Daniel Elfadli hat vor drei Jahren noch in der Oberliga gespielt, mit 24 Jahren. Heute ist er Führungsspieler beim Hamburger SV und auf bestem Wege in die Bundesliga. Sein Aufstieg ist mehr als ungewöhnlich.
Auch beim HSV ist der Sechser direkt eingeschlagen und bereits jetzt Stammspieler sowie Leader. Dennoch wirkt er alles andere als überfordert mit seinem steilen Aufstieg und den ständigen Wechseln – sowie dem immensen Druck in Hamburg.
Im Gegenteil: Elfadli träumt einfach weiter, wie er im Gespräch mit watson erklärt.
Watson: Daniel, vor zwei Wochen hast du nach deinem Tor gegen Nürnberg beim Jubel auf eine imaginäre Armbanduhr getippt nach dem Motto: "Geduld bewahren." Steht der Torjubel auch symbolisch für deine bisherige Karriere?
Daniel Elfadli: Schon irgendwo. Ich bin eher ein "Spätzünder". Der Jubel war aber eher ein kleiner Witz, weil ich bei einer Besprechung minimal zu spät gekommen bin.
Muss man dafür dann Strafe zahlen unter Steffen Baumgart?
Ja, schon ein bisschen. (Grinst)
Und ist er nachtragend?
Ne, gar nicht. Natürlich sieht das kein Trainer gerne, wenn ein Spieler zu spät kommt. Aber wenn man dann zahlt und es nicht wieder vorkommt, ist das auch gegessen.
Dabei ist eine Verspätung manchmal gar nicht so verkehrt: Du spieltest bis 2021 noch in der Oberliga und bist seit diesem Sommer beim HSV. Wie erklärst du deinen späten, aber steilen Aufstieg?
Ich habe mich einfach spät entwickelt. Ich bin erst spät auf ein Niveau gekommen, auf dem ich dann wirklich auffällig geworden bin für andere Vereine. In unteren Ligen ist es außerdem schwieriger, sich zu zeigen, wenn man kein Stürmer ist und Tore wie am Fließband schießt.
Du sagtest mal, dass du zu Landesligazeiten das Ziel hattest, pro Jahr eine Liga höher zu kommen, und dafür täglich extra trainiert hast. Was pushte dich im Amateurfußball zu diesem Anspruch?
Das kam schon aus mir heraus: Der Traum, den ich einfach hatte, Profi zu werden, auch wenn es zu der Zeit ziemlich unrealistisch war. Aber ich habe immer den Antrieb in mir gehabt, das Unmögliche möglich zu machen und Sachen zu erreichen, die weit weg erscheinen. Da habe ich mir einfach keine Grenzen im Kopf gesetzt – mache ich heute auch nicht.
Zu welcher Zeit war das etwa?
Mit Anfang 20 in der Verbandsliga, als das erste Interesse aus der Oberliga kam. Mental war das ein Türöffner, da habe ich mir gesagt: Jetzt Oberliga und nächstes Jahr, wenn ich Gas gebe, klappt es vielleicht mit der Regionalliga. Dann habe ich einfach geträumt. Und mit der Zeit kam es, dass ich jedes Jahr eine Liga höher gekommen und jetzt hier beim HSV gelandet bin.
Jetzt also Hamburg. Inwiefern fühlt sich die Station anders an als deine bisherigen?
Früher habe ich HSV-Spiele immer in der Sportschau gesehen. Schon in der Hinsicht habe ich einen anderen Bezug zu dem Verein. Dann sieht man natürlich auch das Drumherum und wir spielen jedes Heimspiel vor 57.000 Fans im Volksparkstadion – das ist schon beeindruckend. Und medial ist es einfach nochmal etwas ganz anderes und generiert eine ganz andere Aufmerksamkeit.
Bei der riesigen Erwartungshaltung in Hamburg, im siebten Anlauf endlich aufzusteigen, lastet auch ein großer Druck auf den Spielern. Was macht das mit dir?
Mich pusht das. Ich scheue davor nicht zurück, dass es vielleicht schiefgeht, sondern ich suche genau diese Herausforderung. Deswegen bin ich auch hergekommen, weil ich weiß, der HSV will unbedingt den Aufstieg schaffen. Das gibt so einen gewissen Nervenkitzel, auch ein bisschen mehr Adrenalin, weil wir gemeinsam etwas Großes erreichen können.
Dennoch kannst auch du die Gesetze des Fußballs in Hamburg nicht ändern: Der HSV läuft schon wieder seinen eigenen Ansprüchen hinterher. Warum schafft es die Mannschaft dieses Jahr am Ende doch aufzusteigen?
Ich bin von der Qualität des Kaders einfach sehr überzeugt. Wenn wir die konstant auf den Platz bekommen, wird es schwierig, uns aufzuhalten. Und wir haben jetzt auch noch mal andere Spielertypen drin als vielleicht im vergangenen Jahr – mit Davie [Selke, Anm. d. Redaktion], mit mir und mit anderen Neuzugängen. Dass es mal Phasen gibt, in denen es nicht so gut läuft, ist völlig normal. Wichtig ist, aus den Rückschlägen der vergangenen Wochen zu lernen.
Was müsst ihr dazu beim Spiel gegen Schalke konkret anders machen als in den vergangenen Spielen?
Vor allem weniger individuelle Fehler. Das hat uns in den vergangenen Spielen Zähler gekostet. Und, dass wir mehr bei uns bleiben: Vor allem, wenn wir in Rückstand geraten, verfallen wir teilweise noch in Hektik und in Unordnung. Da müssen wir mehr an unsere Qualität glauben und unsere Prinzipien noch mehr verinnerlichen, weil da haben wir klare Abläufe. Wir reden auf jeden Fall viel und arbeiten zusammen, um die Dinge auf dem Platz zu verbessern.
Stehst du als Neuzugang, der aber schon Leader auf dem Platz ist, viel mit Steffen Baumgart im Austausch?
Klar, wir sind im Austausch mit dem Trainer. Ich finde es gut, dass das komplette Trainerteam und wir als Mannschaft so eng zusammenarbeiten. Wir ergänzen uns da und kommunizieren, um einfach gemeinsam unser Ziel zu erreichen.
Du bist bereits seit zwei Jahren Nationalspieler Libyens, hast bisher jedoch nur die allerwenigsten Spiele gespielt. Woran liegt das?
Bei mir steht an erster Stelle immer der Verein. Ich schaue immer, wie es hier läuft und vor allem auch, wie es mir geht, wie ich mich fühle und ob ich beispielsweise mal überspielt bin. Und wenn ich das Gefühl habe, es tut mir in dem Moment nicht gut und dass ich auch mal eine Pause brauche, dann bleibe ich hier.
Wo siehst du dich in zwei Jahren?
Mein Ziel ist, mit dem HSV die Bundesliga zu erreichen. (Kurze Pause) Und das gerne schon im nächsten Jahr und nicht erst in zwei Jahren (zwinkert).
Und wenn der Aufstieg mit dem HSV nicht klappen sollte?
Wie gesagt: Das Ziel ist, in der Bundesliga zu spielen. Ganz klar, das ist das Ziel von jedem Spieler in der zweiten Liga. Aber ich bin hergekommen, um mit dem HSV aufzusteigen. Und da zählt für mich nur das eine und nichts anderes.
Hattest du vor ein paar Wochen von den Gerüchten gehört, dass Bundesligisten schon jetzt so früh in der Saison ein Interesse an dir haben?
Ich habe es mitbekommen. Aber ich beschäftige mich damit nicht. Stattdessen versuche ich, das auszublenden und mich auf mein Ziel hier zu fokussieren. Und ich glaube, wenn du mit dem HSV aufsteigst: Es gibt nichts Schöneres.