Noch vor eineinhalb Wochen schilderte Kai Häfner ziemlich genau, was passieren könnte. "Erstens besteht ganz simpel die Gefahr, dass man sich ansteckt. Oder einen Mitspieler. Und jeder Infizierte wirft dann von jetzt auf gleich innerhalb der Mannschaft alles durcheinander. Der Wahnsinn beginnt dann quasi ohne Vorankündigung", sagte der deutsche Handball-Nationalspieler im Gespräch mit watson.
Und genau das von Häfner angesprochene Szenario ist innerhalb der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn aufgetreten.
Es fing an mit Julius Kühn und Hendrik Wagner am vergangenen Samstag, die als erste positiv getestet wurden. Die Omikron-Variante des Corona-Virus zeigte seine enorm hohe Infektiosität und breitete sich rasend schnell im Team aus. Mittlerweile erhielten zehn weitere Spieler einen positiven PCR-Test – darunter auch Kai Häfner.
Seit Montagabend befindet sich der 32-Jährige in Isolation im Hotelzimmer in Bratislava. "Das hatten wir alle noch nicht und gefühlt ändert sich alles von Stunde zu Stunde", sagt er im Gespräch mit watson.
In den vergangenen Tagen hat sich beim Profi der MT Melsungen auch gesundheitlich einiges getan. Gerade die ersten zwei bis drei Tage nach seinem positiven Test hätte er starke Symptome gezeigt. "Es geht mir den Umständen entsprechend okay und ich hoffe, dass ich jetzt auf dem Weg in die richtige Richtung bin", erzählt er mit verschnupfter Stimme.
Ähnlich geht es auch Teamkollege Timo Kastening, der in einem Gastbeitrag im "Spiegel" am Mittwoch berichtete: "Ich habe Hals- und Kopfschmerzen, Husten. Aber die Symptome klingen ab."
Aufgrund der zahlreichen Fälle gab es extra am Mittwochabend einen Austausch zwischen dem Verband und der Liga. Dort einigte man sich jedoch darauf, weiterhin im Turnier zu bleiben, man werde die Lage jedoch täglich neu bewerten.
"Der DHB muss auch die Handball-Liga (HBL) ins Boot nehmen. Schlussendlich bezahlen sie die Spieler und nach der EM soll die Bundesliga-Saison weitergehen", bewertet auch Christian Schwarzer, Rekordtorschütze der Nationalmannschaft, das Vorgehen gegenüber watson.
Bereits im Vorfeld erklärte Häfner, dass es nach der WM in Ägypten im vergangenen Jahr das zweite Turnier unter Pandemiebedingungen sei und alle Spieler wissen, "worauf man sich einlässt".
Nun erwischte es das deutsche Team zwar am heftigsten, doch alle anderen Nationen sind auch von Corona-Infektionen betroffen. Am Mittwoch meldeten die zwölf verbliebenen Teams insgesamt 18 Neuinfektionen.
"Ich bereue nicht, dass ich zur EM gefahren bin", erklärt DHB-Routinier Kai Häfner trotz seiner Infektion. "Dass es so kommt, konnte man nicht wissen. Wir hatten zuvor Turniere, durch die wir gut durchgekommen sind." Für ihn sei die Situation daher sehr "ärgerlich", aber das wichtigste sei nun, dass alle Spieler gesund durch das restliche Turnier kämen und die Infizierten ihre Infektion "gut überstehen".
Wann und ob Häfner und seine Kollegen während der EM nochmal auf der Platte stehen wird, ist absolut ungewiss. Nach fünf Tagen können sich die Spieler, wenn sie symptomfrei sind, mittels PCR-Test freitesten. Ist der PCR-Test auch am sechsten Tag negativ, können sie die Isolation verlassen.
Für Julius Kühn wird das als einer der ersten Infizierten aber zunächst nichts. Obwohl er symptomfrei war, fiel der Test positiv aus. "Er war negativ überrascht", kommentierte DHB-Sportvorstand Axel Kromer kurz. Die Rückkehr des Europameisters von 2016 wurde auf unbestimmte Zeit verschoben.
Kai Häfner ist ebenfalls noch skeptisch, ob er beim Turnier noch zu einem Einsatz kommt. Schließlich müsse er nach den negativen PCR-Tests auch noch den Gesundheitscheck überstehen. Wie der Verband mitteilte, habe man sich auch mit medizinischem Fachpersonal verstärkt und nutze die Ressourcen der Uniklinik Wien. "Jeder potenzielle Rückkehrer wird untersucht – nur so ist ein Wiedereinstieg zu verantworten", teilte der Verband mit.
"Alles muss passen. Ich bin gespannt, wie es kommt und ob man dann eingreifen kann. Das kann man alles noch nicht sagen. Es stehen noch viele Wenn und Aber davor", macht Häfner die Hürden einer Rückkehr deutlich.