watson: Valentina, du sagst, du magst das Wort Feminismus nicht. Warum?
Valentina Maceri: Für mich klingt es zu aggressiv. Ich spreche lieber von Gleichberechtigung. Und das bedeutet für mich: Frauen und Männer sollen dieselben Chancen und Wahlfreiheiten haben. Es geht aber nicht darum, dass am Ende alle dasselbe Ergebnis erzielen.
Was meinst du damit?
Ich kann zum Beispiel nicht dieselbe körperliche Leistung bringen wie ein Mann. Natürlich gibt es biologische Unterschiede. Aber ich habe genauso das Recht, über Fußball zu sprechen und darin zu arbeiten. Und das gilt umgekehrt genauso: Ein Mann sollte Make-up-Artist werden dürfen, ohne schief angeschaut zu werden.
Das klingt, als würdest du Gleichberechtigung befürworten – warum Feminismus nicht?
Ich stehe für Gleichberechtigung, aber ich sehe mich nicht als Feministin im klassischen Sinne. Ich will keine Kämpfe zwischen den Geschlechtern führen. Mein Problem ist der moderne Feminismus, der oft in Extreme abdriftet.
Was stört dich konkret am modernen Feminismus?
Die Radikalität. Viele feministische Debatten blenden biologische Fakten aus, glorifizieren Selbstinszenierung unter dem Label "Empowerment" und stellen Männlichkeit grundsätzlich als toxisch dar. Das geht für mich zu weit. Ich ziehe eine klare Grenze da, wo gesunder Menschenverstand aufhört – wo Männerhass propagiert wird oder Frauen sich unter dem Deckmantel von Emanzipation alles erlauben. Das ist keine Gleichberechtigung mehr.
Kannst du Beispiele nennen?
Der Fall Jörg Dahlmann. Er machte einen harmlosen Spruch über Sophia Thomalla, sie selbst fand ihn nicht schlimm. Trotzdem wurde er öffentlich als sexistisch gebrandmarkt und verlor seinen Job. Oder ein persönliches Beispiel: Ein Kollege begrüßte mich einmal mit einem Scherz über mein Outfit. Für uns beide war das völlig in Ordnung. Aber ein Journalist, der uns begleitete, empfand es als sexistisch und stilisierte mich zur Betroffenen. Solche Situationen verzerren die Realität und helfen niemandem – am wenigsten den Frauen, die wirklich unter Sexismus leiden.
Wie gehst du damit um, wenn Männer dein Äußeres bewerten?
Kommt auf den Ton an. Ein respektvolles Kompliment nehme ich gern an – das ist für mich kein Übergriff. Leider habe ich aber zunehmend das Gefühl, dass Männer sich nicht mal mehr das trauen, weil sie Angst haben, sofort als übergriffig zu gelten. Das ist doch absurd.
Absurd, dass Männer ihren Umgang mit Frauen überdenken müssen?
Ein echtes Umdenken entsteht nicht durch Angst. Ein Umdenken passiert nicht durch Shitstorms, Cancel Culture oder Social-Media-Kampagnen. Es braucht Dialog und Verständnis.
Gibt es deiner Meinung nach also keine problematischen Männlichkeitsbilder?
Doch, aber problematisches Verhalten ist nicht geschlechterspezifisch. Ich habe auch Frauen erlebt, die ihre Macht ausgenutzt haben. Es geht um Charakter und wie wir Jungs und Mädchen erziehen, nicht um Geschlecht. Wenn wir Männlichkeit pauschal als toxisch bezeichnen, verunsichern wir viele Männer, die nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen. Das bringt niemandem etwas.
Du bekommst viele Hassnachrichten und sexistische Beleidigungen – warum meldest du sie nicht?
Jede einzelne Nachricht melden? Das wäre ein 24-Stunden-Job. Dafür habe ich keine Zeit.
Könnte man das nicht auch so sehen, dass du damit sexistischen Angriffen einfach ihren Lauf lässt?
Aber es bringt doch nichts. Diese Leute machen sich einfach neue Fake-Accounts. Ich verschwende meine Energie nicht damit, diese Menschen zu melden. Es ist viel effektiver, diese Sachen komplett an sich abprallen zu lassen. Und sich zu rächen, indem man erfolgreich ist. Erfolg ist für mich die beste Antwort auf Hass.
Wie beurteilst du die Rolle von Social Media in der feministischen Debatte?
Sehr kritisch. Viele Inhalte sind extrem vereinfacht oder provokant, weil das dem Algorithmus hilft. Gerade junge Menschen übernehmen diese Haltungen oft unreflektiert. Und Extreme ziehen immer Gegensätze nach sich. Das bringt uns gesellschaftlich nicht weiter, sondern treibt uns auseinander.
In deinem Buch stellst du dich auf die Seite der Männer und verbündest dich mit ihnen. Führst du also einen Kampf gegen Frauen?
Nein, absolut nicht. Ich kämpfe nicht gegen Frauen, sondern für ein faires Miteinander. Wenn Männlichkeit pauschal als Problem dargestellt wird, dann ist es nur konsequent, auch mal die andere Seite zu beleuchten. Das schließt nicht aus, dass ich mich auch für Frauen einsetze – das tue ich, wo es nötig ist.
Bist du ein "Girls’ Girl"?
Ich helfe Frauen, wo ich kann – beruflich wie privat. Aber ich habe leider oft erlebt, dass hinter dem Schlagwort "Girls support Girls" wenig steckt. Sobald Konkurrenz im Spiel ist, kippt die Stimmung. Ich glaube an echte Solidarität, nicht an Hashtags auf Instagram.
Wie stehst du zur Frauenquote?
Ich halte nicht viel davon. Wenn ich eine Position wegen einer Quote bekomme, stellt sich automatisch die Frage: Bin ich hier, weil ich gut bin – oder weil ich eine Frau bin? Das macht es schwieriger, ernst genommen zu werden. Ich habe mir meinen Platz im Fußballbusiness hart erarbeitet. Nicht trotz, sondern wegen der Leistung. Das schafft Respekt.
Aber wäre es nicht sinnvoll, den Aufstieg zumindest etwas zu erleichtern?
Leistung ist nie leicht. Ob im Sport oder im Beruf: Wer etwas erreichen will, muss dafür kämpfen. Ich finde, das wird oft zu negativ gesehen. Anstrengung formt Charakter und schafft Selbstvertrauen.
Dennoch gibt es reale Missstände. Frauen bekommen in Deutschland für die gleiche Arbeit derzeit etwa 6 Prozent weniger Geld als Männer.
Auch hier fehlt mir oft die Differenzierung. Frauen verhandeln oft schlechter als Männer. Das muss man benennen. Um etwas langfristig zu verändern, dürfen wir nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern müssen an der Wurzel ansetzen. Wir brauchen eine Erziehung, die Mädchen zu selbstbewussten Frauen macht.
Der DFB rühmt sich damit, die EM-Prämien der Frauen verdoppelt zu haben. Jeder nominierten Nationalspielerin winken bei einem EM-Titel 120.000 Euro. Jedem männlichen Kollegen 400.000 Euro. Ist das fair?
Ich verstehe, dass das auf den ersten Blick unfair wirkt. Aber man muss berücksichtigen, dass der Männerfußball über TV-Rechte, Sponsoren und Merchandising ein Vielfaches einspielt. Der Frauenfußball ist beim DFB wirtschaftlich gesehen nach wie vor ein Zuschussgeschäft. Dass die Prämien mittlerweile bei 120.000 Euro liegen, ist ein Riesenschritt im Vergleich zu früher – als es für den EM-Sieg mal ein Kaffeeservice gab. Wir müssen sehen: Wir befinden uns in einem Rennen, in dem die Männer viel früher gestartet sind. Dass wir heute schon so nah dran sind, ist eine starke Leistung.