Heute findet die Fifa-Sitzung statt, auf der über die WM-Ausrichter für 2030 und 2034 abgestimmt wird. Beide Turniere stehen bereits heute massiv in der Kritik. 2030 soll auf drei Kontinenten in sechs Ländern gespielt werden. Ein Schlag ins Gesicht all derer, die vom Fußball so etwas wie Nachhaltigkeit erwarten.
Und 2034 geht die WM allen Ernstes nach Saudi-Arabien. Damit wiederholt sich die Debatte um das Trauerspiel in Sachen Menschenrechte, die Ausbeutung von Wanderarbeitern und die Missachtung der fußballbezogenen Traditionen und Werte, wie wir es während der WM in Katar erleben mussten.
Bernd Neuendorf ist das Gesicht des deutschen Fußballs auf der Ebene internationaler Fußballpolitik. Als Mitglied des Fifa-Rates obliegt es ihm ganz persönlich, ob er der Bewerbung Saudi-Arabiens zustimmen mag oder ob es für ihn persönlich Gründe gibt, die dagegen sprechen.
Der mit 250.000 Dollar im Jahr dotierte Posten bei der Fifa beinhaltet kein Mandat des DFB. Neuendorf muss sich an keinerlei DFB-Vorgaben halten, darf bei jeder Sitzung frei abstimmen und kassiert das Fifa-Geld auch komplett für sich privat ein. Vor Beginn seiner Amtszeit musste das noch mit der ähnlich hohen Aufwandsentschädigung des DFB verrechnet werden.
DFB-Präsident Neuendorf bezieht also nicht nur enorm viel Geld aus dem Fußball, sondern er hat auch Macht und trägt Verantwortung. Deshalb sage ich klar und deutlich: Lieber Herr Neuendorf, reden Sie Klartext in Sachen Fifa und WM-Vergabe, nehmen Sie zu den Abläufen und Entscheidungen seit Katar 2022 unmissverständlich Stellung und stellen sich ohne "wenn und aber" gegen die Bewerbung von Saudi-Arabien um die Austragung der WM 2034. Sagen Sie in der Fifa-Sitzung einfach NEIN!
Im Januar 2024 hatte sich Neuendorf nach einer Reise durch Saudi-Arabien ein Bild vor Ort gemacht und kam zu dem Schluss, dass Saudi-Arabien ein "echtes Fußballland" sei. Was er auch immer unter "echt" verstehen mag.
In Saudi-Arabien passiert gerade nichts anderes als das, was wir zehn Jahre vor der WM auch in Katar beobachten konnten. Der Fußball wird mit Geld überschüttet und die Verantwortlichen hoffen darauf, dass sich so etwas wie Fußballkultur und Begeisterung kaufen ließe.
Das Gegenteil scheint der Fall: Nach den milliardenschweren und öffentlichkeitswirksamen Verpflichtungen internationaler Fußballrentner seit 2022 brach der Zuspruch der Zuschauer Jahr um Jahr weiter ein. Aktuell besuchen durchschnittlich nur noch 7880 Zuschauer die Spiele der saudischen Pro League und selbst die Spiele der vier Topklubs schaffen nur selten eine Auslastung von über 50 Prozent. Ich stelle mir etwas anderes unter einem "echten" Fußballland vor.
In acht oder neun Jahren wird man angesichts der zu erwartenden Boykottaufrufe sagen: Dazu ist es jetzt zu spät. Der Fehler wurde am 11. Dezember 2024 begangen, als die Fifa-Mitglieder die WM nach Saudi-Arabien vergeben haben. Wohl wissend, dass die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien nicht mit den Fifa-eigenen Normen vereinbar ist und von internationalen Menschenrechtsorganisationen auf das Schärfste kritisiert wird.
Auch bei dieser WM-Vergabe scheint es wieder einmal nur um Gigantismus, Sportswashing, Instrumentalisierung des Sports für politische und ökonomische Interessen und vor allem um ganz viel Geld zu gehen.
Das hat natürlich Geschmäckle und deshalb wurde auf der Zielgeraden zu Neuendorfs JA für Saudi-Arabien am Freitag vergangener Woche nochmal rasch eine Präsidiumssitzung der DFB-Oberen einberufen. Dort wurde besprochen, was zuvor längst beschlossen war. Und offensichtlich hatte niemand Einwände vorzubringen. Deshalb heißt es nun, der deutsche Fußball stände hinter Neuendorfs JA.
Die gleichzeitig ins Spiel gebrachten Begründungen klingen fast noch befremdlicher als die nun kollektiv abgesicherte Zustimmung für Saudi-Arabien 2034. Ein Nein würde innerhalb der Fifa-Gesellschaft zu einer Außenseiterrolle führen. Ich meine, das wäre mit Blick auf die Geschichte und aktuelle moralische Verfasstheit dieser Organisation nichts, wovor man sich fürchten müsste.
Bernd Neuendorf sieht das anders: "Der DFB ist ein großer Verband, es wird immer gefragt, wo ist der Einfluss des DFB. Wir können unseren Einfluss nur geltend machen, wenn wir sagen, wir stimmen zu, aber wir wissen, es gibt Defizite, wir müssen gemeinsam darauf einwirken, dass sich die Situation vor Ort verbessert – in Bezug auf Menschenrechte und Nachhaltigkeit."
Lieber Herr Neuendorf, was hindert Sie daran, zu dem zu stehen, was Sie für verantwortbar und richtig halten? Wenn Sie "Defizite" in der Bewerbung Saudi-Arabiens sehen, dann benennen sie diese und sagen NEIN zu dieser Bewerbung.