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FC Bayern: Ex-Boss Michael Reschke fällt klares Urteil zu Nick Woltemade

ARCHIV - 19.01.2019, Baden-W�rttemberg, Stuttgart: Fu�ball: Bundesliga, VfB Stuttgart - FSV Mainz 05, 18. Spieltag in der Mercedes-Benz Arena. Michael Reschke, ehemaliger Sportvorstand des VfB Stuttga ...
Michael Reschke war von 2014 bis 2017 Technischer Direktor beim FC Bayern.Bild: dpa / Sebastian Gollnow
Interview

Ex-Bayern-Boss Reschke zu möglichem Woltemade-Transfer: "praktisch Pflicht"

Michael Reschke kennt das Fußball-Geschäft. Für den FC Bayern, Bayer Leverkusen, Stuttgart und Schalke arbeitete er in unterschiedlichsten Rollen und verpflichtete dutzende Spieler. Nun blickt er von außen auf die Münchner Kaderplanung.
07.08.2025, 16:5807.08.2025, 16:58
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Watson: Herr Reschke, im aktuellen Bayern-Kader stehen 22 gestandene Profis, 23 wenn Paul Wanner mitgezählt wird. Dazu kommen zahlreiche Talente. Allerdings sind Top-Stars wie Jamal Musial und Alphonso Davies noch lange verletzt. Reicht das für drei Wettbewerbe?

Michael Reschke: Ich war nie ein Fan von zu großen Kadern. Entscheidend sind die Topspieler, davon benötigen die Bayern so 16 bis 18. Dazu brauchst du noch weitere vier bis sechs gute Bundesliga-Spieler. Dann ist der Kader gut aufgestellt. Die weiteren Ergänzungsspieler-Minuten – speziell, wenn Spiele bereits entschieden sind – sollten Talente erhalten. Da muss Max Eberl als Sportvorstand eigentlich nicht mehr viel machen. Eine große Transferflut erwarte ich deshalb nicht mehr.

Also würden Sie auch keinen Ersatz für Davies oder Musiala kurzfristig verpflichten?

Die wichtigsten Spiele finden in der Rückrunde statt und dann sollten Top-Spieler wie Jamal Musiala oder Alphonso Davies wieder fit sein. Wenn man zu viele Hochkaräter im Kader hat, ist die Gefahr von Unruhe und Unzufriedenheit zu groß.

Wie sehen sie die Kaderbewegung beim FC Bayern in diesem Sommer generell?

Mit den ablösefreien Transfers von Jonathan Tah und Tom Bischof haben sich die Bayern wirtschaftlich intelligent und sportlich gut verstärkt. Tah ist einer der besten Innenverteidiger der Bundesliga. Bischof ist eines der größten deutschen Talente und hat sich in der Bundesliga bereits bewährt.

Und Luis Díaz, der für 67,5 Millionen Euro kam?

Ein interessanter Transfer, bei dem man natürlich abwarten muss, ob am Ende das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmig ist. Dass Díaz Qualität besitzt, steht außer Frage. Die Erwartungen sind aber wegen der hohen Gesamtinvestitionen zurecht groß. Seine hohe Leistungsbereitschaft ist definitiv ein Plus, jetzt muss die Effektivität noch stimmen. Die bisherigen Verpflichtungen machen aus meiner Sicht also insgesamt Sinn.

13 Spieler haben den Verein verlassen oder wurden verliehen. Wie bewerten Sie die Abgänge?

Es gab mächtig Bewegung. Zwar wurden durch die Abgänge von Leroy Sané, Eric Dier oder Thomas Müller keine Erträge erwirtschaftet, aber zumindest das Gehaltsgefüge deutlich entlastet. Gleiches gilt für den Palhinha-Abgang, der auch medial hilft. Es wäre ein Dauerthema, wenn er in München erneut nicht zu Einsätzen gekommen wäre. Eberl und Co. werden hoffen, dass er bei Tottenham einschlägt und die Londoner nächste Saison die Option für Palhinha ziehen.

"Sich um Woltemade intensiv zu bemühen, ist praktisch Pflicht für den FCB."

Gibt es einen Mannschaftsteil, den sie bei den Bayern aktuell kritisch sehen?

Ich sehe den Bayern-Kader stark und bin nicht der Meinung, dass noch viel passieren muss. Auf einzelnen Positionen kann es natürlich noch Bewegung geben – beispielsweise, wenn Min-jae Kim mit seiner Rolle hinter Dayot Upamecano und Jonathan Tah unzufrieden ist und wechseln sollte. Darauf werden die Münchner aber gewiss vorbereitet sein.

Wo noch etwas passieren könnte, ist rund um Nick Woltemade. Wo läge für sie persönlich die Schmerzgrenze bei der Ablösesumme?

An der Spekulation möchte ich mich nicht beteiligen, weil ich bei beiden Vereinen gearbeitet habe. Grundsätzlich kann ich die Sicht- und Verhaltensweisen beider Klubs verstehen. Sich um Woltemade intensiv zu bemühen, ist praktisch Pflicht für den FCB. Logisch aber auch, dass der VfB ihn behalten will – es sei denn, es kommt ein außergewöhnliches Angebot.

ARCHIV - 11.05.2025, Baden-Württemberg, Stuttgart: Fußball: Bundesliga, VfB Stuttgart - FC Augsburg, 33. Spieltag, MHPArena. Stuttgarts Nick Woltemade jubelt nach seinem Tor zum 2:0. (zu dpa: ««Bild»: ...
Nick Woltemade hat mit dem VfB Stuttgart den DFB-Pokal gewonnen.Bild: dpa / Tom Weller

Der VfB Stuttgart tritt klar in der Kommunikation auf, lässt es aktuell nicht mal zu Verhandlungen kommen. Wie sehen Sie diesen Vorgang?

Machen wir ein kleines Gedanken-Experiment: Wenn ein anderer Klub sich derart offensiv in der Öffentlichkeit um einen Bayern-Star, den man nicht abgeben will, buhlen würde, würden die Bayern öffentlich noch aggressiver dagegenhalten. Da bin ich mir sicher.

Wie erklären sie sich diesen vehementen Umgang des VfB?

Mit der absoluten Überzeugung, die die VfB-Führung zu Woltemade besitzt. Alexander Wehrle, Fabian Wohlgemuth und Sebastian Hoeneß haben in den letzten beiden Jahren einen Topjob gemacht und einen starken Kader aufgebaut. Nick kommt da eine Schlüsselrolle zu und deshalb will man ihn natürlich behalten – völlig logisch. Da interessiert es den VfB auch nicht, was der FC Bayern will.

Gleichzeitig rückte Woltemade erst im vergangenen Winter in die Startelf beim VfB. Reichen acht starke Monate, um langfristig zu Bayern zu wechseln?

Die Frage, ob Nick ein Bundesliga-Spitzenspieler mit Tendenz zur internationalen Klasse ist, hat er in der vergangenen Bundesligasaison und durch seine starke U21-EM bereits eindrucksvoll beantwortet. Und dass er noch keine fünf Jahre Erfahrung aufweist, liegt an seiner Jugend. Nur zur Einordnung: Mit Joshua Kimmich hatten wir uns zu meiner Zeit beim FC Bayern schon beschäftigt, als er noch keine Spielminute in der 2. Bundesliga vorweisen konnte. Entscheidend ist immer die Überzeugung in die Klasse eines Spielers.

"Es ist wichtig und richtig, dass Dreesen sowohl bei Díaz als auch bei Woltemade mit von der Partie ist."

Dennoch kam Kimmich damals für 8,5 Millionen Euro. Ein viel geringeres Risiko als Woltemade mit vermutlich weit über 60 Millionen Euro.

Das stimmt natürlich. Aber dies zu entscheiden ist die Verantwortung vom Sportvorstand, gemeinsam mit allen sportlich und wirtschaftlich Verantwortlichen in einem Klub. Da gilt es gemeinsam abzuwägen, welches Investment man bereit ist einzugehen.

Medial wurde zuletzt oft über den Fakt gesprochen, dass sich Bayerns Vorstandsvorsitzender Jan-Christian Dreesen in den Poker um Luis Díaz und Nick Woltemade eingemischt habe. Inwiefern ist es normal, dass auch der CEO trotz Sportvorstand und Sportdirektor mitmischt?

Ich antworte mit einer Gegenfrage: Wer hat sich aus Stuttgarter Sicht zum Bayern-Interesse an Woltemade geäußert?

Sowohl Sportvorstand Fabian Wolgemuth als auch der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle…

… eben. Es ist wichtig und richtig, dass Dreesen sowohl bei Díaz als auch bei Woltemade mit von der Partie ist. Bei Díaz liegt das Investment bei mehr als 100 Millionen, wenn Ablöse, Gehalt und Beraterkosten addiert werden. Als Sportvorstand würde ich darauf bestehen, dass alle Entscheidungsträger und ganz besonders der CEO mit an Bord sind. Ein Woltemade-Deal würde gewiss auch im dreistelligen Millionenbereich liegen.

Also ist es für Sie ein normaler Vorgang?

Aus meiner Sicht ist Dreesen als der Vorstandsvorsitzende verpflichtet, entscheidend und aktiv mitzuwirken. Wer genau wie viele Angebote oder Statements abgibt, ist doch völlig egal. Ich würde mir eher Gedanken machen, wenn sich Dreesen bei einem Transfer mit geringem Volumen einmischt und Max Eberl nicht vertraut. Das Wichtigste bei solch großen Deals ist, dass alle an einem Strang ziehen und von der Verpflichtung überzeugt sind. Da muss auch pragmatisch gehandelt und Positionstitel beiseitegeschoben werden.

Wie meinen Sie das?

Nehmen wir die Abläufe um Wunschspieler Florian Wirtz. Uli Hoeneß hatte deutlich die beste Verbindung zu Hans Wirtz, dem Vater und Berater von Flo. Somit war logisch, dass Hoeneß in den Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen musste. Entscheidend ist immer, was für den Klub und das Ziel das Beste ist. Dass Flo sich am Ende für Liverpool entschieden hat, lag gewiss entscheidend am Reiz der Premier League. Und die Reds sind auch ein Super-Klub. So bitter wie dies für die Bayern war – ich habe es nicht als Niederlage für den FCB gewertet.

Max Eberl auf dem Prüfstand: Umdenken bei den Bayern-Bossen
Nach harter Kritik steht Max Eberl beim FC Bayern vor einer wichtigen Aufsichtsratssitzung. In der Klubführung mehren sich die Zeichen der Rückendeckung.
Zuletzt war viel Kritik zu hören. Die verpasste Verpflichtung von Florian Wirtz, öffentlich ausgetragene Diskussionen um Transferziele, eine gewisse Unruhe auf dem sportlichen Parkett – Max Eberl stand beim FC Bayern unter Druck. Intern wie extern wurde debattiert, ob der Sportvorstand der richtige Mann für die großen Aufgaben an der Säbener Straße sei.
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