Alfred Gíslason machte unmissverständlich klar, was der deutschen Mannschaft nun droht. "Wir haben jetzt vier Endspiele, jede Niederlage bedeutet das Aus", sagte der Bundestrainer nach der 30:33-Niederlage im abschließenden Vorrundenspiel gegen Frankreich am Dienstagabend in Berlin.
Dadurch zog die deutsche Mannschaft mit null Punkten in die Hauptrunde nach Köln ein. Gegen Island am Donnerstag, Österreich (Samstag), Ungarn (Montag) und Kroatien (Mittwoch) müssen Siege her, denn nur die besten beiden Teams qualifizieren sich für das Halbfinale. Immerhin das erklärte Ziel des Teams.
Oder, um es mit den Worten von Rechtsaußen Timo Kastening zu sagen: "Ab nach Köln – und dann wieder gewinnen."
An diesem Vorhaben hat auch Christian Schwarzer, der mit dem DHB-Team 2007 an gleicher Stelle den WM-Titel holte, keinen Zweifel. Wenngleich er im Interview mit watson vor einer Situation warnt.
"Ich kenne zwei Mannschaften, die mit gleichen oder ähnlichen Voraussetzungen mal in eine Hauptrunde gegangen sind. Da war ich auch dran beteiligt und am Ende hat man alle Spiele gewonnen und schönes Glitzerndes um den Hals gehabt", erinnert sich der Rekordtorschütze der deutschen Nationalmannschaft im Gespräch an den EM-Sieg 2004 und den WM-Titel 2007. "Das Allerbeste ist: Sie haben es in der eigenen Hand und sind nicht von den anderen Teams abhängig."
Obwohl die Mannschaft am Dienstagabend in diesem Turnier erstmals ihre Grenzen aufgezeigt bekommen hat, werde das der guten Stimmung rund um das Team keinen Abbruch tun. "Die ersten beiden Partien waren Pflichtsiege. Allen war bewusst, dass das Turnier mit dem Spiel gegen Frankreich erst richtig losgeht."
Besonders imposant war für Schwarzer die unglaubliche Kader-Breite der Franzosen, wodurch sie ohne Qualitätsverlust wechseln konnten und so bis in die Schlussphase bei 100 Prozent waren. Ganz im Gegenteil zum DHB-Team.
Gíslason ließ seine erste Sieben einen Großteil der Spielzeit auf der Platte und wechselte kaum. Seine "junge und talentierte" Mannschaft wolle er selbst noch auf das Level der Franzosen bringen. "Aber für den einen oder anderen ist Frankreich schon eine sehr große Hürde", sagte der Bundestrainer auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. Justus Fischer, Rune Dahmke und Martin Hanne spielten gar nicht, Philipp Weber, Jannik Kohlbacher und Sebastian Heymann kamen nur für wenige Minuten.
Zum leichten Unverständnis von Schwarzer: "Vielleicht hätte er es mal ausprobieren sollen." Schließlich seien Weber, Kohlbacher und Heymann fähige Alternativen. Der Bundestrainer selbst räumte hinterher auch ein, in Sachen Belastungssteuerung einen Fehler gemacht zu haben.
Die zahlreichen Minuten, die beispielsweise Juri Knorr, Julian Köster, Johannes Golla, Lukas Mertens, Andreas Wolff und Timo Kastening auf der Platte stehen mussten, könnten noch Auswirkungen auf die Hauptrunde haben.
"In den Hauptrunden-Spielen ist das Thema Kraft ein ganz wichtiges Thema. Denn auch die anderen Mannschaften tauschen durch und deswegen muss das auch bei uns ein wichtiger Faktor sein", fordert Schwarzer. "Eine erste Sieben wird nicht die kommenden sechs Spiele durchspielen."
Dennoch machen dem ehemaligen Kreisläufer die Leistungen in den ersten drei Turnierspielen Hoffnung. Denn: "Es sind zwar gute Teams, aber keine ist qualitativ so hochwertig wie die Franzosen." Zum Auftakt der Hauprunde geht es gegen die Isländer, die mit zahlreichen ehemaligen und aktuellen Bundesliga-Spielern antreten werden. Als stärksten Gegner schätzt Schwarzer Kroatien mit "ihrer Emotionalität und ihrer Aggressivität" ein.
Daher ist der Handballer des Jahres 2001 guter Dinge, "dass man durchaus alle Spiele in der Hauptrunde gewinnen kann", um eine Chance aufs Halbfinale zu haben.
Zu einem großen Vorteil soll dann auch der Standort Köln mit den Spielen vor 20.000 euphorischen Fans in Lanxess-Arena werden. "Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen", sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer am Mittwoch mit Blick auf die Partien im "Mekka des Handballs". Noch nie hat ein DHB-Team ein Turnierspiel in der Rheinmetropole verloren.
"Aus meiner Sicht schlägt Köln nichts", sagte auch der Bundestrainer, der mit dem THW Kiel in Köln zweimal die Champions League gewann.
Schwarzer erlebte während der WM 2007 selbst, welche Kraft das Kölner Publikum auf die DHB-Stars haben kann. "Durch die Emotionalität der Zuschauer:innen, die uns dort wahnsinnig anfeuern, bringt das natürlich nochmal einen zusätzlichen Schub und unterstützt sie gerade in schweren Phasen."