In Hoffenheim werden wieder Protestplakate gemalt. "Hopp raus" dürfte dabei noch die harmloseste Botschaft verprellter Fans sein, die im Auftaktspiel zur neuen Bundesligasaison im Sinsheimer Stadion präsentiert werden wird. Pikant, denn dieses Mal sind es Fans aus den eigenen Reihen, die gegen Dietmar Hopp, den großen Finanzier des Klubs, protestieren.
Fanproteste gehören in Hoffenheim seit dem fulminanten Aufstieg in den Profifußball dazu. Gästefans fast aller Teams, die im Kraichgau gegen die TSG angetreten sind, haben gegen das Projekt des Milliardärs und Mäzen Hopp protestiert. Immer aus dem Gästeblock heraus.
Mitunter derart heftig und die Grenzen des guten Geschmacks überschreitend, dass sich Dietmar Hopp sowie die jeweilige Vereinsführung genötigt sahen, auch juristisch gegen die Unmutsbekundungen und Protestaktionen der gegnerischen Fans vorzugehen.
Mit Blick auf das Auftaktspiel zuhause gegen Holstein Kiel haben wir heute eine ähnliche Gemengelage: Fanprotest auf der einen und repressive Reaktionen des Vereins auf der anderen Seite. Auslöser der Eskalation war die Entlassung des langjährigen Sportgeschäftsführers Alexander Rosen.
Die TSG Oberen leiteten wenige Wochen vor dem Start in die neue Bundesligasaison einen Umbruch ein und stellen die Führungsriege neu auf. Die Plätze von Alexander Rosen und anderen sollen – so die Befürchtung der Fans – von Getreuen des Mäzens Hopp besetzt werden.
Beispielsweise vom Bürgermeister der Gemeinde Jörg Albrecht, der sich für die Wahl als Klubchef am 2. September hat aufstellen lassen. Er und die jetzige Interimschefin Simone Engelhardt gelten als Vertraute von Dietmar Hopp und bekommen schon jetzt den Gegenwind der Fans in den sozialen Medien zu spüren.
Aber auch im Stadion und Vereinsleben der Hoffenheimer ist ein Schlagabtausch zwischen Fans und Vereinsführung sichtbar. Die Kommunikation innerhalb des Klubs sei zum Erliegen gekommen, vom Club-Fan-Dialog scheint gegenwärtig nichts Ernstzunehmendes sichtbar.
Stattdessen hat der Verein die Axt an den Fanrechten angelegt und beispielsweise die Fanräume im Stadion räumen lassen, weil man befürchtet, dass dort Plakate mit Hassbotschaften gegen Hopp und seine Leute erstellt werden könnten.
Anstatt den Protest auszuhalten und auslaufen zu lassen, wiederholen die Oberen der TSG Hoffenheim ihre Fehler aus der Vergangenheit und gegen diesmal gegen kritische Fans aus den eigenen Reihen vor. Ich hätte zu Geduld und Gelassenheit geraten. Stattdessen ist durch das Einleiten von Repressionen das Gegenteil passiert.
Die Fans sollen durch Druck auf Linie gebracht werden und dieser Druck wird das Gegenteil verursachen. Im Spiel gegen Holstein Kiel werden wir Sprechgesänge und Banner vernehmen, die sich gegen den Klub und dessen Politik richten.
Sollte es in den kommenden Tagen keinen Kurswechsel geben, dann werden sich auch diesmal die Fronten schnell verhärten. Das wissen wir aus den Scharmützeln mit den Fanszenen der Gäste aus den vergangenen Jahren. Damals hatten sich in den Auseinandersetzungen die Positionen schnell verhärtet und die Formen des Protests, aber auch die polizeiliche Aufklärung und staatsanwaltschaftliche Verfolgung mitunter verselbstständigt.
So sehr und überflüssig, dass im Schatten der Hoffenheim-Debatten das Konstrukt in Leipzig, die Verbindung der PR-Abteilung eines Getränkekonzerns mit dem Profifußball, gedeihen konnte. Bis zum Beginn der Pandemie zog der Hoffenheimer Weg ein Großteil der Fankritik des Landes an.
Aus diesem Grund war es überaus klug, dass Dietmar Hopp im Februar 2022 beschlossen hatte, das Kriegsbeil zu begraben und die laufenden juristischen Verfahren gegen Fans aus Dortmund und anderswo, die sich ihm schmähend in den Weg gestellt hatten, einstellen zu lassen.
Gleiches wäre aktuell im Umgang mit den eigenen Fans dringend zu raten. Was ist aus der Gelassenheit der letzten beiden Jahre geworden? Alles nur gespielt? Oder erleben wir gerade den Beginn eines Paradigmenwechsels in den Fanszenen der TSG Hoffenheim?
Entstehen nun in den eigenen Reihen ernstzunehmende Gegenbewegungen oder trifft die Einschätzung der Vereinsbosse zu, dass diese Gegenbewegung noch klein genug ist, sodass man sie im Keim ersticken und durch Repression aus der heilen Hoffenheimer Welt schaffen kann?