Eine der ernüchternderen Erkenntnisse dieser WM ist, dass die Schere zwischen Spitzen-Nationen und den Underdogs immer größer wird. In Russland gibt es einfach keine Überraschungsteams. Die Kleinen kämpften aufopferungsvoll, schafften es aber nicht in ihrer Unzulänglichkeit, die Großen wirklich zu ärgern.
Stattdessen würgten sich Favoriten durch die Vorrunde, ohne je wirklich gefährdet gewesen zu. So stolzierten die viel talentierteren Spieler der großen Nationen wie Gockel über den Platz. Als ob der Fan es ihnen danken müsste, dass sie sich erbarmen, bei einer WM dabei zu sein.
Und das Schlimmste ist: Sie stehen trotzdem alle im Achtelfinale. Bis auf Deutschland, aber die hätten auch einen Platz auf dieser Liste der Überheblichen bekommen.
Dicht gefolgt von...
Die Franzosen sind die Drama-Queens des europäischen Fußballs. Keines der letzten zehn Turniere verlief ohne Krise, auch nicht die WM 1998 oder die EM 2000 als sie jeweils den Titel holten. Nach Zidanes unrühmlichen Kopfstoß-Abgang im WM-Finale 2006 implodierte die Grande Nation mit ihrem Tiefpunkt in der Meuterei in Südafrika 2010. Deswegen ist es umso erstaunlicher, wie sich der französische Fußball aus dem Loch zog, um 2018 auf den besten Talent-Pool aller Nationen zurückgreifen zu können.
Doch was Frankreich bei dieser Weltmeisterschaft daraus macht, ist nur schwer mit anzusehen. Trainer Didier Deschamps lässt so spielen, wie er als Aktiver gespielt hat: Die Löcher stopfen, dazwischen gehen und sich auf das Können der Stars vorne zu verlassen. Das Schlimmste daran ist, dass Frankreich noch Erfolg damit hat und dem destruktiven modernen Fußball-Trend eine Legitimation gibt.
Einige von Deschamps Entscheidungen sind zumindest unverständlich.
Seine elfköpfige Liste von Reserve-Spielern, die sich für eine Nachnominierung (in ihrem Urlaub) bereit halten sollten, war pietätlos. Adrien Rabiot von Paris Saint-Germain ließ sich zu Recht davon streichen. Als ob sich junge Stars wie Martial, Coman oder Lacazette auf eine Reserveliste setzen wollen.
Gegen Australien und Peru wurden schmeichelhafte Siege eingefahren und mit den Dänen der Gruppensieg in einem würdelosen 0:0 verabredet.
Die Mannschaft selber wirkt planlos und trotzdem doch überheblich. Der immer noch erst 19-Jährige Kylian Mbappé, der vergleichsweise bescheiden gewirkt hatte, hat bei PSG wohl einiges von Neymar gepachtet. Gegen Peru wollte er bei fast jeder Ballberührung irgendwas anstellen und seine Gegner verhöhnen. Giroud klaute er sein Tor und jubelte anschließend so:
Der andere Armverschränker im Bild ist Frankreichs wichtigster Spieler Antoine Griezmann. Der Stürmer hat sich vom verschmähten Jugendspieler in Frankreich zum tödlichen Weltstürmer entwickelt. Eigentlich eine schöne Geschichte. Doch irgendwie will es bei ihm auch nicht so Recht klicken. Vielleicht sind es die missglückten Haar-Kreationen. Wahrscheinlich ist aber eher der lächerliche Wackel-Shaka-Jubel, den er immer noch einstreut.
Oder liegt es daran, dass er die von Fans, Medien und der ganzen Welt so sehnlichst erwartete Entscheidung (ob er zum FC Barcelona wechselt oder bei Atlético Madrid bleibt) in einer 32-minütigen Selbstdarsteller-Doku mit dem Namen "La decisión" auf einer Pay-TV-Plattform verkündete?
Es hilft auch nicht, dass die Franzosen gerne zu dreckigen Tricks greifen. Lucas Hernandez sagte nach dem Australien-Spiel, als er wiederholt schauspielerte, um den verwarnten Matthew Leckie vom Feld zu stellen:
Immerhin ist er ehrlich, dieser 22-Jährige Verteidiger (!) von Atlético Madrid.
Der, dem ein Weltmeister-Titel noch am meisten gegönnt sei, ist Paul Pogba. Großspurig oder nicht, es gab selten so einen kompletten Mittelfeld-Spieler. Pogba kann mit dem Ball alles anstellen, was ihn manchmal in der Entscheidungsfindung auf der Spielmacher-Position blockiert. Der 25-Jährige hält die junge Mannschaft zusammen, ist ihr Anführer, obwohl viele Franzosen den extravaganten Jungen aus dem Pariser Banlieue lieber scheitern sehen würden.
Doch Vorsicht, am Ende mogeln sich "les Bleus" eh wieder ins Finale. Es wäre uns allen nicht zu gönnen.