten Klub für Tuchel weit mehr auf dem Spiel als der Einzug in die nächste Runde. "Wenn er nach dem K.o. gegen Manchester United im vergangenen Jahr wieder im Achtelfinale die Segel streicheln muss, sind seine Tage in Paris gezählt", schrieb der Rekordnationalspieler in seiner wöchentlichen Kolumne bei "Sky Sport".
Meister muss Tuchel natürlich auch werden. Doch ist das allenfalls eine Grundvoraussetzung. So wie ein Trainerschein. Dass er mit PSG seit 23 Spielen ungeschlagen ist und davon 20 Mal gewann, wird für viele fast belanglos werden, wenn er im entscheidenden Moment nicht gewinnt.
Luis Fernandez, französischer TV-Experte, und Europameister von 1984, sagte der Deutschen Presse-Agentur, dass Tuchel "immer noch weit entfernt vom Niveau eines Jürgen Klopp, Pep Guardiola oder Carlo Ancelotti" sei.
Auch für den BVB-Coach wurde die Luft in den vergangenen Wochen dünner. Die Borussia kauft fleißig neue Stars, zuletzt im Winter Erling Haaland und Emre Can, doch die Ergebnisse stimmen nicht immer. Vorletzte Woche flog Dortmund erst gegen Werder Bremen aus dem DFB-Pokal und verlor daraufhin das Bundesliga-Spiel gegen den Konkurrenten Bayer Leverkusen. Sieben Gegentore in zwei Spielen.
Hätte man gegen Frankfurt am Freitagabend nicht mit 4:0 gewonnen, wäre das Champions-League-Achtelfinale gegen PSG für den Trainer wahrscheinlich schon seine letzte Chance gewesen. Doch der Triumph über Frankfurt hält Favre nun, wenn vielleicht auch nur sehr kurz, die Kritiker vom Leib.
Während Tuchel in Paris mit katarischen Fußballweltmachtsfantasien, die er nicht zur deren Befriedigung erfüllen kann, kämpft, sind es für Favre eher die Dortmunder Fans, denen er es nicht Recht machen kann. Das liegt an seiner Taktik und an seiner Art.
Im Interview mit watson sprach Sascha Roolf, Redakteur des größten BVB-Fanzines "Schwatzgelb.de", bereits im November vergangenen Jahres über den Schweizer, und warum die Fans so sehr mit ihm fremdeln. Er sieht die Gründe vor allem in Favres Spielweise.
In der Vergangenheit hat vor allem Jürgen Klopp die Ansprüche der BVB-Fans nachhaltig geprägt. Gerade bei Heimspielen möchte man aktiven Angriffsfußball sehen. "Sie wollen, dass wir nach einem Tor auf das zweite gehen und nicht, dass wir uns zurückziehen und den Gegner kommen lassen".
Der Kader des Ruhrgebiet-Klubs ist offensiv sehr üppig besetzt. Aber auch die defensiven Spieler, beispielsweise Nico Schulz oder Achraf Hakimi, haben eine eher offensive Ausrichtung. Der Kader hat also die perfekten Anlagen für eine aktive Spielkontrolle.
Kontrolle will Lucien Favre auch, aber er muss dafür nicht im Ballbesitz sein. Das System sieht vor, den Gegner in ungefährliche Räume zu lenken. Das passt zum einen nicht zum Dortmunder Kader, zum anderen ist es auch nicht die Spielweise, mit der man sich bei den BVB-Fans beliebt macht.
Der Achtelfinalkracher ist auch die Gegenüberstellung von zwei Spielphilosophien, die völlig unterschiedlich, und doch irgendwie ähnlich sind. Auf der einen Seite haben wir das System von BVB-Cheftrainer Lucien Favre, mit einer Dreierkette, zwei sehr offensiven Außenverteidigern und einer falschen Neun. Er lässt also ein raumbezogenes, passives System spielen, das auf Kontrolle ohne Ball basiert.
Und wir haben Tuchel, der seit Monaten an seinem 4-2-2-2 -System festhält. Die Weltklasse-Spieler wie Mbappé oder Icardi sind im Pariser Sturm gesetzt und die Mittelfeld-Besetzung ist auch eher offensiv gerichtet. Mit Neymar, Draxler und di Maria stehen drei Spielertypen hinter der Sturmspitze, die ebenfalls Tore schießen wollen.
Gegenüber stehen sich also variable Offensiven und gestaffelte Defensiven, die aber komplett unterschiedlich aufgestellt wurden.
(mit Material von dpa)