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Werder Bremen: Felix Agu spricht über Leidenszeit und Europa-League-Ambitionen

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Felix Agu (l.) und Werder Bremen machten beim 1:0-Sieg beim FC Bayern München ihr bisher bestes Spiel der Saison.Bild: imago images / Revierfoto
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Werder Bremens Felix Agu bremst Euphorie: "Haben nicht den Bezug zur Realität verloren"

01.03.2024, 16:50
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Erst Aufstiegsheld, dann beinahe vergessen: Felix Agu war bei Werder Bremens Wiederaufstieg in die Bundesliga eine der Stammkräfte, danach begann seine Leidenszeit. Monatelang quälte er sich täglich mit starken Schmerzen ins Training, dann wurde eine OP unausweichlich.

Die Folge: eineinhalb Jahre Verletzungspause. Sein Comeback feierte er erst im November vergangenen Jahres. Seitdem ist er einer der Gesichter von Werders sportlichem Aufschwung.

"Wären die Schmerzen nach der OP geblieben, wäre an tägliches Training oder Bundesliga-Spiele nicht zu denken gewesen."

Im watson-Interview spricht der 24-Jährige über mentale Löcher in der Reha, die Angst um die eigene Karriere und den Auslöser für Werders aktuellen Höhenflug.

Watson: Felix, weißt du überhaupt noch, wie es sich anfühlt, ein Bundesliga-Spiel zu verlieren?

Felix Agu: (lacht) Ja. Gegen Heidenheim vor zwei Wochen habe ich es auf dem Platz miterlebt.

Davor wart ihr sieben Spiele ungeschlagen. Auf die Heidenheim-Pleite folgten ein Sieg gegen Köln und ein 1:1 gegen Darmstadt. Du hast die Saison den Platz erst dreimal als Verlierer verlassen müssen.

Dass es gerade auch mit mir auf dem Platz so gut läuft, ist natürlich schön.

03.02.2024, Rheinland-Pfalz, Mainz: Fußball: Bundesliga, FSV Mainz 05 - Werder Bremen, 20. Spieltag, Mewa Arena: Bremens Felix Agu (l) spielt gegen den Mainzer Leandro Barreiro. Foto: Torsten Silz/dpa ...
Felix Agu (l.) fühlt sich bei Werder Bremen vor allem auf der kompletten linken Außenbahn wohl. Bild: dpa / Torsten Silz

Ihr habt nur vier Punkte Rückstand auf Europa-League-Platz 6. Aber auch Platz 7 oder 8 könnten für eine Teilnahme an der Conference Leaguereichen. Ist das realistisch?

Es ist immer besser, positive Ziele zu verfolgen, statt zu schauen, dass wir irgendwie über dem Strich bleiben. Wenn du beispielsweise nur den Fokus auf den Klassenerhalt legst, ziehst du den Abstiegskampf auch ein bisschen an. Daher war es für uns schöner, zu sagen, dass wir größere Ziele verfolgen. Wir schauen nach oben und versuchen, bis zum Saisonende das Bestmögliche rauszuholen.

Waren die magischen Europapokal-Nächte von Werder schon Thema in der Kabine?

So intensiv haben wir darüber noch nicht gesprochen. Aber natürlich tauscht man sich aus, wenn man nach dem Spieltag auf die Tabelle schaut. Wir haben aber nicht den Bezug zur Realität verloren und denken, dass dieses Ziel schon erreicht ist. Wir haben noch viel Arbeit vor uns.

"Ich habe gelernt, dass ich kleine Probleme nicht einfach abtue, damit es nicht wieder ein chronischer Zustand wird."

Euer Start ins neue Jahr war nicht nur wegen des 1:0-Sieges beim FC Bayern überragend. In der Rückrunden-Tabelle seid ihr Dritter. Kannst du erklären, was bei euch in der Winterpause passiert ist?

Ich würde sagen, das hat schon vor der Winterpause mit dem Spiel gegen Leipzig angefangen.

Das Heimspiel gegen RB kurz vor Weihnachten endete 1:1.

Genau. Da haben wir gesehen, dass wir mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung auch gegen ein Top-Team der Liga bestehen können. Wir haben defensiv gut gestanden und konnten nach vorne immer wieder Nadelstiche setzen. Das haben wir mit ins neue Jahr genommen. Der Sieg in München hat dann nochmal dafür gesorgt, dass wir mit einem positiven Gefühl und einem ganz anderen Selbstbewusstsein in die Spiele gegangen sind.

Gleichzeitig wird auf euren vermeintlichen leichten Spielplan hingewiesen. In den vergangenen vier Spielen ging es gegen die letzten drei Mannschaften der Liga.

Ich denke nicht, dass es ein einfaches Programm war. Viel mehr haben wir uns gegen Mannschaften von unten bisher schwerer getan als gegen Teams aus dem Mittelfeld. Dennoch blicke ich insgesamt auf die vergangenen Wochen positiv zurück.

Der Abstand in der Tabelle zwischen Platz sieben und Platz 15 beträgt nur fünf Punkte. Spricht das für oder gegen die Bundesliga?

Es spricht für die Qualität der Liga, weil es zeigt, wie ausgeglichen sie ist. Es gibt keinen krassen Bruch in der Tabelle, auch wenn es oben natürlich ein paar Mannschaften gibt, die sich von der Qualität absetzen.

Nach eineinhalb Jahren Verletzungspause standest du seit Mitte Dezember immer in der Startelf. Nach so langen Auszeiten haben Spieler immer wieder mit kleinen Muskelblessuren zu kämpfen. Bist du überrascht, wie gut dein Körper mit der Belastung umgeht?

Das stimmt. Ich habe einfach viel mit den Physios gearbeitet und zum Glück bin ich bisher relativ konstant durch die Saison gekommen. Aber ich wusste, wenn ich schmerzfrei aus der Verletzung komme, werde ich ein besseres Level erreichen als zuvor.

Hattest du Sorge, jemals wieder Bundesliga-Fußball spielen zu können?

Es war eine schwierige Zeit, als ich noch keine Klarheit hatte, dass die Schmerzen wirklich verschwinden. Wenn die Schmerzen nach der OP geblieben wären, wäre ein alltägliches Training oder Spiele auf Bundesliga-Niveau fast unmöglich gewesen.

Wie bist du damit umgegangen?

Ich habe viel Unterstützung von meiner Familie und meinen Freunden bekommen, damit ich nicht in ein mentales Loch falle.

Musstest du dir damals schon Gedanken um einen Plan B abseits des Fußballs machen?

Einen Plan B hatte ich ehrlich gesagt nicht, dafür war ein mögliches Karriereende zu weit weg. Auch als ich in einem mentalen Loch war, habe ich mich nicht mit Alternativen zum Fußball beschäftigt, sondern viel mehr mit Plan B der Behandlungsoptionen.

Was hast du für dich persönlich aus der langen Pause mitgenommen?

Dass ich noch häufiger bei unseren Physios in Behandlung bin und kleinere Probleme nicht einfach abtue. Vor allem, damit es nicht wieder zu einem chronischen Zustand wird, wie bei meinen Patellasehnenproblemen. In den Monaten vor der OP hatte ich am Ende so viele Schmerzen, dass ich gar nicht an meine Leistungen herankommen konnte.

Denkst du manchmal daran, wo du heute sein könntest, wenn dieses eine Jahr nicht gewesen wäre?

Ich trauere der Zeit nicht nach. Auch wenn ich weiß, dass eine Karriere relativ kurz ist und eineinhalb Jahre viel Zeit sind, konzentriere ich mich auf das, was ich bei Werder habe und blicke positiv in die Zukunft. Am Ende gehört es dazu und vielleicht sollte es genauso sein.

Auf der linken Außenbahn bist du aktuell gesetzt. In dieser Saison hast du aber auch schon rechts gespielt. Wo fühlst du dich wohler?

Es kommt immer darauf an, auf welcher Position man mehr trainiert und wo man mehr in den Abläufen drin ist. Ich habe seit meinem Comeback fast immer auf links gespielt, daher würde ich das aktuell bevorzugen. Aber beide Seiten haben ihre Vorteile für mich.

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Welche?

Auf rechts bin ich im Spielaufbau sicherer, weil man den Ball in seinen starken Fuß gespielt bekommt. Links ist es im offensiven Drittel einfacher, weil es dann mehr Optionen gibt. Ich kann in die Mitte ziehen oder auf Außen durchgehen.

Beides Positionen, auf denen der deutsche Fußball seit Jahren Probleme hat. Joshua Kimmich wird von Bundestrainer Julian Nagelsmann als rechter Verteidiger eingeplant. Siehst du eine Chance für dich auf der linken Seite?

Dass Kimmich hinten rechts eingeplant ist, zeigt, dass es auf der Position auf jeden Fall Bedarf gibt. Aber damit ich dafür in Betracht komme, müsste ich nochmal einen Sprung nach vorne machen. Ich muss mehr Konstanz und offensiven Output in mein Spiel bekommen. Im Moment ist das aber kein Thema.

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