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DFB-Team: Schiedsrichterin Martincic erklärt: "Spieler protestieren nicht weniger"

Ivana Martincic pfiff als erster Schiedsrichterin ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft.
Ivana Martincic pfiff als erster Schiedsrichterin ein Spiel der deutschen Nationalmannschaft.Bild: www.imago-images.de / Ulrich Hufnagel
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"Die Spieler protestieren nicht weniger, nur weil ich eine Frau bin": Erste Schiedsrichterin bei einem DFB-Spiel der Herren berichtet

22.12.2021, 14:0622.12.2021, 17:30
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Der 11. November 2021 war für Ivana Martincic ein großer Tag. Vermutlich sogar einer der wichtigsten ihrer Karriere. Die 36-jährige Kroatin pfiff ihre erste internationale Fußball-Herren-Partie und durfte direkt das WM-Qualifikationsspiel zwischen Deutschland und Liechtenstein leiten.

Schon vor dem Spiel, als die Ansetzung bekannt wurde, hatte Bundestrainer Hansi Flick gesagt: "Ich freue mich drauf. Dass es passiert, ist ein normaler Vorgang und die Zeit ist da, eine Frau bei den Männern das Spiel leiten zu lassen." Denn es war nicht nur Martincic' erstes internationales Herren-Spiel, vorher pfiff sie nur eine U21-Partie, sondern auch gleichzeitig das erste Spiel einer deutschen Nationalmannschaft, das von einer Schiedsrichterin geleitet wurde.

Bis zwei Wochen vorher unklar, welches Spiel Martincic pfeift

Martincic selbst hatte rund zwei Wochen vorher von der Nominierung erfahren. Gegenüber watson erzählt sie: "Ich wurde von der Uefa informiert, dass ich am 11. November ein Spiel pfeifen werde. Aber bis zum 31. Oktober wusste ich nicht, welches Spiel genau." Als sie die Paarung las, stand sie zunächst unter Schock. So schildert sie es: "Ich musste die Mail von meinem Verband zweimal lesen, um sicher zu sein, dass ich richtig sehe."

Aber wie kam es dazu, dass Martincic überhaupt Schiedsrichterin wurde? Mit 20 Jahren war sie noch selbst Top-Spielerin und spielte in der ersten Liga Kroatiens, jetzt leitet sie mit 36 Jahren Spiele von Manuel Neuer und Thomas Müller.

"Als Spielerin habe ich das höchste Level erreicht und in der ersten kroatischen Frauen-Liga gespielt. Dann war die Schiedsrichterei eine neue Herausforderung, die ich angehen wollte. Ich wollte im Fußball bleiben und das Schiedsrichterwesen gab mir die Möglichkeit dazu", erklärt sie gegenüber watson, wie bei ihr der Wechsel von der Spielerinnen-Seite zur Schiedsrichterei kam

Ivana Martincic (l.) und ihre Assistentin Sanja Rodjak sprechen nach dem Deutschland-Spiel mit Bayern-Star Thomas Müller.
Ivana Martincic (l.) und ihre Assistentin Sanja Rodjak sprechen nach dem Deutschland-Spiel mit Bayern-Star Thomas Müller.Bild: www.imago-images.de / Maik Hölter/TEAM2sportphoto

Dabei sei ihr in die Wiege gelegt worden, Spiele zu leiten. Schon ihr Vater war Offizieller, schaffte es als Linienrichter immerhin in die 2. kroatische Liga. Er war es auch, der immer gewollt habe, dass sie Schiedsrichterin wird. "Schon als ich 18 Jahre alt war."

Damals fokussierte sie sich aber noch selbst aufs Spielen. Zwei Jahre später, mit 22 Jahren, kam dann der Umschwung: "Ich entschied für mich, dass ich es probieren wollte."

Dabei soll ihr Vater stolz nach dem Entschluss gewesen sein. Anders als die Mutter. Lachend erzählt Martincic: "Meine Mutter hatte ein bisschen Bedenken darüber, wie ich gegen die Männer auf dem Feld 'kämpfen' würde." Die anfängliche Skepsis habe nun aber Platz gemacht für Stolz.

Kandidatin für die WM 2023

Das Jahr 2021 war für Martincic insgesamt ein enorm wichtiges. Bevor sie das WM-Qualifikationsspiel Deutschlands leitete, feierte sie auch im September ihr Debüt in der ersten kroatischen Liga. Mittlerweile kamen zwei weitere Einsätze hinzu. In den Wettbewerben der Frauen ist sie ohnehin gesetzt. Regelmäßige internationale Einsätze wie bei der Champions League gehören dazu. Außerdem erzählt sie stolz: "Bis jetzt bin ich eine Kandidatin für die Frauen Europameisterschaft 2022 und für die Weltmeisterschaft 2023, die in Australien und Neuseeland stattfinden."

Obwohl sie eine so große Erfahrung im Frauen-Fußball hat und vergleichsweise noch wenige Einsätze bei den Herren, stellt sie kaum Unterschiede fest. "Wenn ich die bisherigen Männer-Spiele mit denen in der Frauen Champions League vergleiche, sind die Unterschiede nicht so groß, wie die Leute denken." Lachend fügt sie hinzu: "Bei beiden sollte ich eine Menge laufen."

Ivana Martincic (r.) gab in der 9. Minute für Deutschland einen Elfmeter. Hie spricht sie mit dem Schützen Ilkay Gündogan.
Ivana Martincic (r.) gab in der 9. Minute für Deutschland einen Elfmeter. Hier spricht sie mit dem Schützen Ilkay Gündogan.Bild: www.imago-images.de / Anke Waelischmiller/SVEN SIMON

Wenn Martincic allerdings mit anderen Schiedsrichtern spricht, bekommt sie zumindest das Gefühl, dass Fußballer mit ihr "ruhiger" reden, als mit ihren männlichen Kollegen:

"Aber ganz sicher: Wenn ich einen Fehler mache, werden die Spieler nicht weniger protestieren, nur weil ich eine Frau bin. Aber vielleicht meckern sie mit etwas mehr Respekt.".

Grundsätzlich habe sie aber nie Probleme mit Spielern oder Funktionären aufgrund ihres Geschlechts gehabt. "Ich erwarte auch keinen 'Bonus' wegen meines Geschlechts." Sie wolle einfach nur auf dem Platz ihre beste Leistung zeigen, egal ob im Männer- oder Frauen-Bereich.

Weltmeister als Länderspiel-Debüt

Und dennoch sei trotz ihrer internationalen Erfahrungen im Frauen-Fußball die Aufregung vor dem Deutschland-Spiel der Herren im November natürlich extrem hoch gewesen. "Ich wusste, dass ich das Vertrauen der Uefa rechtfertigen musste. Außerdem wollte ich nicht das kroatische Schiedsrichter-Komitee und all meine Freunde enttäuschen, die das Spiel am Fernsehen angeschaut haben."

Was sicherlich auch mit der großen Aufregung in Verbindung steht ist, dass sie mit Deutschland ein absolutes Schwergewicht im internationalen Fußball hatte. Martincic betonte, dass selbst viele ihrer männlichen Kollegen nicht von sich behaupten könnten, das Spiel eines viermaligen Weltmeisters gepfiffen zu haben.

Martincic zeigt Deutschland-Verteidige Antonio Rüdiger die Gelbe Karte.
Martincic zeigt Deutschland-Verteidige Antonio Rüdiger die Gelbe Karte.Bild: www.imago-images.de / Laci Perenyi

Aufgrund dieser Erfahrung wird sie selbst in ihrer Heimatstadt Koprivnica (30 000 Einwohner) von den Menschen auf der Straße angesprochen. Dann müsse sie immer erzählen, wie ihre Erfahrung in Deutschland gewesen sei.

Vielleicht wird das in Zukunft noch weiter zunehmen. Zumindest, wenn sie sich ihre Träume erfüllt, könnte das der Fall sein.

"Ich denke, dass jeder Schiedsrichter und jede Schiedsrichterin denselben Traum hat: Ein Finale einer Weltmeisterschaft zu pfeifen." Wenn sie weiter gute Leistungen zeigt, könnte 2023 beim Finale der Frauen-WM in Sydney dieser Traum in Erfüllung gehen.

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